BGH,
Beschl. v. 15.12.2009 - StB 52/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
StB 52/09
vom
15. Dezember 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt ja
Veröffentlichung ja
___________________________________
StGB § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB
1. Eine im Ausland außerhalb der Europäischen Union
begangene Tathandlung im Sinne von § 129 b Abs. 1 Satz 1,
§ 129 Abs. 1, § 129 a Abs. 1 bis 5 StGB kann nicht
über § 129 b Abs. 1 Satz 2 1. Var. StGB unter dem
Gesichtspunkt zur Anwendbarkeit dieser Strafvorschriften
führen, dass ein eventuell durch die Handlung bewirkter Erfolg
(§ 9 Abs. 1 StGB) im Inland eingetreten ist.
2. Der Begriff des Opfers im Sinne des § 129 b Abs. 1 Satz 2
3. Var. StGB bezieht sich nicht auf die Organisationstaten nach
§ 129 b Abs. 1 Satz 1, §§ 129, 129 a StGB,
sondern auf die von der Vereinigung in Verfolgung ihrer Zwecke oder
Tätigkeiten begangenen Straftaten.
BGH, Beschl. vom 15. Dezember 2009 - StB 52/09 - Ermittlungsrichter des
Bundesgerichtshofs
- 2 -
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Dezember 2009
gemäß § 304 Abs. 5 StPO beschlossen:
Die Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen den Beschluss des
Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 11. November 2009 - 2
BGs 328/09 - wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt die Staatskasse.
Gründe:
Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschuldigten ein
Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vorbereitung einer
schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß
§ 89 a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB. Er legt ihm zur Last, sich
in einem Lager der ausländischen terroristischen Vereinigung
"Y" außerhalb Europas aufzuhalten und sich dort im Umgang mit
Schusswaffen und Sprengstoffen für den bewaffneten Kampf
unterweisen zu lassen.
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Mit Beschluss vom 11. November 2009 hat der Ermittlungsrichter des
Bundesgerichtshofs den Antrag des Generalbundesanwalts, die
Telekommunikation, die über den Anschluss des in Deutschland
lebenden "X" geführt wird, zu überwachen und
aufzuzeichnen (§ 100 a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a StPO)
sowie diesen Anschluss betreffende retrograde Verkehrsdaten zu erheben
(§ 100 g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO, §§ 96,
113 a TKG), mit der Begründung abgelehnt, es lägen
weder zureichende Anhaltspunkte dafür vor, dass der
Beschuldigte mit "X" verfahrensrelevante Telefongespräche
führe, noch sei durch die beantragte Maßnahme eine
(weitere) Aufklärung seines Aufenthaltsortes zu erwarten. Die
hiergegen gerichtete Beschwerde des Generalbundesanwalts, der der
Ermittlungsrichter nicht abgeholfen hat, ist zulässig, jedoch
im Ergebnis nicht begründet.
