BGH,
Beschl. v. 10.2.2004 - 4 StR 2/04
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 2/04
vom
10.02.2004
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 10.02.2004
gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Magdeburg vom 4. August 2003 in den
Aussprüchen über die im Fall II. 2.
verhängte Einzelstrafe
und die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung
in Tateinheit
mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen
Vergewaltigung in Tateinheit
mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen
und eine Gesamtfreiheitsstrafe
von sechs Jahren und sechs Monaten verhängt. Außerdem
hat es ihn verurteilt, an die Nebenklägerin ein Schmerzensgeld
in Höhe von
5.000 Euro zu bezahlen; von einer weiter gehenden Entscheidung
über den
Adhäsionsantrag hat es abgesehen. Gegen dieses Urteil wendet
sich der Angeklagte
mit seiner auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten
Revision.
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Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlußformel
ersichtlichen Umfang Erfolg.
Im übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO.
Im Fall II. 2. (Tat vom 15. Februar 2003) hält die
Strafzumessung rechtlicher
Überprüfung nicht stand.
1. Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat
das Landgericht den Angeklagten zu Recht wegen Vergewaltigung in
Tateinheit
mit gefährlicher Körperverletzung schuldig
gesprochen. Es ist davon ausgegangen,
daß die Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung
dieser Tat
zwar nicht aufgehoben, jedoch infolge seiner Alkoholisierung nicht
ausschließbar
im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert war. Der Bemessung
der
Strafe hat die Strafkammer den Strafrahmen des § 177 Abs. 2
StGB zugrundegelegt
und die Einsatzstrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe
verhängt. Die Wahl
des Strafrahmens hat sie wie folgt begründet:
"Bezüglich der zweiten Tat am
15.02.2003 ist hinsichtlich ... der Vergewaltigung (...) in §
177 Abs. 2 StGB
Freiheitsstrafe von zwei bis zu fünfzehn Jahren angedroht. Ein
minder schwerer
Fall ist hier gesetzlich nicht vorgesehen. Für die
tateinheitlich begangene
gefährliche Körperverletzung droht § 224
Abs. 1 StGB eine Höchststrafe von
zehn Jahren Freiheitsstrafe an, so daß die gegen den
Angeklagten zu verhängende
Strafe insoweit dem Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB zu
entnehmen
war" (UA 17). Zu einer möglichen Milderung des Strafrahmens
des § 177
Abs. 2 StGB gemäß §§ 21, 49 Abs. 1
StGB verhält sich das Urteil nicht.
2. Die Bestimmung des Strafrahmens begegnet durchgreifenden rechtlichen
Bedenken. Die Urteilsgründe ergeben nicht, weshalb eine
Strafrahmenmilderung
unterblieben ist.
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Die Ausführungen der Strafkammer lassen vielmehr besorgen,
daß sie
sich der Möglichkeiten eines Absehens von der Anwendung des
erhöhten
Strafrahmens nach §§ 177 Abs. 2 StGB nicht
bewußt gewesen ist. Zwar ist das
Landgericht zu Recht davon ausgegangen, daß der Angeklagte
das Regelbeispiel
nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB verwirklicht hat. Nach
ständiger
Rechtsprechung kann jedoch gleichwohl eine Ausnahme von der Regelwirkung
in Betracht kommen, wenn ein Regelbeispiel mit gewichtigen
Milderungsgründen
zusammentrifft. Der Bestrafung kann dann ausnahmsweise der
Normalstrafrahmen
des § 177 Abs. 1 StGB zugrundegelegt werden. In extremen
Ausnahmefällen
- ein solcher liegt hier freilich fern - kann sogar eine weiter gehende
Milderung des Normalstrafrahmens (§ 177 Abs. 1 StGB) und die
Bemessung
der Strafe aus dem Rahmen für den minder schweren Fall
(§ 177 Abs. 5
1. Halbs. StGB) in Betracht zu ziehen sein (vgl. BGHR StGB §
177 Abs. 2
Strafrahmenwahl 13 m.w.N.; Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl.
