BGH,
Beschl. v. 13.5.2004 - 1 ARs 31/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 ARs 31/03
vom
13.5.2004
in den Strafsachen
gegen
1.
2.
3.
zu 1.: wegen Betruges u.a.
zu 2.: wegen schwerer räuberischer Erpressung
zu 3.: wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in
nicht geringer Menge u.a.
hier: Anfragebeschluß des 4. Strafsenats vom 16. September
2003
- 4 StR 85, 155 und 175/03 -
- 2 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Mai 2004
gemäß § 132
Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
Der 1. Strafsenat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung zur
Auslegung und Anwendung des § 69 Abs. 1 StGB fest.
Gründe:
A.
Der 4. Strafsenat beabsichtigt zu entscheiden: "Die Ungeeignetheit zum
Führen von Kraftfahrzeugen ergibt sich nur dann aus der Tat
(§ 69 Abs. 1
Satz 1 StGB), wenn aus dieser konkrete Anhaltspunkte dafür zu
erkennen sind,
daß der Täter bereit ist, die Sicherheit des
Straßenverkehrs seinen eigenen
kriminellen Interessen unterzuordnen (erforderlicher spezifischer
Zusammenhang
zwischen Tat und Verkehrssicherheit)." Er hat bei den anderen
Strafsenaten
des Bundesgerichtshofs angefragt, ob an entgegenstehender Rechtsprechung
festgehalten wird.
B.
Der 4. Strafsenat hat zutreffend dargestellt, daß die
Rechtsprechung des
1. Strafsenats der von ihm beabsichtigten Entscheidung
entgegenstünde (vgl.
vor allem Beschl. v. 14. Mai 2003 - 1 StR 113/03 m.w.Nachw.). Der 1.
Strafsenat
hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, die er in dem
genannten
- 3 -
Beschluß näher begründet hat. Er bezieht
sich zur Vermeidung von Wiederholungen
auf die Ausführungen in jenem Beschluß, die er nach
wie vor für rechtlich
zutreffend erachtet (vgl. vor allem unter Ziff. 2 Buchst. a und b = BA
S. 3-
7). Ergänzend ist zu dem Anfragebeschluß des 4.
Strafsenats folgendes zu
bemerken:
I.
1. Die Divergenz betrifft den Zweck der Maßregel. Der 4.
Strafsenat ist
der Ansicht, daß "alleiniger Zweck der Schutz der
Verkehrssicherheit" sei.
Nach Auffassung des 1. Strafsenats reicht der Schutzzweck weiter: Die
Maßregel
kommt bei sogen. Zusammenhangstaten (1. Alternative des § 69
Abs. 1
Satz 1 StGB) auch dann in Betracht, wenn die Verkehrssicherheit nicht
konkret
beeinträchtigt worden ist, die Tat und ihre Umstände
aber dennoch den unmittelbaren
Schluß auf die charakterliche Unzuverlässigkeit und
damit die Ungeeignetheit
des Täters tragen. Der Begriff der Eignung umfaßt
danach nicht nur
die persönliche Gewähr für die regelgerechte
Ausübung der Fahrerlaubnis, das
heißt die Beachtung der Vorschriften des
Straßenverkehrsrechts. Wer eine
Fahrerlaubnis inne hat, der muß auch die Gewähr
für eine im umfassenden
Sinne verstandene Zuverlässigkeit dahin bieten, daß
er die Erlaubnis auch
sonst nicht zur Begehung rechtswidriger Taten (bei oder im Zusammenhang
mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges) ausnutzen und
mißbrauchen werde.
Einigkeit besteht allerdings zwischen allen Strafsenaten des
Bundesgerichtshofs
ersichtlich insoweit, als die Entziehung der Fahrerlaubnis auch bei
den sogen. Zusammenhangstaten der allgemeinen Kriminalität
grundsätzlich
möglich ist und daß dazu ein funktionaler Bezug
zwischen Tat und fehlender
Eignung bestehen muß. Dieser fehlt etwa, wenn die Tat nur bei
Gelegenheit
der Nutzung des Kraftfahrzeuges begangen wurde oder nur ein
äußerer Zu-
4 -
sammenhang mit dieser besteht (BGHSt 22, 328, 329). Ferner besteht
Einvernehmen,
daß der Begriff der Zusammenhangstat im Sinne des §
69 Abs. 1
StGB ebenso auszulegen ist wie in der Regelung des Fahrverbots
(§ 44 Abs. 1
StGB). Die Divergenz allerdings liegt in den Anforderungen an die
Feststellung
der Ungeeignetheit: Die Auffassungen gehen darüber
auseinander, unter welchen
Voraussetzungen "sich aus der Tat ergibt, daß" der
Täter "zum Führen
von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist".
2. Der Senat ist - ausgehend von seinem Verständnis eines
weitergehenden
Schutzzwecks der Maßregel - der Ansicht, daß
für die Bewertung als
"ungeeignet" die begründete Annahme ausreicht, der
Täter werde weitere sogen.
Zusammenhangstaten im Sinne des § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB
begehen,
ohne daß durch diese konkret Verkehrssicherheitsbelange
beeinträchtigt werden
müßten. Es genügt die Besorgnis, er werde
die Fahrerlaubnis erneut zu
Taten auch nichtverkehrsrechtlicher Art mißbrauchen. In
Betracht kommt
überdies, daß die Art und Weise der Tat
charakterliche Anlagen erkennen läßt,
die die Allgemeinheit gefährden würden, wenn sie sich
im Straßenverkehr auswirkten
(vgl. BVerwG VM 1981, S. 50; NJW 1986, 2779; siehe ferner BVerwGE
99, 249, 252). Dementsprechend ist das Bundesverwaltungsgericht in
vergleichbarem
Sinne der Auffassung, daß jemand als
Kraftfahrzeugführer auch
dann ungeeignet ist, wenn ihm der Besitz der Fahrerlaubnis strafbare
Handlungen
nichtverkehrsrechtlicher Art erleichtert oder ihn in seiner Neigung
hierzu fördert. Das Gesetz will schon die Möglichkeit
einer Verfehlung tunlichst
ausschließen; daß diese nach der allgemeinen
Erfahrung zu befürchten ist,
muß daher genügen (BVerwGE 11, 334 zu § 4
Abs. 1 StVG aF).
Zur tatrichterlichen Begründungspflicht ist der Senat der
Ansicht, daß es
Taten gibt, bei denen sich mangels gegenläufiger
Umstände - etwa glaubhafte
- 5 -
Reue und eine günstige allgemeine Kriminalprognose - die
Besorgnis künftiger
Zusammenhangstaten ohne weiteres aus dem Tatbild und den
übrigen Umständen
ergibt. Sie liegt dann offen zutage und das Verlangen einer weiteren
Begründung hätte nunmehr formelhaften Charakter; es
würde allein zu überflüssiger
Schreibarbeit führen und das tatrichterliche Urteil
unnötig aufblähen.
Anders liegt es indes dann, wenn Umstände vorliegen, die zum
Zeitpunkt der
Urteilsfindung auf eine erhaltene oder wiederhergestellte Eignung
hindeuten.