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1. Nach den bisherigen Ermittlungen liegen (u. a.) zureichende
Anhaltspunkte für folgendes Geschehen vor:
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Der Beschuldigte, der nicht die deutsche Staatsangehörigkeit
besitzt, aber in Deutschland lebte, ... reiste Anfang des Jahres 2009
in das nicht der Europäischen Union zugehörige Land
"Z". Dort wurde er in ein Ausbildungslager der "Y"-Vereinigung
vermittelt, der er sich später als Mitglied anschloss. Er ist
bislang nicht nach Deutschland zurückgekehrt. (wird weiter
ausgeführt)
4
2. Es kann dahinstehen, ob durch die vom Generalbundesanwalt
beantragten Ermittlungsmaßnahmen mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit Erkenntnisse zur Aufklärung des dem
Beschuldigten angelasteten Verhaltens oder seines Aufenthaltsorts zu
erwarten wären. Keiner näheren Betrachtung bedarf
auch die Frage, ob hinsichtlich des Vorwurfs der Vorbereitung einer
schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß
§ 89 a Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 StGB (eingeführt
durch das Gesetz zur Verfolgung und Vorbereitung von schweren
staatsgefährdenden Gewalttaten vom 30. Juli 2009, BGBl I 2437
ff.) überhaupt ausreichende Verdachtsgründe
für ein tatbestandsmäßiges Handeln des
Beschuldigten nach Inkrafttreten dieser Vorschrift am 4. August 2009
vorliegen. Der Beschuldigte hielt sich zu diesem Zeitpunkt bereits
mehrere Monate in "Z" auf. In Anbetracht dieses Zeitablaufs erscheint
es durchaus nicht fernliegend, dass sein Aufenthalt bei der
terroristischen Vereinigung nach Inkrafttreten des § 89 a StGB
bereits nicht mehr Ausbildungszwecken diente. (wird weiter
ausgeführt)
5
Die Anordnung der beantragten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen
kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil die bisherigen
Erkenntnisse keine zureichenden Anhaltspunkte dafür bieten,
dass das dem Beschuldigten vorgeworfene Verhalten, der - soweit
strafrechtlich relevant - als Ausländer
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ausschließlich im nichteuropäischen Ausland
handelte, den für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts
erforderlichen Inlandsbezug im Sinne des § 89 a Abs. 3 Satz 2
StGB oder - was nach der Verdachtslage mit Blick auf eine
mögliche Strafbarkeit des Beschuldigten wegen Mitgliedschaft
in einer ausländischen terroristischen Vereinigung
gemäß § 129 b Abs. 1 Satz 1, § 129
a Abs. 1 Nr. 1 StGB ebenfalls in Betracht zu ziehen ist - im Sinne des
§ 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB aufweist. Hierzu gilt im Einzelnen:
Die Ausweitung der Strafbarkeit nach §§ 129, 129 a
StGB auf ausländische kriminelle und terroristische
Vereinigungen gemäß § 129 b StGB sowie die
Erstreckung des Anwendungsbereichs der Tatbestände zur Ahndung
terroristischer Vorbereitungshandlungen gemäß
§§ 89 a, 89 b StGB auf Auslandstaten (§ 89 a
Abs. 3 Satz 1 bzw. § 89 b Abs. 3 Satz 1 StGB) hat den
Gesetzgeber veranlasst, die Anwendbarkeit dieser Vorschriften auf Taten
außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union
von spezifischen, den persönlichen und räumlichen
Geltungsbereich der Norm einschränkenden Voraussetzungen
abhängig zu machen. Zweck dieser Regelungen ist es, einer
uferlosen Ausdehnung des deutschen Strafrechts auf Auslandstaten von
Ausländern Grenzen zu setzen (BTDrucks. 14/8893 S. 8 f.;
BRDrucks. 69/09 S. 16; BTDrucks. 16/12428 S. 15 f.).
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Eine Strafbarkeit wegen Beteiligung an einer kriminellen oder
terroristischen Vereinigung im nicht der Europäischen Union
zugehörigen Ausland erfordert gemäß
§ 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB, dass entweder die Tat durch eine
im Geltungsbereich des Strafgesetzbuches ausgeübte
Tätigkeit begangen wird, der Täter oder das Opfer
Deutscher ist oder der Täter oder das Opfer sich im Inland
befindet. In Anlehnung an diese Regelung (BRDrucks. aaO; BTDrucks.
