BGH,
Beschl. v. 14.1.2009 - 1 StR 470/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 470/08
vom
14. Januar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Januar 2009
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Bochum vom 22. August 2007 wird
a) das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts
gemäß § 154 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO
vorläufig eingestellt, soweit der Angeklagte S. wegen
Bestechung verurteilt worden ist. Insoweit trägt die
Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die diesem Angeklagten
dadurch entstandenen notwendigen Auslagen;
b) das genannte Urteil, soweit es den Angeklagten S. betrifft, im
Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe
aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung
über die Gesamtstrafe nach §§ 460, 462 StPO
zu treffen ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen, da die
Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung
insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat
(§ 349 Abs. 2 StPO).
3. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels bleibt
dem für das Nachverfahren nach §§ 460, 462
StPO zuständigen Gericht vorbehalten.
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung in
778 Fällen, wegen Bestechung, wegen Steuerhinterziehung in
sieben Fällen und wegen Beihilfe zum Gebrauch
gefälschter Gesundheitszeugnisse in 45 Fällen zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten
verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die
Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Zudem hat er sofortige
Beschwerde gegen die Kostenentscheidung im genannten Urteil erhoben.
Die Revision des Angeklagten führt zu einer Teileinstellung
des Verfahrens gemäß § 154 StPO und zur
Aufhebung des ihn betreffenden Gesamtstrafausspruchs; damit ist seine
sofortige Beschwerde gegenstandslos (vgl. Meyer-Goßner, StPO
51. Aufl. § 464 Rdn. 20). Im Übrigen bleibt die
Revision des Angeklagten aus den Gründen der Antragsschrift
des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.
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1. Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen Bestechung
gemäß § 334 StGB verurteilt hat, weil er
der Geschäftsführerin der M. GmbH Vorteile
für pflichtwidrige Diensthandlungen versprochen habe, stellt
der Senat das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2
i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO ein. Die hierfür vom Landgericht
verhängte Strafe von einem Jahr Freiheitsstrafe fällt
im Hinblick auf die übrigen - rechtsfehlerfrei
verhängten - 830 Einzelstrafen nicht beträchtlich ins
Gewicht.
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a) Zum Tatvorwurf der Bestechung hat das Landgericht im Wesentlichen
Folgendes festgestellt:
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Der Angeklagte betrieb ein Netz aus bundesweit tätigen
Vermittlern, die ihm insbesondere türkischsprachige Kunden
zuführten, von denen im Zusammenhang mit der Erteilung der
Fahrerlaubnis eine medizinisch-psychologische Prüfung
abzulegen war. Diesen Kunden garantierte der Angeklagte gegen Zahlung
eines Entgelts das Bestehen der Prüfung bei der in R.
ansässigen M. GmbH. Bei dieser Gesellschaft handelt es sich um
eine nach § 66 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) amtlich
anerkannte und nach § 72 FeV akkreditierte
medizinisch-psychologische Begutachtungsstelle für die
Fahreignung. Um den versprochenen Erfolg sicherzustellen, nahm der
Angeklagte in unterschiedlicher Weise auf den Prüfungsablauf
bei der M. GmbH Einfluss. Mit deren Geschäftsführerin
vereinbarte er unter anderem, dass er der Gesellschaft eine Vielzahl
von Probanden zuführen sollte, wodurch das Unternehmen
gegenüber Konkurrenten einen Wettbewerbsvorsprung erlangen und
dadurch erheblich höhere Einnahmen erzielen konnte. Als
Gegenleistung eröffnete die
Geschäftsführerin der M. GmbH dem Angeklagten im
Rahmen der Begutachtung, in deren Rahmen der Angeklagte u.a. als
Dolmetscher tätig wurde, Handlungsspielräume, mit
denen gewährleistet wurde, dass auch Probanden eine positive
medizinischpsychologische Begutachtung erhielten, die keine
ausreichende Eignung für die Teilnahme am
Straßenverkehr hatten.
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b) Die vom Landgericht nicht näher begründete
rechtliche Würdigung des Verhaltens des Angeklagten als
Bestechung gemäß § 334 StGB hält
rechtlicher Nachprüfung nicht stand; die Urteilsfeststellungen
belegen nicht, dass die Geschäftsführerin der M. GmbH
oder ihre Mitarbeiter Amtsträger im Sinne von § 11
Abs. 1 Nr. 2 StGB waren.
