BGH,
Beschl. v. 14.6.2002 - 3 StR 132/02
3 StR 132/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 14. Juni 2002
in der Strafsache gegen
wegen schweren Menschenhandels u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 14. Juni 2002 gemäß
§ 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Aurich vom 30. Oktober 2001 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall C II. 23
der Urteilsgründe verurteilt worden ist; im Umfang der
Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen
Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,
b) der Schuldspruch dahin geändert, daß die
Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter Unterschlagung im Fall C
II. 23 der Urteilsgründe entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten des
Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren
entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
1. Die auf Antrag des Generalbundesanwalts erfolgte Teileinstellung des
Verfahrens im Fall C II. 23 der Urteilsgründe
läßt die Verurteilung des Angeklagten wegen
versuchter Unterschlagung und die dafür verhängte
Freiheitsstrafe von acht Monaten entfallen. Angesichts der
verbleibenden 22 Einzelstrafen kann der Senat indes
ausschließen, daß die Strafkammer ohne
Berücksichtigung der weggefallenen Einzelstrafe auf eine
niedrigere als die - ohnehin maßvolle - Gesamtfreiheitsstrafe
von fünf Jahren und sechs Monaten erkannt hätte.
2. Die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung auf Grund
der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten ergeben. Das Urteil gibt dem Senat jedoch Anlaß
zu folgenden Hinweisen:
a) Die "großzügige" Zubilligung verminderter
Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB ist mit der
ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht
vereinbar. Die Abhängigkeit von Betäubungsmitteln
begründet für sich allein noch keine erhebliche
Verminderung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit.
Derartige Folgen sind bei einem Rauschgiftsüchtigen nur
ausnahmsweise gegeben, etwa wenn langjähriger
Betäubungsmittelgenuß zu schwersten
Persönlichkeitsveränderungen geführt hat
oder wenn der Täter unter starken Entzugserscheinungen leidet
und durch sie dazu getrieben wird, sich mittels einer Straftat Drogen
zu verschaffen, ferner unter Umständen dann, wenn das Delikt
im Zustand eines akuten Rausches verübt wird (BGHR StGB
§ 21 BtM-Auswirkungen 12 m. w. N.; BGH NStZ 2002, 31). Hierzu
hat das Landgericht keine zureichenden Feststellungen getroffen.
Psychodiagnostische Beweisanzeichen für Entzugserscheinungen
oder Hinweise auf eine akute Intoxikation bei Begehung der Straftaten
sind für die abgeurteilten Fälle nicht dargelegt
(vgl. UA S. 167).
b) Selbst wenn die Anwendung des § 21 StGB in den
Einzelfällen gerechtfertigt gewesen wäre,
hätte die Strafkammer die Vorschrift des § 21 StGB
"mit der dort vorgegebenen Strafmilderungsmöglichkeit" (UA S.
166) nicht erneut bei der Bildung der Gesamtstrafe anwenden
dürfen. Die Milderungsmöglichkeit nach § 21,
§ 49 Abs. 1 StGB führt lediglich dazu, daß
der Strafrahmen für die betreffende Einzelstrafe
ermäßigt wird. Dagegen bleibt der Rahmen des
§ 54 Abs. 1 und 2 StGB für die Bildung der
Gesamtstrafe unverändert. Lediglich bei der zusammenfassenden
Bewertung des gesamten Schuldumfanges aller Taten im Rahmen der
Gesamtstrafenbildung (vgl. BGHSt 24, 268, 270) wird auch der Umstand
einer verminderten Schuldfähigkeit Bedeutung erlangen.
c) Der durch die Besonderheiten des Falles nicht gebotene
außerordentliche Umfang der Entscheidungsgründe von
168 Seiten gibt Anlaß zu dem Hinweis, daß nach
§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO die Urteilsgründe neben den
für erwiesen erachteten Tatsachen, in denen die gesetzlichen
Merkmale der Straftat gefunden werden, nur solche Feststellungen
enthalten müssen, die zum Verständnis und zur
Beurteilung der Tat notwendig sind. Überflüssige
Ausführungen zum Randgeschehen machen die Darstellung
unübersichtlich und können die Gefahr
sachlich-rechtlicher Mängel begründen. Es ist nicht
Aufgabe des Revisionsgerichts, sich aus einer Fülle
erheblicher und unerheblicher Tatsachen diejenigen herauszusuchen, in
denen eine Straftat gesehen werden kann. Mit der
Beweiswürdigung soll der Tatrichter - unter
Berücksichtigung der Einlassung des Angeklagten - lediglich
belegen, warum er bestimmte bedeutsame tatsächliche
Umstände so festgestellt hat. So ist es beispielsweise nicht
erforderlich, die der Feststellung von
Betäubungsmittelgeschäften vorausgehenden
Telefonüberwachungsmaßnahmen in allen Einzelheiten
zu schildern und über mehrere Seiten den Inhalt der
geführten Telefongespräche wörtlich
wiederzugeben.
VRiBGH Prof. Dr. Tolksdorf
ist infolge Urlaubs an der Unterschrift verhindert.
Miebach Miebach Winkler Pfister Becker
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