16/12428 aaO) setzt § 89 a Abs. 3 Satz 2 StGB für die
Anwendbarkeit deutschen Strafrechts einen spezifischen Bezug zu
Deutschland, seinen Staatsan-
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gehörigen oder der inländischen
Wohnbevölkerung in der Weise voraus, dass die Handlung
entweder durch einen Deutschen oder einen Ausländer mit
Lebensgrundlage im Inland begangen wird oder die vorbereitete schwere
staatsgefährdende Gewalttat im Inland oder durch oder gegen
einen Deutschen begangen werden soll. Aus den jeweiligen
Gesetzesfassungen wird jedoch nicht deutlich, ob § 129 Abs. 1
Satz 2 und § 89 a Abs. 3 Satz 2 StGB spezielles und
abschließendes Rechtsanwendungsrecht enthalten mit der Folge,
dass die allgemeinen, zum Teil übereinstimmenden, zum Teil
aber auch abweichenden allgemeinen Vorschriften des internationalen
Strafrechts der §§ 3 bis 7 StGB nicht anwendbar sind,
oder ob - und gegebenenfalls in welchem Umfang - sie neben die
allgemeinen Regeln der §§ 3 ff. StGB treten und diese
ergänzen.
a) Die Gesetzesmaterialien zu § 129 b StGB geben zu dieser
Frage keinen Aufschluss (BTDrucks. 14/8893 S. 8 f.; zur
Entstehungsgeschichte der Norm: Stein GA 2005, 433, 449 ff.). In der
Literatur wird nahezu einhellig die Auffassung vertreten, dass
§ 129 b Abs. 1 StGB die Anwendbarkeit der §§
3 ff. StGB nicht berührt, sondern lediglich für die
im Nicht-EU-Ausland bestehenden Vereinigungen zusätzliche
Voraussetzungen aufstellt (vgl. Krauß in LK 12. Aufl.
§ 129 b Rdn. 8 ff.; Miebach/Schäfer in
MünchKomm-StGB § 129 b Rdn. 9 und 17 ff.; Fischer,
StGB 57. Aufl. § 129 b Rdn. 4; Stein in SK-StGB § 129
b Rdn. 4; Lenckner/Sternberg-Lieben in
Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 129 b
Rdn. 3, 7; Altvater NStZ 2003, 179, 181; Stein GA 2005, 433, 453 ff.;
aA Kress JA 2005, 220, 226). Zur Begründung dieser Auffassung
wird angeführt, dass sich § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB
seinem Wortlaut nach ausschließlich auf Vereinigungen in
Nicht-EU-Staaten beziehe und deshalb auf Vereinigungen innerhalb des
Gebiets der Europäischen Union nicht anwendbar sei.
Für Beteiligungshandlungen an kriminellen oder terroristischen
Vereinigungen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelte
daher das allgemeine Strafanwendungsrecht der §§ 3
ff. StGB, da diese Taten sonst unbegrenzt innerstaatlicher Straf-
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gewalt unterlägen, was mit völkerrechtlichen
Grundsätzen zur Rechtsgeltungserstreckung nicht vereinbar sei.
Da aber die in § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB aufgestellten
Geltungsvoraussetzungen für sich betrachtet teilweise
großzügiger seien als diejenigen der
§§ 3 ff. StGB - etwa anders als § 7 StGB
keine Tatortstrafbarkeit erforderten -, der Rechtsanwendungsbereich der
§§ 129, 129 a StGB für Vereinigungen im
Nicht-EU-Ausland aber nicht weiter sein könne als derjenige
für Beteiligungshandlungen an Vereinigungen in EU-Staaten,
könne § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB nicht im Sinne einer
abschließenden, die §§ 3 ff. StGB
verdrängenden Spezialregelung verstanden werden (Stein in
SK-StGB aaO; ders. GA aaO).
Dieser Rechtsauffassung kann jedenfalls nicht uneingeschränkt
gefolgt werden. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei § 129 b
StGB insgesamt um eine den allgemeinen Vorschriften vorgehende
Spezialregelung zum Strafanwendungsrecht handelt. Bedenken im Hinblick
auf eine Anwendung des sich aus § 7 StGB ergebenden
Erfordernisses einer Tatortstrafbarkeit auf Fälle, in denen
der Täter einer Auslandstat im Sinne des § 129 b Abs.