Damit muß sich der Tatrichter auseinandersetzen, nicht
zuletzt im Blick auf die
Bindungswirkung seines Urteils für das Verwaltungsverfahren
(§ 3 Abs. 4
Satz 1 StVG, vgl. § 267 Abs. 6 StPO).
3. Folge der Ansicht des 4. Strafsenats wäre es, daß
eine Entziehung
der Fahrerlaubnis dann nicht mehr in Betracht käme, wenn zwar
die Gefahr
bestünde, der Täter werde weiterhin vergleichbare
Straftaten begehen, aber
mangels konkreter "verkehrsspezifischer" Anhaltspunkte aus der
begangenen
Tat nicht zu besorgen ist, daß er dabei den
Straßenverkehr gefährden würde
oder sonst bereit wäre, die Sicherheit des
Straßenverkehrs seinen eigenen
kriminellen Zielen unterzuordnen. Die Divergenz wirkt sich deshalb
namentlich
auf folgende Fallgruppen praktisch aus, in denen auf der Grundlage der
Auffassung
des 4. Strafsenats eine Entziehung der Fahrerlaubnis kaum noch
möglich
wäre, und zwar mit zugleich bindender Wirkung für die
Verwaltungsbehörde:
- Der Sexualstraftäter, der sein Auto dazu nutzt,
Anhalterinnen oder Kinder
mitzunehmen, an einen einsamen Ort zu verbringen und dort zu
vergewaltigen oder sonst zu mißbrauchen, das Kraftfahrzeug
also gezielt
als Mittel einsetzt, um seine Tat aufgrund der schutzlosen Lage
seins Opfers leichter begehen zu können (vgl. BGHSt 7, 165;
44, 228).
- 6 -
- Der Berufskraftfahrer, der ihm anvertraute geistig behinderte Frauen
aus der Behindertenwerkstatt nicht sogleich nach Hause bringt, sondern
unter Ausnutzung der sich durch den Transport mit dem von ihm
geführten Kraftfahrzeug ergebenden Lage an einen einsamen Ort
fährt
und sexuell mißbraucht (Revisionssache 1 StR 321/03).
- Der Bankräuber, der mit dem - etwa noch zu diesem Zweck
gestohlenen
- Auto zum Tatort fährt und von dort mit der Beute
flüchtet.
- Der Dieb, der die umfangreiche Beute mit seinem Auto abtransportiert.
- Der Rauchgiftkurier, der - etwa mit dem dazu eigens umgebauten und
mit einem Versteck versehenen Auto - im Auftrag von
Hintermännern
um seines eigenen Vorteils willen nicht geringe Mengen von
Betäubungsmitteln
transportiert, der gar von den Hintermännern deshalb zum
Fahrer bestimmt war, weil er der einzige Tatbeteiligte ist, der eine
Fahrerlaubnis hat und deshalb das geringste Risiko bei einer
Polizeikontrolle
eingeht.
II.
Der Senat hält die im Anfragebeschluß
angeführten Gesichtspunkte und
Erwägungen für nicht stichhaltig; sie lassen eine
Änderung der bisherigen
Rechtsprechung nicht als angezeigt erscheinen.
Dem Wortlaut des § 69 Abs. 1 StGB läßt sich
eine Begrenzung des
Normzwecks auf den Schutz der Verkehrssicherheit auch bei den sogen.
Zusammenhangstaten
(der allgemeinen Kriminalität) nicht entnehmen (1.). Die im
Anfragebeschluß vertretene einengende Auslegung findet auch
in den Gesetzesmaterialien
keine Stütze. Im Gegenteil: sie wäre mit dem
erklärten Willen
- 7 -
des Gesetzgebers schwerlich vereinbar (2.). Die systematische Auslegung
des
§ 69 Abs. 1 StGB bestätigt vielmehr die Auffassung
des Senats. Die Rechtsmeinung
des anfragenden Senats steht nicht im Einklang mit dem bisherigen
Verständnis des straßenverkehrsrechtlichen Begriffs
der Eignung als Kraftfahrzeugführer
und der dazu ergangenen Rechtsprechung es Bundesverwaltungsgerichts
(3.). Bei der Auslegung der Vorschrift ist für
Verhältnismäßigkeitserwägungen,
die auf die Einschränkung der Mobilität des
Täters abstellen, kein
Raum. Ziel der Bestimmung ist es gerade, die Entziehung der
Fahrerlaubnis
auch bei Tätern greifen zu lassen, deren Zusammenhangstaten
durch die fahrerlaubnisbedingte
Mobilität erleichtert oder erst ermöglicht werden
(4.). Die im
Anfragebeschluß gestellten Anforderungen an die Feststellung
der Ungeeignetheit,
die dazu vom Tatrichter geforderte Aufklärung und
Begründung sowie
die dafür angedeuteten Anknüpfungspunkte erweisen
sich als nicht praxisgerecht,
die lassen bei näherem Hinsehen keine für den
Tatrichter wirklich handhabbaren
Vorgaben erkennen. Im Ergebnis führen sie zum weitgehenden
Leerlaufen
der in Rede stehenden Alternativen der Vorschrift (5.).
1. Dem Wortlaut des § 69 Abs. 1 StGB läßt
sich eine Begrenzung des
Zwecks der Maßregel auf den Schutz der Verkehrssicherheit bei
sogen. Zusammenhangstaten
der allgemeinen Kriminalität nicht entnehmen.
Das Gesetz enthält eine derartige Begrenzung für
Zusammenhangstaten
nicht; es spricht schlicht von "der Tat", aus der sich der
Eignungsmangel ergeben
muß (1. Alternative). Es verlangt für die
Zusammenhangstaten nicht, daß
eine ungünstige "Verkehrssicherheitsbewertung" hinzutreten
muß. Bei der
zweiten Alternative wird die Tat hingegen ausdrücklich auf die
Pflichten eines
Kraftfahrzeugsführers bezogen und damit eingegrenzt, und eben
deshalb erleichtert
das Gesetz in § 69 Abs. 2 StGB die Eignungsbewertung mit
Regelbei-
8 -
spielen. Selbst die dort aufgeführten Verkehrsstraftaten
verweisen teils auf abstrakte
Gefährdungsdelikte (§ 69 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 StGB).
Aus der Notwendigkeit der Eignungsbeurteilung kann daher das Erfordernis
einer zusätzlichen konkreten Bereitschaft zur
Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit
nicht abgeleitet werden. Ein solches jetzt - trotz der insoweit
unverändert gebliebenen Vorschrift - vom anfragenden Senat
gefordertes neues
Verständnis des Wortlauts des § 69 Abs. 1 StGB
widerspräche auch der
bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs,
beginnend mit
BGHSt 5, 179, 180, wo ausgeführt wird: "Eine so enge Auslegung
[nur die
mangelnde Eignung zur verkehrssicheren Führung] …
verbietet sich aber durch
den weiteren Wortlaut des Gesetzes."
