BGH,
Beschl. v. 11.6.2003 - 2 StR 83/03
2 StR 83/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
11. Juni 2003
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 11. Juni
2003 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten F. und S. wird das Urteil des
Landgerichts Wiesbaden vom 15. August 2002 im Schuldspruch dahin
geändert, daß die Angeklagten im Fall 13 der
Urteilsgründe der Verabredung zum schweren Raub schuldig sind.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels
zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten F. - nach Beschränkung der
Strafverfolgung nach § 154 a StPO - wegen schweren Raubes in
acht Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit
vorsätzlichem unerlaubten Erwerb einer halbautomatischen
Selbstladekurzwaffe, vorsätzlicher unerlaubter
Ausübung der tatsächlichen Gewalt über sie
und vorsätzlichem Führen dieser Waffe, sowie des
weiteren wegen versuchten schweren Raubes in drei Fällen,
schwerer räuberischer Erpressung, Verabredung eines
Verbrechens und vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs einer
halbautomatischen Selbstladekurzwaffe in Tateinheit mit
vorsätzlicher Ausübung der tatsächlichen
Gewalt über sie unter Auflösung verschiedener
Gesamtfreiheitsstrafen und Einbeziehung früherer Urteile zu
Gesamtfreiheitsstrafen von sieben Jahren, sechs Jahren und acht Jahren
verurteilt.
Den Angeklagten S. hat das Landgericht - nach Beschränkung der
Strafverfolgung nach § 154 a StPO - wegen schweren Raubes in
fünf Fällen, versuchten schweren Raubes in zwei
Fällen und schwerer räuberischer Erpressung zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren und sechs Monaten verurteilt und
die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten F. und S. die
Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Rechtsmittel haben mit
der Sachrüge den aus dem Beschlußtenor ersichtlichen
geringen Erfolg, im übrigen sind sie unbegründet im
Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Revisionen führen im Fall 13 zu einer Änderung
des Schuldspruchs.
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts beschlossen die Angeklagten
F. und S. die Sparkasse L. in H. am Montag, den 19. März 2001,
zu überfallen. Nach ihrem Tatplan wollten sie vor Erscheinen
der Bankangestellten in die Bank eindringen, bei deren Eintreffen diese
unter Bedrohung mit einer geladenen Schreckschußpistole zum
Öffnen des Tresors zwingen und dessen Inhalt an sich nehmen.
Zur Vorbereitung des Überfalls öffneten sie in der
Nacht von Samstag auf Sonntag die Außentür der
Sparkasse mit einer bei einem früheren Überfall
erbeuteten Kundenkarte und gelangten so in den Vorraum. Der Angeklagte
F überklebte die Kameralinsen der Überwachungskameras
und brach die Tür zum Schalterraum auf. Beim Verlassen der
Bank verdrehte der Angeklagte F. eine Lamelle des sich an der
Tür zum Schalterraum befindlichen Lamellenvorhangs. Am
Sonntag, den 18. März 2001, betrat der Filialleiter das
Gebäude. Er richtete die vom Angeklagten F. verdrehte Lamelle
und entdeckte einige der von den Angeklagten getroffenen
Vorbereitungen. Die von ihm informierte Polizei postierte sich
daraufhin in der Bank, um auf die Täter zu warten. Als die
Angeklagten S. und F. am Sonntagabend gemeinsam zur Sparkasse fuhren,
bemerkte der Angeklagte F. , daß die von ihm verdrehte
Lamelle gerichtet worden war. Daraufhin sahen die Angeklagten von einem
Überfall ab, weil sie befürchteten, daß
jemand in der Bank gewesen sei und den Einbruch entdeckt habe.
b) Der Schuldspruch wegen versuchten schweren Raubes
gemäß §§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 1 b,
22, 23 StGB hält rechtlicher Überprüfung
nicht stand. Die Annahme, das Handeln der Angeklagten habe bereits die
Schwelle zum Versuch überschritten, begegnet durchgreifenden
Bedenken.
Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur
Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt. Dafür ist
nicht erforderlich, daß der Täter bereits ein
Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Es genügt, daß er
Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Verwirklichung eines
Tatbestandsmerkmals unmittelbar vorgelagert sind und im Fall des
ungestörten Fortgangs ohne Zwischenakte in die
Tatbestandshandlung unmittelbar einmünden. Das ist der Fall,
wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum "jetzt geht es los"
überschreitet, es eines weiteren "Willensimpulses" nicht mehr
bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen
Angriffshandlung ansetzt (st. Rspr., BGHSt 26, 201, 202 f.; 48, 34, 35
f. m.w.Nachw.).
Nach diesen Kriterien fehlt es schon an einem engen zeitlichen
Zusammenhang mit Tatbestandshandlungen des Raubes, da die Angeklagten
mehr als einen Tag vor dem geplanten Überfall in die Bank
eindrangen, die Räumlichkeiten "präparierten" und die
Bank wieder verließen. Darin liegt nur eine straflose
Vorbereitungshandlung. Aber auch durch die Fahrt zur Sparkasse am
Sonntagabend haben die Angeklagten nicht unmittelbar zur
Tatbestandsverwirklichung angesetzt, weil noch weitere erhebliche
Zwischenschritte erforderlich waren. Denn sie hätten
zunächst in die "vorbereiteten" Bankräume eindringen
und dort auf das Eintreffen der Bankmitarbeiter am nächsten
Morgen warten müssen, um sie in ihre Gewalt zu bringen. Ein
"Zurück" war für die Täter, die sich zu
diesem Zeitpunkt außerhalb der Bank befanden noch ohne
weiteres möglich, eine konkrete Gefährdung der durch
§ 250 StGB geschützten Rechtsgüter war noch
nicht gegeben.
Die Angeklagten haben sich jedoch einer Verabredung zum schweren Raub
schuldig gemacht (§§ 30 Abs. 2, 250 Abs. 2 Nr. 1
StGB). Der geplante Einsatz einer geladenen Schreckschußwaffe
stellt die beabsichtigte Verwendung einer Waffe i.S. von § 250
Abs. 2 Nr. 1 StGB dar (Beschluß des Großen Senats
für Strafsachen des Bundesgerichtshofes v. 4. Februar 2003 -
GSSt 2/02 (= NJW 2003, 1677)). Der Senat hat den Schuldspruch
entsprechend geändert. § 265 StPO steht der
Schuldspruchänderung nicht entgegen, da ausgeschlossen werden
kann, daß sich die geständigen Angeklagten gegen die
abweichende rechtliche Würdigung der Tat anders als geschehen
hätten verteidigen können.
2. Die im Fall 13 festgesetzten Einzelstrafen von jeweils drei Jahren
und die Gesamtstrafen von acht Jahren bei dem Angeklagten F. (weitere
einbezogene Einzelstrafen: sieben Jahre drei Monate, fünf
Jahre, sieben Jahre sechs Monate, zwei Jahre und ein Jahr) sowie von
vierzehn Jahren bei dem Angeklagten S. (weitere Einzelstrafen: sechs
Jahre sechs Monate, fünf Jahre sechs Monate, fünf
Jahre, vier Jahre neun Monate, sieben Jahre, drei Jahre sechs Monate)
können bestehen bleiben. Der Senat schließt aus,
daß bei einer Verurteilung wegen Verabredung zu einem
Verbrechen des schweren Raubes statt wegen Versuchs die jeweiligen
Einzelstrafen und die Gesamtstrafen milder ausgefallen wären.
Der nach § 30 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 StGB gemilderte
Strafrahmen entspricht dem des Versuchsstrafrahmens. Zudem
wäre die Strafe nach der Änderung der Rechtsprechung
durch den Beschluß des Großen Senats für
Strafsachen des Bundesgerichtshofes vom 4. Februar 2003 (aaO) dem nach
§ 30 Abs. 2 StGB gemilderten Strafrahmen des § 250
Abs. 2 Nr. 1 StGB (zwei Jahre bis elf Jahre drei Monate) zu entnehmen,
der schärfer ist als der von der Strafkammer angewandte, nach
§ 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderte
Strafrahmen des § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB (sechs Monate bis
elf Jahre drei Monate).
Die Schuldspruchänderung stellt keinen solchen Erfolg der
Revision dar, der eine Belastung des Angeklagten mit den vollen Kosten
des Rechtsmittels unbillig erscheinen ließe (§ 473
Abs. 4 StPO).
Rissing-van Saan Bode Otten Rothfuß Fischer |