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aa) Deren Amtsträgereigenschaft ergibt sich nicht aus
§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c 3. Var. StGB; denn die M. GmbH als
medizinisch-psychologische Begutachtungsstelle wurde nicht im Auftrag
der Fahrerlaubnisbehörde tätig.
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Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung oder
Befähigung eines Bewerbers für eine Fahrerlaubnis
oder eines Inhabers einer Fahrerlaubnis begründen, kann die
zuständige Fahrerlaubnisbehörde nach näherer
Maßgabe der §§ 11 bis 14 FeV anordnen, dass
der Bewerber oder Fahrerlaubnisinhaber innerhalb einer angemessenen
Frist ein Gutachten oder Zeugnis eines Facharztes oder Amtsarztes, ein
Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für
Fahreignung oder eines amtlichen anerkannten Sachverständigen
oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr beibringt
(§ 2 Abs. 8, § 3 Abs. 1 Satz 3 StVG, § 46
Abs. 3 FeV). Nach § 11 Abs. 6 FeV legt dabei die
Fahrerlaubnisbehörde bereits in der Anordnung zur Beibringung
des Gutachtens fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des
Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären
sind (§ 11 Abs. 6 Satz 1 FeV). Sie teilt dem Betroffenen unter
Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner
Eignung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht
kommenden Stelle oder Stellen mit, dass er sich innerhalb einer von ihr
festgelegten Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und
das Gutachten beizubringen hat (§ 11 Abs. 6 Satz 2 FeV). Der
Betroffene hat die Fahrerlaubnisbehörde darüber zu
unterrichten, welche Stelle er mit der Untersuchung beauftragt hat
(§ 11 Abs. 6 Satz 3 FeV). Die Fahrerlaubnisbehörde
teilt ihrerseits der untersuchenden Stelle mit, welche Fragen im
Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von
Kraftfahrzeugen zu klären sind (§ 11 Abs. 6 Satz 4
FeV). Die Untersuchung erfolgt dabei auf Grund eines Auftrages durch
den Betroffenen an die Begutachtungsstelle (§ 11 Abs. 6 Satz 5
FeV), nicht aber - was für eine Amts-
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trägereigenschaft der Mitarbeiter der Begutachtungsstelle
sprechen könnte - im Auftrag der Fahrerlaubnisbehörde.
bb) Die Amtsträgereigenschaft der Mitarbeiter der M. GmbH
ergibt sich auch nicht aus § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c 1. oder
2. Var. StGB.
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(1) Es ist bereits zweifelhaft, ob die Mitarbeiter der M. GmbH Aufgaben
der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. Zwar erfolgt die
Beibringung des medizinisch-psychologischen Gutachtens im Rahmen eines
Verwaltungsverfahrens. Im Hinblick auf die bei der
Verwaltungsbehörde verbleibende Befugnis der Bestimmung, in
welchen Fällen eine Begutachtung stattzufinden hat, und der
Entscheidung, welche Folgen aus dem Ergebnis der Begutachtung gezogen
werden, erweist sich jedoch die Gutachtenerstellung selbst nicht ohne
weiteres als Dienstverrichtung, die aus der Staatsgewalt abgeleitet ist
und staatlichen Zwecken dient (vgl. BGHSt 38, 199, 201).
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Die Anordnung der Fahrerlaubnisbehörde, dass der Betroffene
ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen hat, stellt
keinen Verwaltungsakt dar. Sie konkretisiert vielmehr lediglich die aus
§ 2 Abs. 6 StVG folgende Mitwirkungspflicht des Betroffenen im
Antragsverfahren nach § 2 StVG bzw. im
Fahrerlaubnisentziehungsverfahren nach § 3 StVG (vgl. OVG
Münster NZV 2001, 396, 398 m.w.N.). Die Anordnung
gehört daher - wie auch die Gesetzessystematik belegt - nicht
zu den behördlichen Ermittlungsmaßnahmen der
Fahrerlaubnisbehörden nach § 2 Abs. 7 StVG, sondern
knüpft an das Bekanntwerden von Tatsachen an, die Bedenken
gegen die Eignung oder Befähigung eines Bewerbers für
eine Fahrerlaubnis oder eines Inhabers einer Fahrerlaubnis
begründen (§ 2 Abs. 8, § 3 Abs. 1 Satz 3
StVG). Wenngleich die Anordnung der Beibringung eines
medizinisch-psychologischen Gutachtens Eingriffscharakter
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hat (BVerfG NZV 1993, 413, 414 zum früheren § 15b
Abs. 2 StVZO), kann die Mitwirkungspflicht nicht zwangsweise
durchgesetzt werden (vgl. OVG Münster a.a.O.). Legt der
Betroffene das angeordnete Gutachten nicht vor, darf die
Fahrerlaubnisbehörde lediglich auf die Nichteignung des
Betroffenen schließen (§ 11 Abs. 8 FeV). Eine
Herausgabe des Gutachtens durch die Begutachtungsstelle an die
Fahrerlaubnisbehörde kommt im Hinblick auf das -
gemäß § 203 StGB auch strafrechtlich
geschützte - Vertrauensverhältnis (vgl.
