BGH,
Beschl. v. 13.12.2000 - 2 StR 56/00
StPO § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO
Die Revision gegen ein Berufungsurteil nach § 329 Abs. 1 StPO
ist zulässig, auch wenn sie nur eine Sachrüge
enthält, mit der behauptet wird, das Amtsgericht habe ein
Verfahrenshindernis nicht beachtet, das bereits bei der
Verkündung des erstinstanzlichen Urteils vorgelegen habe
(Bestätigung von BGHSt 21, 242).
BGH, Beschl. vom 13. Dezember 2000 - 2 StR 56/00 - OLG Koblenz
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 56/00
vom
13. Dezember 2000
in der Strafsache gegen
wegen Betruges u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 13. Dezember 2000 beschlossen:
Die Revision gegen ein Berufungsurteil nach § 329 Abs. 1 StPO
ist zulässig, auch wenn sie nur eine Sachrüge
enthält, mit der behauptet wird, das Amtsgericht habe ein
Verfahrenshindernis nicht beachtet, das bereits bei der
Verkündung des erstinstanzlichen Urteils vorgelegen habe.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Neuwied hat den Angeklagten u. a. wegen Betrugs in drei
Fällen verurteilt, im übrigen das Verfahren
eingestellt. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte im Februar
und März 1998 die Geschädigte unter Vorspiegelung
falscher Tatsachen um drei Darlehen gebeten und diese auch erhalten. Im
April 1998 zog der Angeklagte zu der Geschädigten, auch in der
Folge erhielt er aufgrund weiterer Täuschungen von ihr
erhebliche Geldbeträge. Die Geschädigte nahm in der
Hauptverhandlung ihren Strafantrag (§ 263 Abs. 4 StGB)
zurück.
Die gegen das Urteil eingelegte Berufung des Angeklagten wurde nach
§ 329 Abs. 1 StPO verworfen, weil er zur
Berufungshauptverhandlung unentschuldigt nicht erschienen war. Mit der
dagegen eingelegten Revision hat er die Sachrüge erhoben und
vorgetragen, schon im Februar und März 1998 habe er in
häuslicher Gemeinschaft mit der Geschädigten gelebt,
für die Verfolgung der Betrugstaten fehle es - nach
Rücknahme des Strafantrags durch die Geschädigte - an
einer Prozeßvoraussetzung.
Das Oberlandesgericht Koblenz ist der Auffassung, daß zwar
grundsätzlich die Verfahrensvoraussetzungen auch in der
Rechtsmittelinstanz von Amts wegen zu prüfen sind, dies setze
aber voraus, daß das Rechtsmittelgericht in
zulässiger Weise mit der Sache selbst befaßt werde.
Stelle das Gesetz weitere Voraussetzungen für die
Sachprüfung auf, müßten auch diese
erfüllt sein. Eine solche weitere Voraussetzung sei
für das Berufungsverfahren das Erscheinen des Angeklagten in
der Hauptverhandlung. Das unentschuldigte Nichterscheinen habe nach
§ 329 Abs. 1 StPO zwingend die Verwerfung der Berufung zur
Folge. Verfahrenshindernisse, die bereits in der Vorinstanz vorgelegen
hätten, seien in diesem Stadium nicht zu prüfen. " F
o l g l i c h " könne auch in der Revisionsinstanz nur
geprüft werden, ob Rechtsfehler bei der Anwendung des
§ 329 Abs. 1 StPO vorliegen. Diese Beschränkung der
Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts entspreche auch dem
gesetzgeberischen Zweck des § 329 Abs. 1 StPO und
führe zu gerechten Ergebnissen.
Das Oberlandesgericht möchte die Revision deshalb als
unzulässig verwerfen, weil kein Rechtsfehler bei der Anwendung
des § 329 Abs. 1 StPO geltend gemacht worden ist. Es sieht
sich daran aber durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in BGHSt
21, 242 f. und weitere Entscheidungen verschiedener Oberlandesgerichte
(z.B. OLG Saarbrücken VRS 44, 190 f.; OLG Stuttgart DAR 64,
46) gehindert, wonach die Revision gegen ein nach § 329 Abs. 1
StPO ergangenes Urteil mit der Sachrüge begründet
werden kann und die Erhebung der Sachrüge zur Prüfung
der Prozeßvoraussetzungen von Amts wegen führt. Es
hat die Sache deshalb gemäß § 121 Abs. 2
GVG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung der Rechtsfrage vorgelegt:
Ist die Revision des Angeklagten gegen ein Verwerfungsurteil
gemäß § 329 Abs. 1 StPO zulässig,
wenn nur die Sachrüge erhoben und behauptet wird, das
Amtsgericht habe ein Verfahrenshindernis nicht beachtet, das bereits
bei der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils vorgelegen
habe?