2. Die einengende Auslegung findet auch in den Gesetzesmaterialien
keine Stütze. Im Gegenteil; sie wäre mit dem
erklärten Willen des Gesetzgebers
schwerlich vereinbar.
a) Die Vorläuferbestimmung des § 69 StGB - §
42 m StGB - wurde in der
1. Wahlperiode des Deutschen Bundestages durch das (Erste) Gesetz zur
Sicherung
des Straßenverkehrs in das Strafgesetzbuch
eingefügt. In der Begründung
des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 1. Wahlperiode Nr. 2674, S. 12)
- "Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von U n f ä
l l e n im Straßenverkehr"
- wird zur Zweckbestimmung ausgeführt, daß die dort
vorgesehenen
Maßnahmen "dem Schutz der Allgemeinheit gegen solche
Rechtsbrecher dienen
sollen, die sich durch ein mit Strafe bedrohtes Verbrechen als eine
Gefahr
für die Allgemeinheit erwiesen haben." Die Zusammenhangstat
wird näher umschrieben:
"Eine Tat steht beispielsweise dann im Zusammenhang mit der
Führung
eines Kraftfahrzeugs, wenn der Täter sich mit dem
Kraftfahrzeug zum Tatort
begeben oder wenn er es benutzt hat, um nach der Tat die Beute wegzu-
9 -
schaffen." Entsprechend dem ursprünglich ins Auge
gefaßten engeren Gesetzeszweck
- der im Entwurf der Gesetzesüberschrift "Bekämpfung
von Unfällen"
zum Ausdruck gekommen war - sollte aber ausdrücklich noch ein
zweiter Prüfungsschritt
hinzukommen: Der Täter soll sich "durch die Tat als ungeeignet
zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen" haben.
Der Empfehlung des Ausschusses für Verkehrswesen (BT-Drucks. 1,
Wahlperiode Nr. 3774, S. 1, 4) folgend erweiterte der Gesetzgeber indes
den
Gesetzeszweck: "Dabei erwies es sich als notwendig, auch besondere
Maßnahmen
gegen Verbrechertum und Rowdytum auf den Straßen zu erlassen,
wodurch der Gesetzentwurf über den von der Bundesregierung
vorgesehenen
Rahmen eines lediglich der Bekämpfung von Unfällen
dienenden Gesetzes hinausgewachsen
ist. Der Ausschuß für Verkehrswesen hat daher
beschlossen,
dieser Sachlage durch den Vorschlag Rechnung zu tragen, dem Gesetz
nunmehr
die Überschrift 'Gesetz zur Sicherung des S t r a ß
e n v e r k e h r s ' zu
geben".
Dies zeigt: Die auch in der Änderung der
Gesetzesüberschrift zum Ausdruck
gekommene Erweiterung des Gesetzeszwecks - nicht mehr nur die
"Bekämpfung
der Verkehrsunfälle" (BT-Drucks. 1. Wahlperiode Nr. 2674, S.
12),
sondern auch der allgemeinen Kriminalität - wurde mit dem
Begriff "Sicherung
des Straßenverkehrs" umschrieben. Unter "Sicherung des
Straßenverkehrs"
hat der Gesetzgeber somit - auch wenn der Begriff
mißverständlich ist und
wohl auch mißverstanden wird - nicht nur die
Verkehrssicherheit gemeint, sondern
auch die "Sicherung" der Allgemeinheit vor Zusammenhangstaten, bei
denen das Kraftfahrzeug eine Rolle spielt. Derselbe Begriff wurde dann
- mit
dem nämlichen Inhalt - bei den späteren
Gesetzesänderungen verwendet.
- 10 -
Der Senat versteht daher die gesetzgeberischen Erwägungen, auch
wenn mit den Beispielen in erster Linie die Zusammenhangstat umschrieben
wird, ebenso wie der Bundesgerichtshof in seinen früheren
Entscheidungen
nicht dahin, daß spezifische Verkehrssicherheitsbelange
konkret berührt sein
müßten, um aus der Tat auf die Ungeeignetheit des
Täters schließen zu können.
b) Der Senat sieht sich dabei durch den Gesetzgeber des Zweiten Gesetzes
zur Sicherung des Straßenverkehrs - mit dem das Fahrverbot
und die
Regelbeispiele des heutigen Absatz 2 des § 69 StGB
eingefügt wurden - bestätigt.
Der Regierungsentwurf (BT-Drucks. IV/651, S. 16) ging - ersichtlich in
Anlehnung an die dazu ergangene Rechtsprechung - von der Ungeeignetheit
auch bei charakterlichen Mängeln aus. Soweit in diesem
Zusammenhang die
"Größe der vom Täter für den
Verkehr ausgehenden Gefahren" maßgebend
sein sollte, spricht dies nur scheinbar für die einengende
Auslegung. Gemeint
war damit eben nicht nur die Gefährdung der
Verkehrssicherheit, sondern
- ebenso wie im Gesetzgebungsverfahren zum Ersten Gesetz zur Sicherung
des Straßenverkehrs - auch die von Zusammenhangstaten
ausgehende Gefährdung
der Allgemeinheit im Straßenverkehr.
Das zeigt sich insbesondere daran, daß der Gesetzgeber bei
der Änderung
des § 111a StPO (vorläufige Entziehung der
Fahrerlaubnis) die dort genannte
Voraussetzung "um die Allgemeinheit vor weiterer Gefährdung zu
schützen" als "überflüssig" entfallen
ließ, "weil die Feststellung, daß jemand
zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei,
regelmäßig auch die Feststellung
seiner Gefährlichkeit für den Kraftverkehr
enthält." Was er unter "Gefährlichkeit
für den Kraftverkehr" verstand, wird durch den in der
Begründung ent-
11 -
haltenen Verweis auf den Fall BGHSt 7, 165 deutlich. In dieser
Entscheidung
hat der Bundesgerichtshof eine Entziehung der Fahrerlaubnis wegen
Sexualstraftaten
an einer Mitfahrerin, zum Teil während Fahrtunterbrechungen
begangen,
gebilligt. Er hat die Annahme der Ungeeignetheit ausdrücklich
auch
auf die nicht während der Fahrt, sondern in den Fahrtpausen
verwirklichten
Tathandlungen gestützt (BGHSt 7, 165, 167). Das aber waren
klassische Zusammenhangstaten
ohne Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit und ohne
daß eine Bereitschaft des Täters zur Unterordnung
von Verkehrssicherheitsbelangen
erkennbar geworden wäre. Die Vorschrift des § 111a
StPO hat für die
Auslegung des Normzwecks des § 69 StGB besonderes Gewicht,
weil der
gleichzeitig eingefügte Satz 2 des § 111a Abs. 1 StPO
ausdrücklich auf den
"Zweck der Maßnahme" abhebt. Im übrigen hat der
Bundesgerichtshof in dem
genannten, in der zitierten Gesetzesbegründung
ausdrücklich in Bezug genommenen
Urteil die Vorläuferbestimmung (§ 42 m StGB aF) mit
ausführlicher
an der Gesetzesgeschichte ausgerichteter Begründung im hier
vertretenen
Sinne ausgelegt (BGHSt 7, 165, 167 ff.) und insbesondere klargestellt,
daß die
Entziehung der Fahrerlaubnis im Einzelfall nicht die besondere
Feststellung
voraussetzt, die Belassung der Erlaubnis bedeute eine
Gefährdung der Allgemeinheit
(BGHSt 7, 165, 72).