1 StGB Deutscher ist, hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 31.
Juli 2009 - StB 34/09 - zum Ausdruck gebracht. Unabhängig
hiervon sind jedoch einer kumulativen Anwendung der allgemeinen
Vorschriften der §§ 3 ff. StGB zumindest insoweit
Grenzen gesetzt, als § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB Ausnahmen vom
allgemeinen Rechtsanwendungsrecht enthält und dessen
Anwendungsbereich ausdrücklich einschränkt (vgl.
nachfolgend 3. b) aa). Die allgemeinen Regeln der §§
3 ff. StGB können daher allenfalls zu einer weiteren
Beschränkung, nicht aber zu einer Erweiterung der spezifischen
Geltungsregelung des § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB herangezogen
werden. Jedes andere Verständnis einer kumulativen Anwendung
der allgemeinen Vorschriften neben § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB
wäre mit dem Willen des Gesetzgebers, die Anwendbarkeit des
deutschen Strafrechts auf Beteiligungshandlungen an Vereinigungen im
Nicht-EU-Ausland im
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Vergleich zu Taten im EU-Gebiet strengeren Anforderungen zu
unterstellen, nicht vereinbar.
b) Nichts anderes gilt für § 89 a Abs. 3 StGB.
Allerdings hat der Gesetzgeber zu dieser Regelung - anders als bei
§ 129 b StGB - in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck
gebracht, dass - unabhängig vom Tatort - eine
Einschränkung des spezifischen Strafanwendungsrechts durch das
Erfordernis einer Tatortstrafbarkeit im Sinne des § 7 StGB
generell nicht in Betracht komme, da ansonsten die Verfolgung von
terroristischen Vorbereitungshandlungen vor allem im
außereuropäischen Ausland aufgrund der dortigen
Rechtslage vielfach nicht möglich sei (BRDrucks. aaO;
BTDrucks. 16/12428 aaO). Ob hieraus der Schluss zu ziehen ist, dass
§ 89 a Abs. 3 Satz 1 und 2 StGB als lex specialis das
allgemeine Strafanwendungsrecht der §§ 3 ff. StGB
gänzlich verdrängt (so Heintschel-Heinegg in
BeckOK-StGB § 89 a Rdn. 30;
Gazeas-Grosse-Wilde-Kießling NStZ 2009, 593, 599 f.), oder ob
nur eine kumulative Anwendung des § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1
StGB neben § 89 a Abs. 3 StGB auszuscheiden hat, kann hier
dahinstehen. Jedenfalls liegt es vor dem Hintergrund der
übereinstimmenden Vorgaben in Art. 9 Abs. 1 (i. V. m. Art. 1
und 3) des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union
vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung (Abl. EG 2002 Nr.
L 164 S. 3) in der Fassung des Rahmenbeschlusses des Rates der
Europäischen Union vom 28. November 2008 (Abl. EG 2008 Nr. L
330 S. 21) i. V. m. Art. 9 des Protokolls Nr. 36 des EUV-Lissabon nahe,
den Geltungsbereich des § 129 b StGB und des § 89 a
Abs. 3 StGB als identisch anzusehen und insoweit auch die Frage einer
kumulativen Anwendbarkeit der allgemeinen Vorschriften für
beide Vorschriften einheitlich zu beantworten.
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3. Die bisherige Verdachtslage bietet keine ausreichenden
Anhaltspunkte, dass das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten
den in § 89 a Abs. 3
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Satz 2 oder in § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB geforderten
spezifischen Inlandsbezug aufweist.
a) Die Ermittlungsergebnisse lassen weder erkennen, dass der
Beschuldigte im Sinne des § 89 a Abs. 3 Satz 2 2. Alt. StGB
als Ausländer über eine Lebensgrundlage im Inland
verfügt, noch liegen ausreichende Hinweise dafür vor,
dass sich entsprechend der 5. Alternative der Vorschrift eine
vorbereitete terroristische Gewalttat gegen deutsche
Staatsbürger richten sollte.