II.
Die Vorlegungsvoraussetzungen liegen vor.
Das Oberlandesgericht Koblenz kann in dem von ihm beabsichtigten Sinn
nicht entscheiden, ohne in einer Rechtsfrage von dem Beschluß
des Bundesgerichtshofs in BGHSt 21, 242 f. (und verschiedenen
Oberlandesgerichten, u.a. OLG Stuttgart DAR 1964, 46; OLG Köln
GA 1971, 27; OLG Saarbrücken VRS 44, 190 f.; OLG Hamm MDR
1973, 694; OLG Karlsruhe NJW 1978, 840) abzuweichen. In der in einem
Vorlageverfahren ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs ging es
darum, ob eine allein auf die Sachrüge gestützte
Revision gegen ein Prozeßurteil, wie es ein Berufungsurteil
nach § 329 Abs. 1 StPO darstellt, zulässig ist. Diese
Frage hatte der Bundesgerichtshof - wie zuvor schon das Reichsgericht
(DRiZ 1929 Nr. 211) - bejaht, weil auch ein solches Berufungsurteil
sachliches Recht verletzen könne, "weil die Strafverfolgung
verjährt oder die Strafklage verbraucht ist.... also ein
Verfahrenshindernis besteht, das auch dem sachlichen Strafrecht
angehört." Die Sachrüge führe deshalb allein
zur Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen.
Auch das vorlegende Gericht vertritt ersichtlich nicht die Auffassung,
die Anlaß des damaligen Vorlageverfahrens war, daß
eine Sachrüge bei reinen Prozeßurteilen generell
unzulässig sei, weil das Urteil keine Sachentscheidung
enthalte (so BayObLGSt 1949/51 Nr. 172 S. 528). Es will aber gerade den
vom Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung vorausgesetzten
Anwendungsbereich der Sachrüge bei einer Revision gegen ein
Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 StPO - die
Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen - mangels einer
Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts nicht anerkennen und
deshalb zur Unzulässigkeit der Sachrüge kommen.
In der Sache folgt der Senat der Rechtsansicht des vorlegenden
Oberlandesgerichts nicht.
1. Schon der Ansatz des vorlegenden Gerichts, das Berufungsgericht sei
im Falle des (unentschuldigten) Ausbleibens des Angeklagten in der
Berufungshauptverhandlung auch dann gezwungen, die Berufung nach
§ 329 Abs. 1 StPO zu verwerfen, wenn ein in der ersten Instanz
übersehenes Verfahrenshindernis vorliegt, ist streitig.
Insbesondere Meyer-Goßner vertritt die Auffassung,
daß bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 329 Abs.
1 StPO zwingend ein Verwerfungsurteil ohne weitere Prüfung auf
in erster Instanz übersehener Verfahrenshindernisse zu ergehen
habe. Die Sachlage sei vergleichbar mit der Verwerfung einer
zulässig eingelegten, aber nicht oder nicht
ordnungsgemäß begründeten Revision, bei der
nach herrschender Meinung und ständiger Rechtsprechung nicht
in die Prüfung der Verfahrenshindernisse, die bereits in
erster Instanz bestanden haben, einzutreten ist. Gleich welcher der
Theorien über das Wesen des Verwerfungsurteils man folge
(Verzicht, Vermutung der Unbegründetheit des Rechtsmittels,
Verwirkung), sei die Überprüfung auf diese
Prozeßvoraussetzungen auch mit dem verfahrensrechtlichen Sinn
des § 329 Abs. 1 StPO unvereinbar (Meyer-Goßner NJW
1978, 528; 1979, 201; NStZ 1994, 402 f.;
Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 329 Rdn.