Bouska/Laeverenz, Fahrerlaubnisrecht 3. Aufl. § 11 FeV Anm.
32), das zwischen dem Betroffenen und der Begutachtungsstelle besteht,
ohne Einverständnis des Betroffenen nicht in Betracht (vgl. VG
Neustadt SVR 2006, 273, 275). Damit erfüllt die
Begutachtungsstelle im Rahmen der Begutachtung nicht einen Teil der an
sich staatlichen Stellen obliegenden Aufgaben, sondern
unterstützt lediglich den Betroffenen bei Erfüllung
einer ihm im konkreten Verwaltungsverfahren treffenden Obliegenheit.
(2) Eine Amtsträgerstellung der Mitarbeiter der M. GmbH
scheidet jedenfalls deshalb aus, weil es sich bei dieser Gesellschaft
nicht nur um keine Behörde, sondern auch nicht um eine
sonstige Stelle i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB
handelt.
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(a) Eine sonstige Stelle in diesem Sinne ist eine
behördenähnliche Institution, die unabhängig
von ihrer Organisationsform befugt ist, bei der Ausführung von
Gesetzen mitzuwirken, ohne dabei eine Behörde im
verwaltungsrechtlichen Sinne zu sein. Bei einer juristischen Person des
Privatrechts sind diese Voraussetzungen nur dann erfüllt, wenn
bei ihr Merkmale vorliegen, die eine Gleichstellung mit einer
Behörde rechtfertigen. Nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs muss sie bei einer Gesamtbetrachtung "als
verlängerter Arm des Staates erscheinen" (BGHSt 43, 370, 377;
45, 16, 19; 46, 310,
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312 f.; 49, 214, 219; 50, 299, 303; BGH NStZ 2006, 628, 630).
Einzubeziehen sind dabei alle wesentlichen Merkmale der Gesellschaft,
namentlich, ob diese gewerblich tätig ist und mit anderen im
Wettbewerb steht (BGHSt 38, 199, 204), ob im Gesellschaftsvertrag eine
öffentliche Zwecksetzung festgeschrieben ist (BGHSt 43, 370,
372 f.), ob sie im Eigentum der öffentlichen Hand steht und
ihre Tätigkeit aus öffentlichen Mitteln finanziert
wird (BGHSt 45, 16, 20) sowie, in welchem Umfang staatliche Steuerungs-
und Einflussnahmemöglichkeiten bestehen (BGHSt 43, 370, 378
f.; 45, 16, 20 f.; 49, 214, 224 f.).
(b) Eine Rolle als "verlängerter Arm des Staates" ergibt sich
für die M. GmbH aus den vom Landgericht getroffenen
Feststellungen unabhängig von der Frage nicht, ob
Privatrechtssubjekte, an denen der Staat nicht beteiligt ist,
überhaupt "sonstige Stelle" i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. c 2. Var. StGB sein können (vgl. dazu einerseits
MüKo-Radtke StGB § 11 Rdn. 55, andererseits BGHSt 43,
96, 102 ff.; BGH NJW 1998, 2373, 2374). Zwar sind durch das Erfordernis
der staatlichen Anerkennung der Begutachtungsstelle nach § 66
FeV und der Akkreditierung nach § 72 FeV Umstände
gegeben, die eine Kontrolle der Begutachtungsstellen durch die
öffentliche Hand ermöglichen. Auch teilt die
Fahrerlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 6 Satz 4 FeV der
Begutachtungsstelle jeweils konkret mit, welche Fragen im Hinblick auf
die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu
klären sind. Diese Umstände sind indes nicht von
solchem Gewicht, dass sie eine Gleichstellung der Begutachtungsstelle
mit einer Behörde rechtfertigen könnten, zumal da die
- nach § 66 FeV anerkannten - Begutachtungsstellen
untereinander im Wettbewerb stehen (vgl. auch BGHSt 38, 199, 204).