Der Schlußfolgerung des 4. Strafsenats, spätestens
mit dem Inkrafttreten
des Zweiten Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs sei
eindeutig,
daß alleiniger Zweck des § 69 StGB der Schutz der
Verkehrssicherheit sei,
vermag der Senat nicht zuzustimmen. Nach der Begründung des
Regierungsentwurfs
war die Änderung von § 42 m StGB aF (jetzt §
69 Abs. 1 StGB) "eng
an das geltende Recht angelehnt." Sie hatte "ausschließlich
gesetzestechnische
Bedeutung" (BT-Drucks. IV/651 S. 16). Die Einfügung der
Regelbeispiele
des Absatzes 2 (jetzt § 69 Abs. 2 StGB) sollte daher den
Anwendungsbereich
- 12 -
nicht eingrenzen, sondern die Entziehung der Fahrerlaubnis bei
Verkehrsstraftaten
(2. Alternative des Absatzes 1) erleichtern. Zweck war, "die Wirksamkeit
der Maßnahme zu erhöhen" (ebendort S. 15).
Für Zusammenhangstaten sollte sich keine Änderung
ergeben (ebendort
S. 18): "Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 2 nicht vor, so ist
die Eignungsfrage
ebenso wie im geltenden Recht … zu prüfen." Der
Gesetzgeber hat
sogar einer Fehlinterpretation seiner Absichten ausdrücklich
vorgebeugt. Offenbar
hatte er Sorge - wie sich jetzt zeigt, nicht ohne Grund -, die
Einführung
von Regelbeispielen für Verkehrsstraftaten könne zur
restriktiveren Handhabung
der Vorschrift bei Zusammenhangstaten führen: "Es
wäre ein verhängnisvoller
Irrtum zu glauben, daß dem Katalog [des Absatzes 2] nach
irgendeiner
Richtung abschließende Wirkung zukäme und
daß die Maßregel im allgemeinen
nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 angeordnet werden
dürfte."
Für die hier vorliegende Frage des funktionalen Bezuges
zwischen der Tat
und der Eignung ist der nächste Satz der Begründung
hervorzuheben: "Eine
solche Annahme wird durch den Zusammenhang der Absätze 1 und 2
widerlegt."
Der Gesetzgeber hat deshalb die Revisionsgerichte in die Pflicht
genommen:
"Für die Durchsetzung des Grundsatzes, daß
außerhalb des
Absatzes 2 keine gegenüber dem geltenden Recht strengeren
Anforderungen
an den Eignungsmangel gestellt werden dürfen, werden notfalls
die
Rechtsmittelgerichte mit Nachdruck zu sorgen haben."
c) Vollends eindeutig hat der Gesetzgeber seinen Willen bei der
Änderung
des § 69b StGB (betreffend ausländische
Fahrerlaubnisse) durch das
32. Strafrechtsänderungsgesetz von 1995 zum Ausdruck gebracht.
Solche
Fahrerlaubnisse duften bis dahin wegen internationaler Abkommen nur bei
spezifischen Verkehrsverstößen entzogen werden. In
der Begründung des Re-
13 -
gierungsentwurfs (BT-Drucks. 13/198, S. 4) ist ausdrücklich
die Ungeeignetheit
bei Zusammenhangstaten - der Kern der Divergenz - angesprochen und im
Sinne der Auffassung des Senats beantwortet: "Im Zuge einer zunehmenden
mobilen und grenzübergreifenden Kriminalität ist zu
beobachten, daß Kraftfahrzeugführer,
die im Besitz einer ausländischen Fahrerlaubnis sind,
häufig die
Fahrerlaubnis zu schwerwiegenden kriminellen Handlungen - z.B. zur
Einfuhr
von Betäubungsmitteln und zur Begehung von
Einbruchsdiebstählen - mißbrauchen
u n d s i c h h i e r d u r c h a l s u n g e e i g n e t zum
Führen von
Kraftfahrzeugen e r w e i s e n . … Dies ist im Interesse
einer wirksamen Kriminalitätsbekämpfung
bedenklich, da der partielle Verzicht auf eine Fahrerlaubnisentziehung
eine effektive Strafverfolgung behindert. Eine wirksame
Bekämpfung
der zunehmend länderübergreifenden
Kriminalität sollte durch eine Entziehung
der Fahrerlaubnis … auch in den Fällen
gewährleistet sein, in denen eine
Straftat im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges
begangen
wird."
d) Das entspricht auch heute noch dem Willen des Gesetzgebers. Dies
belegt der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des
Sanktionenrechts
vom Januar 2004 (BR-Drucks. 3/04). Danach soll in § 44 StGB
(Fahrverbot)
ein Absatz 2 eingefügt werden, wonach ein Fahrverbot in der
Regel
anzuordnen ist, wenn der Täter "wegen einer anderen Straftat
verurteilt wird,
zu deren Begehung oder Vorbereitung er ein Kraftfahrzeug als Mittel der
Tat
geführt hat." Nach der Entwurfsbegründung (a.a.O. S.
48) soll die Regelvorschrift
"zur häufigeren Anwendung [des Fahrverbots] im Bereich von
Zusammenhangstaten
verhelfen. … Indem der Einsatz des Kraftfahrzeugs als
Tatmittel
verlangt wird, betont die neue Regelvorschrift, ohne den Begriff des
Zusammenhangs
in Absatz 1 zu definieren, das Erfordernis eines funktionalen,
nicht lediglich zufälligen Zusammenhangs zwischen der Straftat
und dem
Führen eines Kraftfahrzeugs. Ein solcher ist anzunehmen, wenn
der Täter das
- 14 -
nes Kraftfahrzeugs. Ein solcher ist anzunehmen, wenn der Täter
das Kraftfahrzeug
zur Förderung der Straftat mißbraucht, also in
deliktischer Absicht handelt."
Der Bundesrat bemerkt in seiner Stellungnahme vom 13. Februar 2004
zum Gesetzentwurf (BR-Drucks. 3/04) - unter Bezugnahme auf die
Entscheidung
des 4. Strafsenats vom 5. November 2002 - 4 StR 406/02 - zu den
Auswirkungen
einer Erhöhung der möglichen Dauer eines Fahrverbots
auf die Entziehung
der Fahrerlaubnis: Täter von Straßenverkehrsdelikten
und sogenannten
'Zusammenhangstaten', deren Schuld so schwer wiegt, daß eine
höhere
Fahrverbotsdauer als sechs Monate geboten ist, müssen w e i t
e r h i n a l s
u n g e e i g n e t aus dem Verkehr gezogen werden."
3. Die systematische Auslegung bestätigt unter verschiedenen
Gesichtspunkten
die Auffassung des Senats. Die Rechtsansicht des 4.