8, so auch Ruß in KK 4. Aufl., § 329 Rdn. 13).
Demgegenüber findet nach wohl überwiegender Meinung
§ 329 Abs. 1 StPO keine Anwendung, wenn das Berufungsgericht
ein Verfahrenshindernis feststellt, das auch schon in erster Instanz
vorgelegen hat. Geschieht dies bei Beginn der Hauptverhandlung, ist
durch Urteil nach § 260 Abs. 3 StPO einzustellen (OLG
Stuttgart DAR 1964, 46; OLG Karlsruhe NJW 1978, 840; Gollwitzer in
Löwe-Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 329 Rdn. 64, 65;
Rautenberg in Heidelberger Kommentar, StPO § 329 Rdn. 6;
Paulus in KMR, StPO § 329 Rdn. 6). Dies sei sachgerecht und
ökonomisch. So werde bei einem nicht behebbaren
Verfahrenshindernis das Verfahren regelmäßig
beendet, während ein Verwerfungsurteil nach § 329
Abs. 1 StPO durch die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in die
Versäumung der Hauptverhandlung nach § 329 Abs. 3
StPO zu einer Verzögerung der verfahrensbeendigenden
Einstellung führe. Schließlich sei das
Berufungsgericht auch nicht gehindert, bei Vorliegen eines
Verfahrenshindernisses das Verfahren außerhalb der
Hauptverhandlung nach § 206 a StPO einzustellen. Dann sei es
aber ungereimt, ihm die Überprüfung der
Verfahrenshindernisse in der Hauptverhandlung mit der Folge eines
Einstellungsurteils nach § 260 Abs. 3 StPO zu verwehren (die
Einstellungsmöglichkeit nach § 206 a StPO im
Rechtsmittelverfahren für in erster Instanz
übersehene Verfahrenshindernisse ist allerdings ebenfalls
nicht unstreitig, dagegen Tolksdorf in KK aaO § 206 a Rdn. 4;
Meyer-Goßner GA 1973, 366; Kleinknecht/Meyer-Goßner
aaO § 206 Rdn. 6; für zulässig erachtet wird
sie u.a. von BGHSt 24, 208 f.; 32, 275 f.; Rieß in
Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 206 a Rdn. 15;
Bohnert, GA 1982, 166, 171 f.).
2. Der Senat muß nicht entscheiden, ob die Argumente, die
gegen eine Beschränkung der Prüfungskompetenz des
Revisionsgerichts bei einem Verwerfungsurteil nach § 329 Abs.
1 StPO sprechen, auch die Berücksichtigung von erstinstanzlich
übersehenen Verfahrenshindernissen in der
Berufungshauptverhandlung bei einem nicht erschienenen Angeklagten
nahelegen. Jedenfalls eine Einschränkung der
revisionsrechtlichen Prüfungskompetenz, wie sie das vorlegende
Gericht annehmen möchte, läßt sich weder
aus der Regelung des § 329 Abs. 1 StPO selbst noch aus
revisionsrechtlichen Bestimmungen ableiten. Sie wird auch von jenen
Stimmen in der Literatur nicht befürwortet, die eine
Prüfung der (erstinstanzlich übersehenen)
Verfahrenshindernisse in der Berufungsinstanz bei Erlaß eines
Verwerfungsurteils nach § 329 Abs. 1 StPO ablehnen
(Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 329 Rdn. 49).
a) Allerdings wäre eine solche Einschränkung
dogmatisch konsequent, wenn das Erscheinen des Angeklagten in der
Berufungshauptverhandlung als echte Zulässigkeitsvoraussetzung
der Berufung anzusehen wäre. Nach herrschender Meinung
(Schäfer in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. Einl. Kap.