Maßgebliche Bedeutung kommt dem Umstand zu, dass die
Entscheidung über die Eignung des Betroffenen nach der
Begutachtung der Fahrerlaubnisbehörde vorbehalten bleibt; das
Gutachten entfaltet als vorbereitendes Privatgutachten, das im Auftrag
des Betroffenen und auf dessen Kosten
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erstellt wird, keine Bindungswirkung. Allein der Umstand, dass das
Ergebnis der Begutachtung für die Entscheidung der
Fahrerlaubnisbehörde von zentraler Bedeutung ist,
lässt die Begutachtungsstelle nicht als
„verlängerten Arm des Staates“ erscheinen.
Nichts anderes gilt für den Umstand, dass die
Begutachtungsstellen für die Erstattung des Gutachtens nach
der Gebührenordnung für Maßnahmen im
Straßenverkehr (GebOSt) vergütet werden (vgl.
§ 1 GebOSt i.V.m. Gebührennummern 451 ff. der Anlage
zu § 1 GebOSt). Insoweit ist lediglich ein Kostenrahmen
für die Begutachtung festgelegt.
c) Ein Teilfreispruch ist gleichwohl nicht veranlasst, weil eine
Strafbarkeit des Angeklagten unter einem anderen rechtlichen
Gesichtspunkt als dem der Bestechung gemäß
§ 334 StGB in Betracht kommen kann (etwa einer Strafbarkeit
gemäß § 299 StGB oder §§
26, 278 StGB). Einer Zurückverweisung an das Landgericht zur
Aufklärung, ob ergänzende Feststellungen zum
Verhalten des Angeklagten im Zusammenhang mit der Gewährung
von Vorteilen an Mitarbeiter der M. GmbH getroffen werden
können, bedarf es aber deshalb nicht, weil angesichts der
Vielzahl der gegen den Angeklagten rechtsfehlerfrei verhängten
Einzelstrafen eine insoweit in Betracht kommende Einzelstrafe nicht
beträchtlich ins Gewicht fiele.
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2. Allerdings hält der Ausspruch über die
verhängte Gesamtfreiheitsstrafe trotz des straffen
Zusammenzugs der Einzelstrafen rechtlicher Nachprüfung nicht
stand. Zwar kann der Senat angesichts des Zusammenzugs der
übrigen Einzelstrafen, darunter 181 Strafen von je zwei Jahren
und sechs Monaten Freiheitsstrafe sowie 597 Strafen von je zwei Jahren
Freiheitsstrafe, in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1
StPO ausschließen, dass das Landgericht ohne die für
die Bestechung festgesetzte Strafe von einem Jahr Freiheitsstrafe eine
niedrigere als die festgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe verhängt
hätte.
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Jedoch begegnet die Zumessung der Gesamtfreiheitsstrafe durchgreifenden
rechtlichen Bedenken.
a) Ohne Rechtsfehler hat sich allerdings das Landgericht nicht mehr an
eine zugesagte Strafobergrenze gebunden gesehen. Dem liegt folgendes
Geschehen zugrunde:
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Nach den Urteilsfeststellungen sicherte die Strafkammer am 9. November
2006, während des Laufs der Hauptverhandlung, im Hinblick auf
die zu diesem Zeitpunkt verfahrensgegenständlichen
Tatvorwürfe aus der Anklageschrift vom 12. Mai 2006
für den Fall einer geständigen Einlassung eine
Strafobergrenze von vier Jahren Gesamtfreiheitsstrafe zu (UA S. 5).
Unter dem 31. Juli 2007 erhob die Staatsanwaltschaft Bochum eine
weitere Anklage gegen den Angeklagten, in der gegen ihn der Vorwurf der
Steuerhinterziehung in 18 Fällen, des Betruges und der
Beihilfe zur Ausstellung eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses
erhoben wurde. Die Anklage wurde mit dem laufenden Verfahren zur
gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Unter dem 13.
