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BGH, Beschluss vom 13. August 2003 - 2 StR 243/03


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 13.8.2003 - 2 StR 243/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 243/03
vom
13.08.2003
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 13.08.2003 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Limburg a. d. Lahn vom 27. Januar 2003 mit den Feststellungen
aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer lebenslangen
Freiheitsstrafe verurteilt. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten
mit Verfahrensrügen und der Sachrüge.
Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
I.
Das Landgericht hat im wesentlichen festgestellt:
Nach einer von dem Angeklagten aufgegebenen Kontaktanzeige, mit der
dieser eine Frau für gelegentliche erotische Treffs suchte, hatte sich das spätere
Tatopfer, Frau H. mit dem Angeklagten verabredet. Bei einem ersten Treffen
in seiner Wohnung bot er Frau H. zur Einstimmung auf die geplanten sexuellen
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Handlungen Sekt an. Sie lehnte ab, lachte und erklärte sinngemäß, mit so etwas
wie ihn lasse sie sich nicht ein. Der sexuell erregte Angeklagte fand diese
Reaktion unverständlich, wollte aber an dem Geschlechtsverkehr festhalten. Er
entschloß sich, Frau H. zu töten, zog sie aus dem Stahlrohrschwingsessel, auf
dem sie saß, auf eine Matratze, kniete sich auf die auf dem Rücken liegende
Frau und würgte und drosselte sie mit Tötungsvorsatz mindestens drei, wahrscheinlich
aber acht bis zehn Minuten. Schließlich schlug er mit einer Flasche
zweimal mit solcher Wucht auf den Kopf der Frau H., daß ein Berstungsbruch
des Schädeldachs eintrat. Nach der Tötung begann er, sie zu entkleiden und
den Geschlechtsverkehr mit der Toten auszuführen, den er abbrach, ohne daß
es zum Samenerguß kam.
Das Landgericht hat das Tatgeschehen als Mord gewertet und das
Mordmerkmal zur Befriedigung des Geschlechtstriebs angenommen. Sachverständig
beraten ist es von voller Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgegangen.
Zwar leide der Angeklagte an einer paranoiden Persönlichkeitsstörung,
die als schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB zu verstehen
sei, diese stehe aber in keinem Zusammenhang mit der Tat. Es habe
sich um eine sadistisch aggressive Impulshandlung gehandelt. Da keine Therapiemöglichkeiten
bestünden, sei dem Angeklagten die denkbar schlechteste
Prognose zu stellen.
II.
Die Begründung, mit der das Landgericht die Voraussetzungen des § 21
StGB ausgeschlossen hat, hält der rechtlichen Prüfung nicht stand (1.). Der
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darin liegende Mangel erfaßt auch den Schuldspruch mit den zugehörigen
Feststellungen und der Beweiswürdigung (2.).
1. Auf der Grundlage des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen
hat das Landgericht festgestellt, daß der überdurchschnittlich intelligente,
nicht vorbestrafte Angeklagte längerfristige, tragfähige Bindungen und Beziehungen
weder im beruflichen noch im privaten Bereich habe aufbauen können.
Seine intensivste persönliche Beziehung habe er mit einer Frau unterhalten,
mit der er vier Monate zusammen war. Mit ihr bestehe seit Jahren eine lockere,
auf gelegentliche Kontakte beschränkte Freundschaft. Seine Arbeitsstellen
habe er häufig gewechselt, weil er sich ungerecht behandelt gefühlt habe.
Schon den Anflug einer Kritik an seiner Person empfinde er in erhöhtem
Maß als bedrohlich. Er leide an einer paranoiden Persönlichkeitsstörung, die
sich über sein ganzes Leben hinziehe und zu einer deutlichen Beeinträchtigung
der sozialen Funktionstüchtigkeit auf der Beziehungsebene und im Arbeitsbereich
geführt habe. Von den für diese Diagnosestellung nach ICD 10
erforderlichen Kriterien erfülle der Angeklagte fünf von sieben (ausreichend
sind drei Kriterien), unter anderem sei er übertrieben empfindsam bei Rückschlägen
und Zurücksetzungen.