11 Rdn. 20 f. m.w.N.) und ständiger Rechtsprechung seit der
Entscheidung in BGHSt 16, 115 f. führt nur ein
zulässiges Rechtsmittel zur Prüfung der in erster
Instanz übersehenen Verfahrenshindernisse. Wird gegen ein
Urteil des Amtsgerichts nicht rechtzeitig Berufung eingelegt, so ist
gegen das Berufungsurteil - gleich, ob es die Berufung durch Urteil als
unzulässig verwirft oder in Verkennung der
Unzulässigkeit in der Sache entscheidet - zwar das
Rechtsmittel der Revision gegeben. Auf die zulässige Revision
ist aber von Amts wegen vorab zu prüfen, ob eine
zulässige Berufung vorgelegen hat. Da bei
unzulässiger Berufung bereits Rechtskraft des mit der Berufung
angefochtenen Urteils eingetreten war, können im
amtsgerichtlichen Verfahren aufgetretene Verfahrenshindernisse, die bei
unzulässiger Berufung das Berufungsgericht nicht
berücksichtigen konnte, auch vom Revisionsgericht nicht mehr
beachtet werden (BayObLGSt 1966, 21; KG JR 1955, 310; Hanack in
Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 337 Rdn. 52;
Schäfer, ebenda, Einl. Kap. 11 Rdn. 35).
Zwar wird in der Literatur teilweise vertreten, daß es sich
bei der Verwerfung der Berufung nach § 329 Abs. 1 StPO um eine
Art Unzulässigkeitsverwerfung handelt (Küper JuS
1972, 127, 129; Meyer-Goßner NJW 1978, 528 f.; Schroeder NJW
1973, 308 f.). Auch nach dieser Auffassung handelt es sich aber um eine
Unzulässigkeitsverwerfung der b e s o n d e r e n Art. Sie ist
nicht ohne weiteres mit der formalen Unzulässigkeit wegen
Versäumung der Frist, Nichteinhaltung der Form oder wegen
Rechtsmittelverzichts oder Rechtsmittelrücknahme
gleichzusetzen (so auch zu § 335 Abs. 3 StPO Hanack in
Löwe/Rosenberg aaO 25. Aufl. § 335 Rdn. 24).
Tatsächlich wird mit der Verwerfung nach § 329 Abs. 1
StPO die Berufung gerade nicht als unzulässig verworfen,
vielmehr setzt das Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 StPO
eine zulässige Berufung voraus. Es handelt sich nicht um die
Verwerfung eines Rechtsmittels, das nicht zu einer neuen
Sachentscheidung hätte führen können,
vielmehr wäre in dem Verfahren, das Gegenstand einer
Entscheidung nach § 329 Abs. 1 StPO geworden ist, eine
Sachprüfung möglich gewesen und hätte auch
erfolgen sollen. Sie scheiterte allein am Nichterscheinen des
Angeklagten (BGHSt 30, 98 f.).
b) Eine entsprechende Anwendung der Grundsätze, die
für die Überprüfung von (schon in erster
Instanz bestehenden) Verfahrenshindernissen bei - im formalen Sinne -
unzulässigen Rechtsmitteln entwickelt worden sind, auf
Fallgestaltungen, bei denen aus anderen Gründen eine
Sachprüfung nicht möglich ist, ist nicht geboten. Sie
würde nicht der Bedeutung der Verfahrensvoraussetzungen bzw.
Verfahrenshindernisse gerecht.
Verfahrensvoraussetzungen sind nach ständiger Rechtsprechung
Umstände, die so schwer wiegen, daß von ihrem
Vorhandensein die Zulässigkeit des Verfahrens im Ganzen
abhängt (BGHSt 15, 287 f.; 26, 84 f.; 32, 345 f.). Sie sind
nicht nur im Interesse des Angeklagten, sondern auch im allgemeinen
Interesse gegeben (Rieß in 50 Jahre Bundesgerichtshof,
Festgabe der Wissenschaft Bd. IV S. 809, 814). Dies spricht aber
dagegen, die Berücksichtigung von (bereits in erster Instanz
bestehenden) Verfahrenshindernissen über die Grenze der
Rechtskraft der Entscheidung und der Zulässigkeit eines
Rechtsmittels hinaus einzuschränken. Aus der Funktion der
Verfahrenshindernisse, weiteres Prozedieren mit dem Ziel einer
Sachentscheidung zu verbieten (Rieß aaO S. 812),
läßt sich gerade nicht ableiten, daß
Verfahrenshindernisse im Revisionsverfahren gegen ein Berufungsurteil
nach § 329 Abs. 1 StPO nicht zu beachten sind, denn zum
Zeitpunkt der Revision liegt noch keine endgültige
Sachentscheidung vor.