August 2007 wurde das Strafverfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft
durch Beschluss der Strafkammer hinsichtlich der Taten, die den
Gegenstand der Anklage vom 31. Juli 2007 bildeten sowie hinsichtlich
weiterer Taten gemäß § 154 Abs. 2 StPO
vorläufig eingestellt.
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Bei dieser Sachlage war die Strafkammer nicht mehr an die zugesagte
Strafobergrenze gebunden. Insoweit gelten folgende Grundsätze:
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aa) Wurde eine Urteilsabsprache getroffen, auf deren Grundlage seitens
des Tatgerichts eine Zusage hinsichtlich der Strafobergrenze abgegeben
wurde, kommt ein Abweichen von einer solchen Zusage nur dann in
Betracht, wenn
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schon bei der Urteilsabsprache vorhandene relevante
tatsächliche oder rechtliche Aspekte übersehen wurden
oder wenn sich in der Hauptverhandlung neue, dem Gericht bisher
unbekannte schwerwiegende Umstände zu Lasten des Angeklagten
ergeben haben (BGHSt 50, 40, 50). In einem solchen Fall muss das
Gericht unter Darlegung der Umstände auf diese
Möglichkeit hinweisen (BGHSt 43, 195, 210).
bb) Eines Hinweises bedarf es aber nur dann, wenn sich die Abweichung
von der Urteilsabsprache allein auf Taten bezieht, die zu diesem
Zeitpunkt Gegenstand der Hauptverhandlung waren. Denn nur insoweit kann
eine Zusicherung für den Angeklagten einen
schutzwürdigen Vertrauenstatbestand schaffen. Keines Hinweises
bedarf es indes, wenn sich in der Hauptverhandlung der Verfahrensstoff
durch neu angeklagte Tatvorwürfe erweitert, die Gegenstand des
Verfahrens geworden sind. In einem solchen Fall ist für alle
Verfahrensbeteiligten ohne weiteres erkennbar, dass die bisherige
Zusage, die die neu angeklagten Taten nicht zum Gegenstand hatte, wegen
der veränderten Sachlage für das Tatgericht nicht
mehr verbindlich sein kann. So verhält es sich auch hier. Der
Angeklagte war durch den Wegfall der Zusicherung auch nicht
benachteiligt, da die Einbeziehung einer neuen Anklage nur mit seiner
Zustimmung zulässig war (§ 266 Abs. 1 StPO; vgl. auch
Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 266 Rdn. 4).
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b) Die Gesamtfreiheitsstrafe kann aber deshalb keinen Bestand haben,
weil die Strafkammer rechtsfehlerhaft durch Teileinstellung
gemäß § 154 Abs. 2 StPO ausgeschiedene
Verfahrensteile zum Nachteil des Angeklagten bei der Zumessung der
Gesamtfreiheitsstrafe strafschärfend berücksichtigt
hat.
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Zwar ist es zulässig, gemäß § 154
Abs. 2 StPO ausgeschiedenen Prozessstoff nach einem entsprechenden
Hinweis (BGH StV 2000, 656) in der Strafzumessung straferschwerend zu
berücksichtigen. Dies kommt indes nur in Betracht, wenn die in
den ausgeschiedenen Verfahrensteilen enthaltenen Tatvorwürfe
prozessordnungsgemäß festgestellt und in den
Urteilsgründen dargelegt sind (BGH StV 1995, 520 f). Dem
genügt das angefochtene Urteil nicht. Es
berücksichtigt von der Teileinstellung erfasste
Tatvorwürfe strafschärfend (UA S. 54), ohne die den
Taten zugrunde liegenden Tatsachen im Urteil auch nur ansatzweise
darzustellen. Dies ermöglicht dem Revisionsgericht nicht, die
strafschärfende Berücksichtigung dieser Taten auf
mögliche Rechtsfehler hin zu überprüfen (BGH
StV 1995, 520 f.). Darin liegt ein auf die Sachrüge hin zu
berücksichtigender Rechtsfehler, auf dem das Urteil auch
beruht.
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3. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, nach
§ 354 Abs. 1 b Satz 1 StPO zu entscheiden. Damit ist die neue
Gesamtstrafe im Beschlussverfahren gemäß
§§ 460, 462 StPO zu bilden, in dem auch eine
Entscheidung über die Pflicht zur Tragung der Kosten der
Revision des Beschwerdeführers zu treffen ist.
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Nack Wahl Graf
Jäger Sander |