§ 177 Rdn. 38).
Der rechtsfehlerhafte Ansatz der Strafkammer bei Bestimmung des
Strafrahmens kann sich hier zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt
haben.
Zwar führt das Landgericht bei der Strafzumessung im engeren
Sinne gewichtige
Umstände an, die gegen einen Wegfall der Regelwirkung und eine
Heranziehung
des niedrigeren Strafrahmens nach § 177 Abs. 1 StGB sprechen.
Es
hat jedoch weder bei Bestimmung des Strafrahmens noch im Rahmen der
Strafzumessung im übrigen bedacht, daß der vertypte
Strafmilderungsgrund
des § 21 StGB vorliegt. Ein vertypter Strafmilderungsgrund
kann aber schon
allein oder im Zusammenwirken mit allgemeinen
Milderungsgründen ein Abweichen
vom Regelstrafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB und die Anwendung
des Normalstrafrahmens rechtfertigen (vgl. Tröndle/Fischer aaO
§ 46 Rdn. 92
m.w.N.). Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, daß die
Strafkammer den für den
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Angeklagten günstigeren Strafrahmen des § 177 Abs. 1
StGB herangezogen
hätte, wenn es diesen Umstand bei Bestimmung des Strafrahmens
berücksichtigt
hätte.
Wäre das Landgericht mit rechtsfehlerfreien
Erwägungen zur Anwendung
des Regelstrafrahmens gelangt, hätte es prüfen
müssen, ob eine Strafrahmenmilderung
nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB in Betracht kommt. Hiermit
hat
sich die Strafkammer jedoch ebenfalls nicht auseinandergesetzt.
Eine ausdrückliche Entscheidung über eine
Strafrahmenmilderung durfte
entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts hier auch nicht
ausnahmsweise
unterbleiben. Zwar kann nach der bisherigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs bei einem Täter, der seine erheblich
verminderte Schuldfähigkeit
durch Alkoholgenuß verschuldet herbeigeführt hat,
die Strafmilderung
dann versagt werden, wenn er die Neigung hatte, nach
Alkoholgenuß Straftaten
zu begehen und wenn er sich dieser Neigung bewußt war oder
hätte bewußt
sein können (vgl. BGHSt 43, 66, 78; BGHR StGB § 21
Strafrahmenverschiebung
14, 22, 30 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind jedoch durch die
bisherigen Feststellungen nicht ausreichend belegt.
Die Urteilsgründe lassen zum einen bereits nicht hinreichend
deutlich
erkennen, daß dem Angeklagten die Alkoholaufnahme zum Vorwurf
gemacht
werden kann. Nach den Feststellungen konsumiert er seit dem 15.
Lebensjahr
Alkohol, lebte zur Tatzeit im Alkoholikermilieu und sprach selbst
regelmäßig
dem Alkohol zu. Bei Begehung der Tat wies er eine
Blutalkoholkonzentration
von 2,64 ‰ auf. Diese Umstände lassen es jedenfalls
nicht ausgeschlossen
erscheinen, daß der Angeklagte alkoholkrank war und aufgrund
eines unwider-
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stehlichen Dranges Alkohol trank (vgl. BGHR StGB § 21
Strafrahmenverschiebung
19). Zum anderen kann den knappen Schilderungen der Vorstrafen nicht
entnommen werden, daß der Angeklagte bereits früher
Gewaltdelikte unter Alkoholeinfluß
beging und deshalb damit rechnen mußte, sich erneut zu solchen
Straftaten hinreißen zu lassen. Auch insoweit hätte
es weiterer Darlegungen
bedurft.
Der Strafausspruch im Fall II. 2. muß deshalb aufgehoben
werden. Die
Aufhebung der Einsatzstrafe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach
sich.
Tepperwien Maatz Kuckein
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