c) Eine Einschränkung der Prüfungskompetenz wird -
worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hinweist - auch vom
Regelungszweck des § 329 Abs. 1 StPO nicht gefordert, denn die
beabsichtigte Verfahrensbeschleunigung ist bereits durch das
Unterbleiben einer zweiten Sachprüfung eingetreten. Dagegen
wären mit ihrer Anerkennung weitreichende Abweichungen von
allgemeinen revisionsrechtlichen Grundsätzen verbunden. Folgte
man der Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts, erschiene es
nämlich inkonsequent, dem Revisionsgericht die
Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen nur für den
Fall der Sachrüge zu verwehren. Denn wenn die
Beschränkung der revisionsgerichtlichen
Prüfungskompetenz - wie es das vorlegende Gericht meint - sich
zwingend aus einer entsprechenden Beschränkung der
Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts bei einem
Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 StPO ergäbe,
wäre damit kaum zu vereinbaren, die im amtsgerichtlichen
Verfahren nicht berücksichtigten Verfahrenshindernisse auf
eine zulässige aber unbegründete
Verfahrensrüge zu beachten. In ihre Prüfung
könnte dann erst nach Feststellung der Begründetheit
einer Verfahrensrüge
- gegebenenfalls nach Zurückverweisung an das Berufungsgericht
- eingetreten werden.
d) Schließlich fordern auch nicht - wie das vorlegende
Gericht meint - Gründe der Gleichbehandlung die
Nichtberücksichtigung von (erstinstanzlich
übersehenen) Verfahrenshindernissen. Zwar trifft es zu,
daß eine amtsgerichtliche Verurteilung, die mit einem groben
sachlich-rechtlichen Fehler - etwa Verkennung der Strafvorschrift -
behaftet ist, mit der Revision nicht korrigiert werden kann, wenn sie
sich gegen ein Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 StPO
richtet, Rechtsfehler bei der Anwendung dieser Vorschrift aber nicht
vorliegen. Der Entscheidung BGHSt 16, 115, 119, nach der in erster
Instanz übersehene Verfahrenshindernisse bei u n z u l
ä s s i g e n Revisionen nicht berücksichtigt werden
können, läßt sich - entgegen der Auffassung
des vorlegenden Gerichts - nicht der allgemeine Grundsatz entnehmen,
daß Verfahrenshindernissen in keinem Fall
größeres Gewicht beigemessen werden können
als sonstigen Rechtsfehlern. Anders als in jener Entscheidung geht es
hier nicht um die Abwägung sonstiger Verfahrenshindernisse
gegen das der Rechtskraft. Bei z u l ä s s i g e n
Rechtsmitteln besteht für eine Einschränkung des
Grundsatzes, daß die die Zulässigkeit des gesamten
Verfahrens betreffenden Verfahrensvoraussetzungen
grundsätzlich - und zwar von Amts wegen - vorrangig zu
prüfen sind, kein Grund. Die Nichtberücksichtigung
von sachlich-rechtlichen Fehlern des amtsgerichtlichen Urteils
entspricht vielmehr der gesetzlichen Regelung, die der
Dispositionsbefugnis des Angeklagten Rechnung trägt, als deren
Ausfluß sich auch die an ein Verhalten des Angeklagten in der
Berufungshauptverhandlung anknüpfende Rechtsfolge des
§ 329 Abs.1 StPO darstellt. Eine solche Dispositionsbefugnis
besteht aber für die Verfahrensvoraussetzungen nicht.
e) Soweit das vorlegende Gericht schließlich darauf verweist,
daß ein Angeklagter bei unvollständigen
Feststellungen zu doppelrelevanten Tatsachen durch Ausbleiben in der
Berufungshauptverhandlung eine Aufklärung dieser Tatsachen
verhindern und damit unter Anwendung des Zweifelssatzes eine ihm
günstige Einstellung erzwingen kann, verkennt es,
daß bei lückenhaften Feststellungen zu
doppelrelevanten Tatsachen dem Revisionsgericht
eine Klärung im Freibeweisverfahren obliegt. Daß
damit - anders als bei Erhebung des Strengbeweises - eine
Klärung nicht erreicht werden könnte, ist nicht
ersichtlich.
Die Entscheidung entspricht dem Antrag des Generalbundesanwalts.
Jähnke Detter Bode
Otten Elf |