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Der Begriff der inländischen Lebensgrundlage ist - wie in
§ 5 Nr. 8 Buchst. a StGB - als die Summe derjenigen
Beziehungen zu verstehen, die den persönlichen und
wirtschaftlichen Schwerpunkt im Verhältnis des Menschen zu
seiner Umwelt ausmachen (BRDrucks. aaO S. 17). Für eine diesen
Anforderungen genügende Bindung des Beschuldigten an
Deutschland gibt es keine Anhaltspunkte. Vielmehr sprechen alle
Umstände dafür, dass der Beschuldigte mit seiner
Ausreise nach "Z" seinen bisherigen Lebensmittelpunkt in Deutschland
endgültig aufgab. (wird ausgeführt)
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Die Anwendung deutschen Strafrechts kann auch nicht aus dem in der 5.
Alternative des § 89 a Abs. 3 Satz 2 StGB geregelten passiven
Persönlichkeitsprinzip hergeleitet werden. Das im
Ermittlungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten
belegt bereits nicht mit der für einen
tatsachengestützten Verdacht (§ 100 a Abs. 1 Nr. 1
StPO) erforderlichen Wahrscheinlichkeit, dass die "Y"-Vereinigung ihre
Terrorakte auch gegen deutsche Staatsangehörige richtete und
zu richten beabsichtigt. (wird ausgeführt)
15
b) Der fehlende Inlandsbezug steht auch einer Strafverfolgung des
Beschuldigten wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer
ausländischen terroristischen Vereinigung
gemäß §§ 129 b, 129 a Abs. 1 Nr. 1
StGB entgegen.
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Zwar liegen ausreichende Hinweise dafür vor, dass sich der
Beschuldigte der "Y"-Vereinigung als Mitglied angeschlossen hat und
diese Vereinigung terroristische Ziele verfolgt. Die dem Beschuldigten
angelastete Betätigung für die Vereinigung
unterfällt aber nach der bisherigen Verdachtslage ebenfalls
nicht dem Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts, da für
die - hier allein in Betracht kommenden - Rechtsanwendungsregeln der
ersten und dritten Fallgruppe des § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB
keine zureichenden Anhaltspunkte vorliegen.
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aa) Nach den bisherigen Erkenntnissen hat der Beschuldigte die ihm
angelasteten Beteiligungshandlungen nicht durch eine im Geltungsbereich
des StGB ausgeübte Tätigkeit begangen (§ 129
b Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB).
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Der Gesetzgeber greift zwar mit dieser Regelung das an den Begehungsort
anknüpfende Territorialitätsprinzip der
§§ 3, 9 StGB auf, bestimmt dessen Anwendungsbereich
jedoch enger als in den allgemeinen Vorschriften. Nach § 9
StGB ist Begehungsort nicht nur der Handlungsort, sondern auch der Ort,
an dem der tatbestandlich vorausgesetzte Erfolg eingetreten ist.
Für den Teilnehmer ist zusätzlich der Ort der
Teilnahmehandlung sowie der Ort, an dem nach seiner Vorstellung die
Haupttat begangen werden sollte, Begehungsort im Sinne des § 9
StGB. Demgegenüber knüpft § 129 b Abs. 1
Satz 2 1. Alt. StGB - in gleicher Weise wie § 91 a StGB (nF) -
allein an eine im räumlichen Geltungsbereich des StGB
ausgeübte Tätigkeit an, sieht also für die
Anwendbarkeit deutschen Strafrechts ausschließlich den
Handlungsort als bestimmend an und nicht den Erfolg der
tatbestandsmäßigen Handlung (Krauß aaO
Rdn. 19 a; Altvater aaO S. 181). Denn mit dem Begriff der
Tätigkeit, wie er in der ersten Fallgruppe des § 129
b StGB Verwendung findet, ist nicht die Tatbestandsverwirklichung in
ihrer Gesamtheit gemeint, sondern nur die eigene Verhaltensweise des
Täters (ebenso zu § 91 a StGB nF: Fischer aaO
§ 91 a
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Rdn. 3). § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB enthält deshalb
in seiner ersten Alternative einen ausdrücklichen Ausschluss
des Erfolgsorts als Anknüpfungspunkt für eine
Strafbarkeit wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im
Nicht-EU-Ausland. Die Regelung stellt insoweit eine vom Gesetzgeber
gewollte Ausnahme von § 9 StGB dar und schränkt
dessen Anwendungsbereich ein (ebenso zu § 91 StGB aF:
Laufhütte/Kuschel in LK 12. Aufl. § 91 Rdn. 1).
