BGH,
Beschl. v. 11.8.2005 - 5 StR 312/05
5 StR 312/05
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
11.08.2005
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11.08.2005
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Hamburg vom 16.02.2005 nach § 349
Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Ausgenommen sind die Feststellungen zum äußeren
Tatgeschehen,
die aufrechterhalten bleiben; insoweit wird die
weitergehende Revision nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet
verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer
Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die
Revision
des Angeklagten hat mit einer Aufklärungsrüge zur
Frage der Schuldfähigkeit
teilweise Erfolg.
Die Feststellungen des Landgerichts zum äußeren
Tathergang sind
rechtsfehlerfrei getroffen. Die insoweit von der Revision geltend
gemachten
Einwendungen haben aus den Gründen der Antragsschrift des
Generalbundesanwalts
keinen Erfolg.
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Nach den Feststellungen verfolgte der Angeklagte ein 14 Jahre altes
Mädchen bis zu einer Grünanlage, wo er den
Oralverkehr erzwang. Seine
Überzeugung von der Täterschaft des eine Einlassung
zur Sache verweigernden
Angeklagten hat der Tatrichter auf eine Gesamtwürdigung
mehrerer
Beweismittel gestützt. Das Ergebnis der
Beweiswürdigung ist aus Rechtsgründen
nicht zu beanstanden. Gleichwohl kann der Schuldspruch keinen
Bestand haben, weil der Tatrichter das Vorliegen der Voraussetzungen der
§§ 20, 21 StGB hier nicht ohne die von der
Verteidigung beantragte Hinzuziehung
eines psychiatrischen Sachverständigen ausschließen
durfte.
Der Tatrichter hat die Frage einer möglicherweise durch
Persönlichkeitsveränderung
erheblich verminderten Steuerungs- oder Einsichtsfähigkeit
erörtert. Er hat eine solche erhebliche Verminderung aufgrund
eigener Sachkunde
ausgeschlossen, weil einerseits der Angeklagte während der
zweiwöchigen
Hauptverhandlung bewusstseinsklar sowie zeitlich und örtlich
orientiert
gewesen sei und sich situationsadäquat verhalten habe und
andererseits
das Tatgeschehen durch ausdauerndes, zielgerichtetes und konsequentes
Verhalten des Angeklagten geprägt gewesen sei.
Der Fall weist demgegenüber insgesamt so gravierende
Besonderheiten
auf, dass es sich dem Landgericht hier aufdrängen musste,
unter Zuziehung
eines psychiatrischen Sachverständigen der Frage
näher nachzugehen,
ob bei dem Angeklagten eine krankhafte seelische Störung oder
eine
schwere seelische Abartigkeit vorlag, die seine
Schuldfähigkeit erheblich beeinträchtigt
hat.
Der 50 Jahre alte, in Afghanistan geborene Angeklagte ist durch den
Tod seiner Ehefrau - nach längerer Krebserkrankung - im Jahre
1996 „aus
der Bahn“ geworfen worden. Er war mit der Pflege seiner
kranken Ehefrau
und der Sorge für seine sechs Kinder überfordert und
begann, Drogen zu
konsumieren, unter anderem Heroin und Kokain, später auch
Crack. Den von
ihm geleiteten Autohandel gab er auf und lebte längere Zeit
wie ein Obdach-
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loser auf der Straße. Nach Verurteilungen wegen mehrerer
Betäubungsmittelstraftaten
wurde im November 2002 ein bestehender Strafrest zur Bewährung
ausgesetzt, jedoch wurde er im folgenden Jahr erneut wegen eines
Drogendelikts verurteilt. Sein Bewährungshelfer hat ihm
erklärt, wenn „sein
Leben wieder etwas in Ordnung komme“, könne er auch
wieder arbeiten.
Die Strafkammer hält es für möglich, dass
sich der Angeklagte phasenweise
auffällig verhält. Hiernach hat der Angeklagte aus
Kleidungsstücken
Gebilde gebaut, die er als Roboter bezeichnet, die ihm helfen sollen.
Auch hat er aus Videobändern Girlanden gefertigt und an die
Wände geklebt.
Er hält sich auch bei Kälte, Regen oder Dunkelheit
auf dem Balkon auf und
„kommuniziert“ mit seinen Pflanzen. Er behauptet,
Diego Maradona zu kennen
und für ihn gekocht zu haben. Er fühlt sich von einer
Nordallianz verfolgt,
die ihm einmal Geld geliehen habe. Um seinen Haushalt kümmert
er sich
nicht, seine persönlichen Angelegenheiten
vernachlässigt er. Seine früher
ausgezeichneten Deutschkenntnisse haben sich deutlich verschlechtert.
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Hiernach war die Untersuchung der Schuldfähigkeit des
Angeklagten
durch einen psychiatrischen Sachverständigen
unerlässlich. Der dargelegte
Fehler führt zur Aufhebung des Urteils. Da nicht mit
Sicherheit auszuschließen
ist, dass bei der gebotenen umfassenden Beurteilung von
Täterpersönlichkeit
und Tat (vgl. BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 4, 16, 26)
die
Schuldunfähigkeit des Angeklagten (§ 20 StGB)
festgestellt wird, hebt der
Senat nicht nur den Strafausspruch, sondern das Urteil insgesamt auf.
Die
Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen
können jedoch bestehen bleiben,
da sie von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt werden
(vgl. BGHSt
14, 30, 34).
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