Strafsenats stünde zudem nicht mehr im Einklang mit der
Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung des mit § 69 StGB
verfahrensrechtlich verknüpften Eignungsbegriffs in §
2 Abs. 4 StVG.
a) Bereits die Binnenstruktur der Vorschrift steht der Annahme entgegen,
die erste Alternative (Zusammenhangstat, § 69 Abs. 1 Satz 1
StGB)
schütze lediglich Verkehrssicherheitsbelange. Denn das gilt
nicht einmal für die
andere, die sogen. verkehrsspezifische zweite Alternative
uneingeschränkt.
Diese zweite Alternative bezieht sich auf die Verletzung der Pflichten
eines
Kraftfahrzeugführers. Solche Pflichten sind jedoch nicht nur
auf die Verkehrssicherheit
bezogen und folgen nicht nur aus Vorschriften, die unmittelbar das
Verkehrsgeschehen betreffen ("Fahrverhalten"). Pflichten des
Kraftfahrzeugführers
können auch dann verletzt sein, wenn sich der Täter
beispielsweise
unerlaubt vom Unfallort entfernt oder einem Polizeibeamten, etwa bei
der Ent-
15 -
nahme einer Blutprobe, Widerstand leistet (siehe
Schönke/Schröder-Stree,
StGB 26. Aufl. § 69 Rdn. 15). Die Bereitschaft,
Verkehrssicherheitsbelange
eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen, kommt darin nicht zum
Ausdruck.
Dies zeigt, daß selbst für die zweite Alternative
des § 69 Abs. 1 Satz 1
StGB, die eine Verletzung von Kraftfahrerpflichten erfordert, die
einschränkende,
ausschließlich auf die Verkehrssicherheit im engeren Sinne
ausgerichtete
Auslegung des Anfragebeschlusses nicht zu überzeugen vermag.
b) Der 4. Strafsenat meint, die Entziehung der Fahrerlaubnis regele in
vergleichbarer Weise wie das Berufsverbot (§ 70 StGB) eine
spezielle Materie,
nämlich eine verkehrssicherheitsspezifische. Er
stützt sich bei der von ihm geforderten
einschränkenden Auslegung auf diesen systematischen Bezug. Der
Senat vermag dem nicht zu folgen. Er zieht aus dem Vergleich dieser
Normen
einen anderen, im Ergebnis gegenteiligen Schluß:
Das Berufsverbot knüpft unmittelbar und nur an eine
berufsspezifische
Tat an ("unter Mißbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder
unter grober Verletzung
der mit ihnen verbundenen Pflichten"). Das entspricht allein der zweiten
- der kraftfahrerpflichtenbezogenen - Alternative des § 69
Abs. 1 StGB; eine
sogen. Zusammenhangstat kann ein Berufsverbot mithin nicht
begründen.
Eben deswegen ist auch die "Ungeeignetheit" in § 70 StGB
berufsspezifisch
definiert ("bei weiterer Ausübung des Berufs, Berufszweiges,
Gewerbes oder
Gewerbezweiges erhebliche rechtswidrige Taten der bezeichneten Art
begehen
wird"). § 69 Abs. 1 StGB hingegen läßt,
anders als die Vorschrift über das
Berufsverbot, auch Zusammenhangstaten für die Anordnung der
Maßregel genügen
und begrenzt die sich aus einer solchen Tat ergebende Ungeeignetheit
nicht bereichsspezifisch. Daraus zieht der Senat den
Umkehrschluß: Hätte der
Gesetzgeber die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1
Satz 1 Alt. 1
- 16 -
StGB bereichsspezifisch begrenzen wollen, so hätte er die
Voraussetzungen
dieser Vorschrift ähnlich ausgestaltet wie beim Berufsverbot.
Das aber ist gerade
nicht der Fall.
a) Dem vom anfragenden Senat beabsichtigten Rechtssatz steht auch
die normübergreifende Systematik entgegen, namentlich die
Legaldefinition
des Eignungsbegriffs in § 2 Abs. 4 StVG und die zu
entsprechenden Bestimmungen
ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
aa) Durch das Erste Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs
wurde
- weil dem Strafrichter eine die Verwaltungsbehörden bindende
Zuständigkeit
zur Entziehung der Fahrerlaubnis übertragen wurde - ein
Gleichklang der
Rechtsvorschriften zur strafrechtlich und zur
straßenverkehrsrechtlich begründeten
Ungeeignetheit hergestellt (BT-Drucks. 1. Wahlperiode Nr. 2674, S. 12):
"Die gerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis setzt außer
einer solchen Tat
voraus, daß sich der Täter durch die Tat als
ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen
erwiesen hat. Diese Voraussetzung entspricht der Regelung, die
der § 4 Absatz 1 des Kraftfahrzeuggesetzes in der im Artikel 1
Nr. 1 vorgeschlagenen
Fassung für die Entziehung der Fahrerlaubnis im Verwaltungswege
enthält."
Die frühere Regelung im Kraftfahrzeuggesetz steht heute nahezu
wortgleich
in § 2 Abs. 4 StVG. § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG statuiert
die Bindung der
Fahrerlaubnisbehörde an das strafgerichtliche Urteil, auch
soweit sich dieses
auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht (mit
nur engen, durch
die Rechtsprechung begründeten Ausnahmen; vgl. BVerwGE 80, 49;
BVerwG
VRS 23, 156). Das ist der Grund für die besonderen
Anforderungen an die Begründung
des Strafurteils zur Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis, wie sie
in § 267 Abs. 6 Satz 1 und 2 StPO vorgegeben sind. §
2 Abs. 4 StVG (vgl. auch
- 17 -
§ 11 Abs. 1, § 46 Abs. 1 FeV) enthält eine
gesetzliche Definition der Eignung:
"Geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, wer die
notwendigen körperlichen
und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich und
nicht wiederholt
gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze
verstoßen
hat."
Daraus ergibt sich, daß verwaltungsrechtlich die Eignung
entfallen kann,
wenn ein erheblicher Verstoß gegen nichtverkehrsrechtliche
Strafgesetze vorliegt.
Die Regelung verdeutlicht, daß schon allein die Begehung
solcher Taten
der allgemeinen Kriminalität zur Verneinung der Eignung
führen kann. Die Bereitschaft
des Betroffenen, Verkehrssicherheitsinteressen etwaigen kriminellen
Zielen unterzuordnen, ist dazu nicht erforderlich. Entscheidend sind
die eignungsrelevanten
Eigenschaften, Fähigkeiten und Verhaltensweisen. In der
verwaltungsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung wird im Zusammenhang
mit nichtverkehrsrechtlichen Straftaten stets an die charakterliche
Eignung
angeknüpft (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht 37.