Allein diese Auslegung, die nach dem Wortlaut der Vorschrift und der
Gesetzessystematik zwingend ist, verleiht der Rechtsanwendungsregel des
§ 129 b Abs.1 Satz 2 1. Alt. StGB die von der Literatur
vermisste eigenständige Bedeutung (vgl.
Miebach/Schäfer aaO Rdn. 17). Denn die vom Gesetzgeber
gewollte Ausgestaltung der ersten Fallgruppe des § 129 b Abs.
1 Satz 2 StGB als Ausnahmeregelung hat zur Folge, dass der Erfolgsort
einer Betätigungshandlung im Sinne von § 129 b Abs. 1
Satz 1, §§ 129, 129 a StGB - unabhängig von
der Frage, ob sich ein solcher bei dem abstrakten
Gefährdungsdelikt überhaupt ausmachen lässt
- abweichend von § 9 Abs. 1 3. Alt. StGB zur
Begründung der innerstaatlichen Strafgewalt nicht herangezogen
werden kann (aA Krauß aaO Rdn. 19 b ff.).
Eine Tätigkeit im Sinne von § 129 b Abs. 1 Satz 1,
§ 129 a Abs. 1 bis 5 StGB hat der Beschuldigte im
räumlichen Geltungsbereich des Strafgesetzbuches nach den
bisherigen Erkenntnissen jedoch nicht entfaltet. (wird
ausgeführt)
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bb) Ein Inlandsbezug kann auch nicht aus der dritten Fallgruppe des
§ 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB hergeleitet werden.
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Nach dem Bericht des Rechtsausschusses (BTDrucks. 14/8893 S. 9) wollte
der Gesetzgeber mit dieser Rechtsanwendungsregel die Beteiligung an
Vereinigungen erfassen, die Anschläge gegen deutsche
Staatsangehörige oder gegen Ausländer im Inland
begangen und dadurch deutsche Interessen im be-
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sonderen Maße beeinträchtigt haben (ebenso
Krauß aaO Rdn. 23; Miebach/Schäfer aaO Rdn. 20;
Altvater aaO S. 181). Der Begriff des Opfers bezieht sich danach nicht
auf die Organisationstat, sondern auf die von der Vereinigung begangene
Ausführungstat. Eine mitgliedschaftliche Betätigung
oder Unterstützung einer Vereinigung im nicht der
Europäischen Union zugehörigen Ausland, die noch
keine konkrete Ausführungstat zum Nachteil eines deutschen
Staatsangehörigen begangen hat, wird von der dritten
Fallgruppe des § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB daher nicht erfasst
(Krauß aaO).
Anhaltspunkte dafür, dass durch eine terroristische Aktion der
"Y"-Vereinigung deutsche Staatsbürger zu Schaden gekommen
sind, ergeben die bisherigen Ermittlungen indes nicht.
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4. Da auch anderweitige Ansätze für die Anwendbarkeit
deutschen Strafrechts nicht ersichtlich sind (§ 89 b StGB
scheidet aus den dargelegten Gründen nach § 89 b Abs.
3 Satz 2 StGB aus und ist im Übrigen ohnehin keine Katalogtat
nach § 100 a Abs. 2 StGB), kommt die Anordnung der vom
Generalbundesanwalt beantragten verdeckten
Ermittlungsmaßnahmen nicht in Betracht.
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Becker Sost-Scheible Mayer |