Bei diesen Feststellungen zur Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten
und ihrer Bewertung als schwere seelische Abartigkeit ist die mit dem Sachverständigen
übereinstimmende Einschätzung des Landgerichts, die Persönlichkeitsstörung
stehe in keinem Zusammenhang mit der Tat, nicht ausreichend
begründet. Die Tat geschah im unmittelbaren Anschluß an die Bemerkung des
Opfers, die der Angeklagte als Zurückweisung empfunden hat. Unter diesen
Umständen hätte es näherer Auseinandersetzung mit der Frage bedurft, ob
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nicht jedenfalls neben einer sexuellen Motivation die auf seiner Persönlichkeitsstörung
beruhende Unfähigkeit des Angeklagten, Kritik zu ertragen, die
Tat ausgelöst hat und für ihren Fortgang mitbestimmend war. Die sich auf den
Sachverständigen stützenden Ausführungen, ein sexueller Kontakt vor, während
oder nach der Tötung lasse "nach der höchsten Wahrscheinlichkeit, die
die Psychiatrie kenne" auf eine sexuelle Motivation schließen, ersetzen nicht
- unabhängig davon, ob sie in dieser Allgemeinheit zutreffend sind - eine umfassende
eigene Auseinandersetzung des Tatrichters gerade mit den Besonderheiten
in der Person dieses Angeklagten.
2. Auch die Feststellungen und die Beweiswürdigung zum Schuldspruch
leiden an der unzureichenden Erörterung der These des psychiatrischen Sachverständigen,
daß ein sexueller Kontakt vor, während oder nach der Tötung mit
höchster Wahrscheinlichkeit auf eine sexuell motivierte Tötung schließen lasse.
Diese Sichtweise verkürzt die rechtliche Bewertung des Sachverhalts und
wird den Besonderheiten des vom Landgericht zugrunde gelegten Mordmerkmals
der Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebs nicht gerecht.
Der Angeklagte hat sich bei dem Sachverständigen zu einem möglichen
sexuellen Motiv dahin eingelassen, jedenfalls am Ende der Tötung "Geilheit"
verspürt zu haben, die ihn dann zum Geschlechtsverkehr veranlaßt habe. Auf
Nachfrage des Sachverständigen hat er angegeben, daß die "Geilheit" beim
Würgen noch nicht aktuell gewesen sei, sie sei erst nach der Tötung entstanden
und habe ihn zum Geschlechtsverkehr veranlaßt. Er habe aber kein Vergnügen
empfunden, vielmehr sei es eine Kombination von "Geilheit" und so
etwas wie Wut oder Haß gewesen (UA S. 15/16). Dieser Einlassung, die auch
für einen anders als sexuell motivierten Tötungsentschluß Raum läßt, wird die
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bisherige Würdigung des Landgerichts nicht gerecht. Schon die Feststellungen
sind nicht eindeutig. Einerseits legt das Landgericht dar, der sexuell erregte
Angeklagte habe an den zuvor als einvernehmlich erwarteten sexuellen Handlungen
festhalten wollen, andererseits führt es aus, daß der Angeklagte "wieder"
sexuell erregt war, als er sein - wie er erkannt hatte - totes Opfer entkleidete.
Ob ihn die Tötungshandlungen sexuell erregten, hat das Landgericht offen
gelassen. Den Umstand, daß der Angeklagte den Geschlechtsverkehr abbrach,
ohne zum Samenerguß gekommen zu sein, erörtert das Landgericht im
Rahmen der Beweiswürdigung zur Motivlage ebenfalls nicht. Das Landgericht
hat ersichtlich gemeint, dies alles sei für die rechtliche Bewertung des Geschehens
ohne Bedeutung, weil der Annahme einer spontanen Tötung auf Grund
einer Kränkung der Umstand entgegenstehe, daß der Angeklagte sein Opfer
noch vom Sessel auf die Matratze gezogen habe, worin das Landgericht zudem
ein weiteres Indiz für ein sexuelles Motiv sehen will. Dies ist aber nur eine
mögliche Erklärung; eine andere ebenso naheliegende ist, daß der Angeklagte
so vorging, um sich selbst die Tötungshandlung zu erleichtern, weil der
Schwingsessel, in dem das Tatopfer zunächst saß, für einen Angriff mit Würgen
kein geeignetes Widerlager bot.
Die Sache bedarf danach erneuter Prüfung. Sollte eine Tötung zur Befriedigung
des Geschlechtstriebs nicht nachzuweisen sein, wird die neue
Schwurgerichtskammer gegebenenfalls auch das Mordmerkmal der sonst niedrigen
Beweggründe zu prüfen haben.
Bode Detter Otten
Fischer Roggenbuck


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