Aufl. § 2 StVG Rdn. 12 ff.
m.w.N.).
bb) Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kennt
dementsprechend
bislang - soweit erkennbar - das vom anfragenden Senat aufgestellte
Erfordernis nicht.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Entscheidung BVerwGE 11,
334 (zu § 4 Abs. 1 StVG aF, jetzt § 2 Abs. 4 StVG)
ausgeführt: "Der Schutzzweck
des Gesetzes beschränkt sich auch nicht auf den
Straßenverkehr, sondern
ist ein allgemeiner, er richtet sich darauf, Jedermann vor der
Verletzung
jedes durch die Rechtsordnung geschützten Rechtsgutes zu
bewahren. Daher
ist jemand als Kraftfahrzeugführer auch dann ungeeignet, wenn
ihm der Besitz
der Fahrerlaubnis strafbare Handlungen nicht verkehrsrechtlicher Art
erleichtert
- 18 -
oder ihn in seiner Neigung hierzu fördert. Eine besondere
Gefahrenlage setzt
die Vorschrift des § 4 Abs. 1 StVG nicht voraus. Das Gesetz
will schon die Möglichkeit
einer Verfehlung tunlichst ausschließen; daß diese
nach der allgemeinen
Erfahrung zu befürchten ist, muß daher
genügen."
In einem Fall der "Unzucht mit Kindern" - ohne Einsatz eines
Kraftfahrzeuges
- heißt es (BVerwG VRs 20 S. 391, 392): "…
daß sich … charakterliche
Mängel auch aus anderen als verkehrsrechtlichen Verfehlungen
ergeben können
und daß der Schutzzweck der bezeichneten Vorschriften nicht
nur auf die
Sicherheit des Straßenverkehrs, sondern auch darauf gerichtet
ist, andere vor
Straftaten durch einen Kraftfahrzeugführer zu bewahren. Dabei
ist es [das Berufungsgericht]
zutreffend auch davon ausgegangen, daß die Feststellung, einem
Kraftfahrzeugführer werde durch den Besitz der Fahrerlaubnis
die Begehung
von Straftaten erleichtert, genügt, um ihn als ungeeignet
erscheinen zu
lassen. Denn das Gesetz will schon die Möglichkeit einer
Gefährdung fremder
Rechtsgüter ausschließen, so daß eine nach
der allgemeinen Erfahrung begründete
Befürchtung ausreicht, der Besitzer der Fahrerlaubnis
könnte diese
mißbrauchen."
Im Blick auf einen Betrugstäter hat das
Bundesverwaltungsgericht zudem
auf den durch eine Fahrerlaubnis bedingten "größeren
Aktionskreis" und
damit eine ausgeprägtere Sozialgefährlichkeit
abgehoben (BVerwG VRs 20
S. 392, 394).
In einer späteren Entscheidung (BVerwG VM 1981, S. 50) hat das
Bundesverwaltungsgericht
in einem Fall des Heroinschmuggels (heute: unerlaubte
Einfuhr von Betäubungsmitteln) hervorgehoben: "Der Mangel der
Eignung zum
Kraftfahrzeugführer kann sich auch aus anderen als
verkehrsrechtlichen Straftaten
ergeben, wenn zu befürchten ist, daß die
Fahrerlaubnis zu Straftaten nicht
- 19 -
verkehrsrechtlicher Art mißbraucht wird oder wenn die Art und
Weise der Straftaten
charakterliche Anlagen erkennen lassen, die, wenn sie sich im
Straßenverkehr
auswirken, die Allgemeinheit gefährden." (vgl. sehr
differenziert auch
OVG Bremen DAR 1970, 82, 83: "… wenn hinreichender
Anlaß zu der Annahme
besteht, daß ein Kraftfahrzeug für seinen Besitzer
einen Anreiz zur Begehung
strafbarer Handlungen bilden wird; denn beim Vorliegen eines solchen
Sachverhalts gefährdet der Besitz einer Fahrerlaubnis die
Allgemeinheit.")
In folgenden Entscheidungen hat das Bundesverwaltungsgericht die
Auslegung des Eignungsbegriffs straßenverkehrsbezogen
bestätigt. In BVerwG
NJW 1986, 2779 (zu § 15e Abs. 1 Nr. 2 StVZO aF)
heißt es: "Der Senat hat
weiterhin für die Fälle der Versagung (oder
Entziehung) der allgemeinen Fahrerlaubnis
wegen mangelnder Eignung infolge charakterlicher Mängel darauf
hingewiesen, daß es insbesondere auf die
Gesamtpersönlichkeit des Fahrzeugführers
ankomme und daß dabei auch Straftaten nicht
verkehrsrechtlicher Art
bedeutsam sein könnten, wenn die Art und Weise der Straftaten
charakterliche
Anlagen erkennen lasse, die die Allgemeinheit gefährdeten,
wenn sie sich im
Straßenverkehr auswirken." Im konkreten Ausgangsfall lagen
zwei Verurteilungen
wegen gefährlicher Körperverletzung vor
(ähnlich auch BVerwG NJW
1987, 2246). In BVerwGE 99, 249, 252 wird grundsätzlich
nochmals betont:
"Berechtigte Eignungszweifel können sich auch allein aus
Tatsachen ergeben,
die bei Verstößen gegen strafrechtliche Vorschriften
- auch solche nicht verkehrsrechtlicher
Art - zutage getreten sind" (ebenso BVerwG, Beschl. v.
25. August 1995 - 11 B 92.95).
cc) Von einer "subjektivistisch" orientierten Einschränkung,
wie sie der
4. Strafsenat vorhat, läßt sich der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts
- soweit zu sehen ist - nichts entnehmen. Das gilt namentlich
für die ge-
20 -
forderten konkreten Anhaltspunkte für eine Bereitschaft des
Straftäters, die
Verkehrssicherheit seinen "kriminellen Interessen" unterzuordnen.
Vielmehr
wird die fehlende charakterliche Zuverlässigkeit, die sich aus
allgemeinen
Straftaten ergeben kann, in einer direkten, unvermittelten Bewertung
und Folgerung
für genügend erachtet. Das entspricht auch der
Definition in § 2 Abs. 4
StVG.
Aus alledem ergibt sich, daß es zu einem systematischen Bruch
führen
würde, die strafrechtliche Vorschrift in ihrem konkretisierten
Maßstab von der
Auslegung des § 2 Abs. 4 StVG gleichsam abzukoppeln.
dd) Prozedural ist es - auch das folgt aus dem Vorgesagten - nach
Ansicht
des Senats geboten, zu klären, ob - was der Fall sein
dürfte - Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts dem beabsichtigten Rechtssatz
entgegensteht.
Im Ergebnis könnte dies zur Anrufung des Gemeinsamen Senats der
Obersten Gerichtshöfe des Bundes zwingen (vgl. § 2
RsprEinhG). Mit dem
Hinweis des Anfragebeschlusses, die "neuere verwaltungsgerichtliche
Rechtsprechung"
stehe nicht entgegen (mit Zitierung des OVG Koblenz), ist es nicht
getan. Das gilt zumal deshalb, weil selbst diese Formulierung erkennen
läßt,
daß es offenbar "ältere" Verwaltungsrechtsprechung
gibt, die dies anders sieht.
Weder der Anfragebeschluß noch der dort zitierte
Beschluß des Oberverwaltungsgerichts
Koblenz in NJW 1994, 2436, 2437 verhalten sich aber dazu,
weshalb die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts etwa
überholt
oder gar aufgegeben sein sollte.
