BGH,
Beschl. v. 1.9.2009 - 3 StR 316/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 316/09
vom
1. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 1. September 2009
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Lübeck vom 4. Mai 2009 im Maßregelausspruch mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer
räuberischer Erpressung in Tateinheit mit
Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren
und sechs Monaten verurteilt sowie die Sicherungsverwahrung angeordnet.
Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte
Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel
ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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Der Maßregelausspruch kann nicht bestehen bleiben. Hierzu hat
der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:
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"Das Landgericht hat die Anordnung der Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB mit der
Begründung abgelehnt, dass nach den Ausführungen der
Sachverständigen bei dem Angeklagten zwar eine erhebliche
Alkoholgefährdung vorliege, aber keine
Abhängigkeitserkrankung und 'damit' kein Hang bestehe. Diese
Begründung lässt befürchten, dass die
Strafkammer die gesetzlichen Voraussetzungen des § 64 StGB
verkannt hat.
Ein 'Hang' im Sinne von § 64 StGB ist nicht nur - wovon das
Landgericht angesichts der Gleichsetzung von
Abhängigkeitserkrankung und Hang offensichtlich ausgegangen
ist -, im Falle einer chronischen, auf körperlicher Sucht
beruhenden Abhängigkeit zu bejahen. Vielmehr genügt
bereits eine eingewurzelte, aufgrund psychischer Disposition bestehende
oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder
Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, wobei
noch keine physische Abhängigkeit bestehen muss (BGH, Beschl.
vom 13. Juni 2007 - 3 StR 194/07; BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang
5; Fischer, StGB 56. Aufl. § 64 Rdn. 9 m. w. N.).
Die Feststellungen des Urteils legen nahe, dass bei dem Angeklagten ein
Hang zum übermäßigen Alkoholkonsum besteht.
So trennte sich die Freundin des Angeklagten im Monat vor Tatbegehung
unter anderem aufgrund seines 'maßlosen Alkoholkonsums' von
ihm. Zu dieser Zeit habe er bis zu 20 Flaschen Bier täglich
sowie Cannabis zu sich genommen. Hinsichtlich früherer
Straftaten gab der Angeklagte an, dass diese 'unter anderem auf
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seinen Alkoholkonsum zurück zu führen' seien. Zu den
genauen Trinkmengen des Angeklagten vor der Tatbegehung hat das
Landgericht keine Feststellungen getroffen. Nach seinen eigenen Angaben
nahm er vor der Tatbegehung erhebliche Alkoholmengen zu sich. Unter
Hinweis auf diesen erheblichen Alkoholkonsum hat das Landgericht der
Einlassung des Angeklagten, er habe nach Tatbegehung keinen weiteren
Alkohol mehr konsumiert, keinen Glauben geschenkt, da der Angeklagte
selbst während der Tatbegehung Alkohol konsumierte und zudem
angab, in Stresssituationen zu erhöhtem Alkoholkonsum zu
neigen. Angesichts dieser Feststellungen kann nicht ausgeschlossen
werden, dass das Gericht aufgrund der rechtsfehlerhaften Gleichsetzung
von Abhängigkeitserkrankung und 'Hang' im Sinne des §
64 StGB die Anordnung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt
unterlassen hat. Da der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen vor
und während der Tat Alkohol konsumierte, kann auch nicht
ausgeschlossen werden, dass der Hang neben anderen Umständen
mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte die Tat beging. Nach
ständiger Rechtsprechung ist nicht erforderlich, dass der Hang
die alleinige Ursache für die Anlasstat ist (BGH NStZ-RR 1997,
231; BGH NStZ 2000, 25).
Da somit eine Anordnung nach § 64 StGB in Betracht kommt, ja
wohl sogar nahe liegt, kann auch die Anordnung der Sicherungsverwahrung
keinen Bestand haben.
Zwar liegen die Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 StGB - wie die
Kammer rechtsfehlerfrei festgestellt hat - vor. …
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Gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 StGB kommt eine
Unterbringung in der Sicherungsverwahrung jedoch dann nicht in
Betracht, wenn der Zweck der Maßregel durch die (mildere)
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erreicht werden kann (BGH,
Beschl. vom 19. Mai 2009 - 3 StR 191/09; Beschl. vom 6. Dezember 2007 -
3 StR 355/07, StV 2008, 300 f.).
Ob die Voraussetzungen für die Anordnung der
Maßregel nach § 64 StGB vorliegen und ob diese
Maßregel allein die hangbedingte Gefährlichkeit des
Angeklagten ausschließen kann, wird das neue Tatgericht unter
Heranziehung eines - gegebenenfalls anderen - Sachverständigen
(§ 246 a StPO) zu entscheiden haben."
Dem stimmt der Senat zu.
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Sost-Scheible Pfister Hubert
Schäfer Mayer |