Gerade wenn es für geboten erachtet wird, konkrete
Anhaltspunkte dafür
festzustellen, daß der Täter die Bereitschaft
gezeigt habe, sich über die "im
Verkehr" gebotene Sorgfalt und Rücksichtnahme hinwegzusetzen,
ist das eine
erheblich strengere Anforderung, als sie in den Entscheidungen des
Bundes-
21 -
verwaltungsgerichts bislang aufgestellt worden ist. Dort ist allein
aufgrund der
Begehung der Straftat die Frage der charakterlichen
Zuverlässigkeit und der
Eignung beurteilt worden. Ehe der Bundesgerichtshof einen strengeren
Maßstab
entwickelt - zumal mit noch darzustellenden Anwendungsschwierigkeiten -
muß das Bundesverwaltungsgericht in der vorgesehenen Weise
beteiligt werden.
ee) Normübergreifend und systematisch-vergleichend ist auch
auf das
bisherige Verständnis der Vorschrift über Erteilung
und Widerruf der Luftfahrererlaubnis
hinzuweisen. Auch dort (zu § 4 Abs. 1 Nr. 3 LuftVG
"… Tatsachen
vorliegen, die den Bewerber als unzuverlässig erscheinen
lassen, ein Luftfahrzeug
zu führen …") ist anerkannt, daß die
Zuverlässigkeit Teil der Eignung ist
(vgl. auch § 24 Abs. 4 Satz 3 LuftVZO) und sich auf die
charakterlichen Eigenschaften
des Luftfahrers bezieht. Wegen erheblicher Straftaten auch der sogen.
allgemeinen Kriminalität kann der Widerruf der
Luftfahrerlaubnis in Betracht
kommen (vgl. mit Rechtsprechungsnachweisen: Giemulla/Schmid,
LuftVG § 4 Rdn. 19, 22 - 24a; Hofmann/Grabherr, LuftVG 2.
Aufl. § 4 LuftVG
Rdn. 61: mehrfache Vermögensdelikte; Untreue und
vorsätzliche Verletzung
der Buchführungspflicht; gewerbsmäßiger
Schmuggel; gewerbsmäßige Hehlerei,
Urkundenfälschung; siehe beispielsweise BVerwG NZV 1991, 325
zu einem
Rauschgiftdelikt).
4. Auch das für eine Einschränkung des
Anwendungsbereichs des § 69
Abs. 1 StGB geltend gemachte, verfassungsrechtlich mit dem Verweis auf
die
allgemeine Handlungsfreiheit gestützte Argument von der "auf
Mobilität angelegten
Gesellschaft" vermag nicht zu überzeugen.
Die hier in Frage stehende Entziehung der Fahrerlaubnis knüpft
an eine
wenigstens im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs
begange-
22 -
ne Tat an. Der "Serieneinbrecher", der sein Fahrzeug zum Abtransport der
Beute "benötigt", wird schwerlich mit Aussicht auf Erfolg
einen unzulässigen
Eingriff in seine "allgemeine Handlungsfreiheit" geltend machen
können. Der
Gesetzgeber des 32. Strafrechtsänderungsgesetzes hat gerade
die "mobile
und grenzübergreifende Kriminalität" unterbinden
wollen. Zudem stellt § 69
Abs. 1 Satz 2 StGB den Strafrichter im konkreten Zusammenhang
ausdrücklich
von der Anwendung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes frei
(§ 62 StGB).
Deshalb kann bei fehlender Eignung dem Aspekt des Eingriffs in die
Mobilität
des Täters und damit dessen allgemeiner Handlungsfreiheit
keine Bedeutung
zukommen. Trägt der festgestellte Sachverhalt den
Schluß auf die fehlende
Eignung, ist die Entziehung der Fahrerlaubnis obligatorisch,
für
Verhältnismäßigkeitserwägungen
der vom 4. Strafsenat angestellten Art mithin auch bei der
Konkretisierung der Norm kein Raum.
5. Die vorgeschlagenen Anforderungen an die Feststellung der
Ungeeignetheit
zum Führen von Kraftfahrzeugen geben dem Tatrichter keine
für die
Praxis handhabbaren Vorgaben. Sein Aufklärungs- und
Begründungsaufwand
wird steigen; ob seine Entscheidung rechtlicher Prüfung
standhält, kann er
gleichwohl kaum verläßlich voraussehen. Deshalb
besorgt der Senat, daß die
Vorschrift über die Entziehung der Fahrerlaubnis bei
Zusammenhangstaten
weitgehend leerlaufen würde.
a) Ist ein konkreter Verkehrsverstoß festgestellt, wird
ohnehin zumeist
die zweite Alternative des § 69 Abs. 1 StGB erfüllt
sein ("Verletzung der Pflichten
eines Kraftfahrzeugsführers"). Ist das indessen nicht der
Fall, dann soll der
Tatrichter in der sogen. Zusammenhangstat der allgemeinen
Kriminalität konkrete
Anhaltspunkte dafür finden, daß der Täter
bereit ist, die Sicherheit des
Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen
unterzuordnen. Äußere
- 23 -
Anzeichen für eine solche innere "Bereitschaft" des
Täters werden sich jedoch
bei lebensnaher Betrachtung in der Praxis kaum
verläßlich feststellen lassen.
Der Sachverhalt liegt so wie festgestellt zutage. Wie es mit der
Bereitschaft
des Täters bestellt ist, wird - ohne daß ein
konkreter Verfahrensverstoß gegeben
ist - kaum in tragfähiger Weise klärbar sein. Er
selbst wird, danach befragt,
regelmäßig seinen Willen zur Verkehrsregeltreue
bekunden.
Ob etwa konkrete Anhaltspunkte dafür bestanden, daß
sich der Räuber
einer Kontrolle entzogen hätte, ist kaum sicher zu
beantworten, naheliegenderweise
läßt sich darüber lediglich spekulieren.
Eine verläßliche Tatsachengrundlage
würde sich dafür nur im Ausnahmefall finden lassen.
Es bleibt danach
unklar, wie etwa eine tatrichterliche Bewertung gestaltet werden
könnte,
die beispielsweise die konkrete Bereitschaft zur Flucht vor Verfolgung
unter
Außerachtlassung von Verkehrssicherheitsinteressen bejahen
würde (ohne
daß eine Verletzung von Kraftfahrerpflichten feststellbar
ist). Hier sind dem gebotenen
Akt wertender Erkenntnis naturgegebene Grenzen gesetzt, die im
praktischen Ergebnis nach dem Zweifelssatz
regelmäßig zur Nichtfeststellbarkeit
der vom 4. Strafsenat geforderten Voraussetzungen führen
würden.
b) Die praktischen Schwierigkeiten und der zusätzliche Aufwand
des
Tatrichters werden gerade durch die dem Anfragebeschluß
zugrundeliegenden
Fallgestaltungen offenbar.
aa) Beim mehrfach verübten Tankstellenbetrug soll der neue
Tatrichter
dem Anfragebeschluß zufolge aufklären, ob das
Verhalten des Angeklagten bei
einer Vorverurteilung (flüchtendes Anfahren des am Steuer
sitzenden Mittäters
mit Vollgas) einen konkreten Hinweis darauf gibt, daß der
Angeklagte bereit ist,
sich über die Belange der Verkehrssicherheit hinwegzusetzen.
- 24 -
bb) Beim Abtransport der Tatbeute nach einem Raubüberfall soll
aufzuklären
sein, ob sich der Angeklagte einer Kontrolle unter Mißachtung
der Verkehrsinteressen
anderer entzogen hätte. Die Erwägung, aufgrund
weiterer aufzuklärender
Umstände bedürfe es dann einer
Gesamtwürdigung insbesondere
der Täterpersönlichkeit, gibt dem neuen Tatrichter
eher Rätsel auf als klare
Hinweise an die Hand. Das gilt zumal im Blick darauf, daß
sich nach dem Willen
des Gesetzgebers die Ungeeignetheit gerade aus "der Tat" ergeben
muß.
cc) Beim Rauschgiftkurier - mit immerhin 16 Beschaffungsfahrten - soll
die Festnahmesituation aufgeklärt werden. Das wird jedoch kaum
ein verläßliches
Anzeichen für die innere "Bereitschaft" und Einstellung des
Angeklagten
sein. Denn seine Reaktion wird von extern vorgegebenen
Umständen abhängen,
etwa davon, ob ihm - bildlich gesprochen - nur zwei arglose
Streifenpolizisten
gegenübertreten oder eine gut ausgerüstete, starke
Einsatzgruppe, die
bereits Tatverdacht hegt. Taktisches Kalkül wird hier sein
Verhalten bestimmen,
sollte er Fluchtabsichten hegen. Über die "Bereitschaft" zur
Unterordnung
von Verkehrssicherheitsbelangen sagt das nichts aus.
c) Die erhöhten Aufklärungspflichten würden
zwangsläufig auch zu weitergehenden
Begründungsanforderungen an das Urteil führen. Nach
§ 267
Abs. 6 StPO müssen die Urteilsgründe nicht nur
ergeben, weshalb der Tatrichter
die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet oder entgegen einem in der
Verhandlung gestellten Antrag nicht angeordnet hat (Satz 1). Auch wenn
sonst
- ohne daß ein ausdrücklicher Antrag gestellt worden
wäre - die Fahrerlaubnis
nicht entzogen worden ist, obwohl dies nach der Art der Straftat in
Betracht
kam, müssen die Urteilsgründe - wegen der
Bindungswirkung für die Fahrerlaubnisbehörde
- stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet wor-
25 -
den ist (Satz 2). Wie auch immer der Tatrichter entscheidet, stets
trifft ihn eine
Begründungspflicht.
d) Das Erfordernis, konkrete Anhaltspunkte für
"Interessenunterordnungsbereitschaft"
des Täters festzustellen, überspannt damit in nicht
praxisgerechter
Weise die Anforderungen an die Aufklärung des Sachverhaltes,
die
Feststellung der Voraussetzungen und die Begründung
für die Beurteilung der
charakterlichen Zuverlässigkeit.
Hinzu kommt, daß mit dem ins Auge gefaßten
Kriterium die Schwierigkeiten,
einen einheitlichen Maßstab zu finden, nur verlagert werden:
Es wären
die Voraussetzungen zu umschreiben, unter denen eine solche
"Bereitschaft"
des Täters angenommen werden kann. Dazu deuten sich schon
jetzt Meinungsunterschiede
zwischen den Senaten an. Dies zeigt der Beschluß des
5. Strafsenats vom 28. Oktober 2003 - 5 StR 411/03 -, wo für
die Annahme eines
spezifischen Zusammenhanges zwischen Tat und Verkehrssicherheit auch
auf "latente Risiken für den nicht unwahrscheinlichen Fall von
Flucht" oder von
Widerstandsversuchen des (im Fahrzeug befindlichen) Opfers einer
Entführung
abgehoben wird. In diese Richtung deutet auch der
Antwortbeschluß des
5. Strafsenats vom selben Tage (Beschl. vom 28. Oktober 2003 - 5 ARs
67/03),
wo es für genügend erachtet wird, daß sich
der Täter bei Begehung der Tat
bewußt in eine Situation begeben hat, die zu "relevanten
Risiken für Belange
der Verkehrssicherheit führen kann" und dafür
beispielhaft solche Taten anführt,
die teilweise im praktischen Ergebnis gerade die Divergenz ausmachen
(Fluchtgefahr; Beförderung von Tatbeute, Rauschgift oder
Schmuggelgut in
beträchtlichem Ausmaß). Wenig einleuchtend erscheint
auch die Vorstellung,
an ein rasantes Anfahren ("mit Vollgas") des am Steuer sitzenden
Mittäters irgendwelche
tauglichen Erwägungen hinsichtlich der Bereitschaft des als
Bei-
26 -
fahrer mitfahrenden Täters zur Unterordnung von
Verkehrssicherheitsbelangen
zu knüpfen ("Interessenunterordnungsbereitschaft", so aber
wohl der Anfragebeschluß
S. 4, 19 für den ersten der vom 4. Strafsenat zu
entscheidenden Fälle).
Nach allem stünde zu erwarten, daß der
vorgeschlagene Rechtssatz
zum weitgehenden Leerlaufen der ersten Alternative des § 69
Abs. 1 Satz 1
StGB führen würde. Das widerspricht dem Willen des
Gesetzgebers.
C.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, daß die
Fassung des im Anfragebeschluß
aufgestellten Rechtssatzes zu eng erscheint:
Der Rechtssatz ist ersichtlich in Anlehnung an den
Kammerbeschluß
des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juni 2002 - 1 BvR 2062/96 = NJW
2002, 2376 formuliert, der eine Entziehung der Fahrerlaubnis wegen
verweigerter
Beibringung eines Drogensceenings nach festgestelltem Haschischbesitz
betraf. Der 4. Strafsenat hat die vom Bundesverfassungsgericht - als e
i n
e Fallgruppe charakterlich-sittlicher Mängel - genannte
"Interessenunterordnungsbereitschaft"
übernommen. Er hat sie allerdings mit der
Einschränkung
versehen, der Täter sei " n u r d a n n ungeeignet, wenn
…", und damit auf
einen einzig möglichen Eignungsmangel reduziert.
Wären konkrete Anhaltspunkte auch für die
"Interessenunterordnungsbereitschaft"
bei Fällen der zweiten Alternative des § 69 Abs. 1
StGB - der
Rechtssatz beansprucht ausdrücklich Geltung für
dessen Satz 1 - vom Tatrichter
festzustellen, so würde dies dem Zweck der
Regelbeispielstechnik des § 69
Abs. 2 StGB widersprechen. Zudem wird eine
"Interessenunterordnungsbereitschaft"
bei einem Vollrauschtäter schwerlich feststellbar sein. Bei
bloß körperli-
27 -
chen Eignungsmängeln käme eine Entziehung der
Fahrerlaubnis (Anfragebeschluß:
"Die Ungeeignetheit … ergibt sich n u r d a n n
…") überhaupt nicht in
Betracht. Das wäre weder mit § 69 Abs. 1 StGB noch
mit § 2 Abs. 4 StVG vereinbar.
Nack Wahl Boetticher
Schluckebier Graf |