BGH,
Beschl. v. 15.1.2002 - 4 StR 499/01
StGB §§ 244 Abs. 1 Nr. 2, 244 a Abs. 1
Mitglied einer Bande kann auch derjenige sein, dem nach der
Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung
als Gehilfentätigkeit darstellen (im Anschluß an
BGHSt - GS - 46, 321).
BGH, Beschluß vom 15. Januar 2002 - 4 StR 499/01 - LG
Karlsruhe
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 499/01
vom
15. Januar 2002
in der Strafsache gegen
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 15. Januar 2002 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Karlsruhe vom 16. Juli 2001 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten u.a. wegen vielfachen schweren
Bandendiebstahls unter Einbeziehung einer durch ein früheres
Urteil wegen Raubes rechtskräftig verhängten
Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und
sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit
seiner Revision, mit der er allgemein die Verletzung sachlichen Rechts
rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der
Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und zum Rechtsfolgenausspruch
keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben.
Näherer Erörterung bedarf lediglich die Verurteilung
des Angeklagten wegen Diebstahls "als Mitglied einer Bande" nach
§ 244 a Abs. 1 i.V.m. § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB.
Zu dem den Bandendelikten zugrundeliegenden Tatplan hat das Landgericht
folgende Feststellungen getroffen:
"Der Angeklagte T. plante ..., nach Deutschland zu fahren, ..., dort
Fahrzeuge für den ´Eigengebrauch´ zu
entwenden, in Wohnungen einzubrechen, die Beute im wesentlichen nach
Rumänien zu schicken und sie dort gewinnbringend zu verkaufen.
Er wollte jedoch die geplanten Diebestouren nicht allein unternehmen.
Er vereinbarte deshalb in Alba lulia mit dem gesondert verfolgten Romeo
A. ..., daß (dieser) mit nach Deutschland fährt und
mit ihm gemeinsam Einbrüche und Autodiebstähle
begeht, wobei A. , dem er ein festes Entgelt in Höhe von
1.500,-DM im Monat versprach, vor allem die Aufgabe zukommen sollte,
´Schmiere´ zu stehen.
Mit der Angeklagten B. vereinbarte der Angeklagte T. , daß
diese mit Hilfe ihrer Deutschkenntnisse und ihres legalen
Aufenthaltsstatus in Deutschland die Unterkunft für T. und A.
besorgen, lohnende Einbruchsgegenden ausfindig machen und die beiden
Männer erforderlichenfalls per Mobiltelefon zu den Tatobjekten
und zurück leiten sollte. Außerdem sollte sie
helfen, die jeweilige Tatbeute im Hotelzimmer zu sortieren, zu
verpacken und - unter Angabe ihres Namens und ihrer Anschrift als
Absender - nach Rumänien ... zu versenden.
... Der Angeklagte T. , die Angeklagte B. und A. ... waren sich einig
darüber, daß vom Erlös der Diebesbeute
vorab die Kosten für die Unterkunft in den Hotels,
für den Lebensunterhalt, für Kleidung und
ähnliches in Deutschland bestritten werden sollte".
In Ausführung dieses Plans kam es zu zahlreichen
Diebstahlstaten, an deren unmittelbarer Tatausführung jeweils
nur der Beschwerdeführer und der gesondert verfolgte A. "als
Mittäter ..., § 25 Abs. 2 StGB, des schweren
Bandendiebstahls" beteiligt waren. Die frühere Mitangeklagte
B. , die keine Revision eingelegt hat, hat das Landgericht in den sie
betreffenden Fällen jeweils lediglich wegen Beihilfe zum
schweren Bandendiebstahl verurteilt.
2. Das Landgericht nimmt zu Recht das Vorliegen einer Bande im Sinne
des § 244 a Abs. 1 i.V.m. § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB an.
Hierfür ist nach der Entscheidung des Großen Senats
für Strafsachen des Bundesgerichtshofes vom 22. März
2001 - GSSt 1/00 - (NJW 2001, 2266, zum Abdruck in BGHSt 46, 321
bestimmt, m.krit.Bspr. Erb NStZ 2001, 561) der Zusammenschluß
von mindestens drei Personen erforderlich, die sich mit dem Willen
verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer
mehrere selbständige, im einzelnen noch ungewisse Straftaten
der im Gesetz genannten Art zu begehen.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Soweit nach den vom Landgericht
bislang getroffenen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden kann,
daß sich aufgrund der Bandenabrede der Beitrag der
Mitangeklagten B. innerhalb der kriminellen Betätigung der
Gruppe von vornherein nur auf eine Gehilfentätigkeit
beschränken sollte, steht dies der Annahme einer "Dreierbande"
nicht entgegen. Auch dann, wenn die Mitangeklagte B. lediglich eine
Gehilfenfunktion ausüben sollte, wäre sie in den auf
Dauer angelegten deliktischen Zusammenschluß als deren
Mitglied eingebunden gewesen.
3. In der Rechtsprechung ist bislang die Frage, ob Bandenmitglied auch
derjenige sein kann, der im Rahmen des Zusammenschlusses nur
Gehilfenfunktion ausüben soll, nicht entschieden; auch der
Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofes
(aaO) hat sich hierzu nicht geäußert. Die Frage ist
in dem hier entschiedenen Sinn zu beantworten.
a) Ob jemand Mitglied einer Bande ist, bestimmt sich allein nach der
deliktischen Vereinbarung, der sogenannten Bandenabrede. Die
Begründung der Mitgliedschaft folgt nicht aus der Bandentat,
sondern geht dieser regelmäßig voraus. Beides -
Mitgliedschaft in der Bande einerseits und
bandenmäßige Begehung andererseits - ist auch
begrifflich voneinander zu trennen. Dies findet seinen Niederschlag
darin, daß die Rechtsprechung das Tatbestandsmerkmal "als
Mitglied einer Bande" - im Unterschied zum tatbezogenen
Mitwirkungserfordernis - als ein besonderes persönliches
Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB betrachtet (BGHSt - GS -
12, 220, 226; BGH - Anfragebeschluß des 3. Strafsenats - NStZ
2000, 255, 257, m.zust.Anm. Hohmann; ebenso BTDrucks. IV/650 - E 1962 -
S. 407; Ruß in LK-StGB 11. Aufl. § 244 Rdn. 13;
Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 28 Rdn. 9; zw.
Lackner/Kühl StGB 24. Aufl. § 244 Rdn. 7).
Die Bandenabrede begründet die erhöhte abstrakte
Gefährlichkeit der Bande, denn sie stellt die enge Bindung
sicher, die die Mitglieder für die Zukunft und für
eine gewisse Dauer eingehen und die einen ständigen Anreiz zur
Fortsetzung der kriminellen Tätigkeit bildet (BGH - GSSt - aaO
Beschlußabdruck <BA> S. 19 unter Hinweis auf
BGHSt 23, 239, 240). Diese der Bande innewohnende erhöhte
"Ausführungsgefahr" (BGH - Vorlagebeschluß des 4.
Strafsenats - NStZ 2001, 35, 36 m.krit.Anm. Engländer JR 2001,
78 f. u. Bspr. Sya NJW 2001, 343 f.) besteht unabhängig davon,
ob dem einzelnen Mitglied bei der Verwirklichung des durch die
Bandenabrede bestimmten deliktischen Zwecks eine
"täterschaftliche" Beteiligung zufällt. Denn sofern
die in Aussicht genommenen Tatbeiträge des Einzelnen nicht
gänzlich untergeordneter Natur sind, ist auch die Zusage
künftiger dauerhafter Gehilfentätigkeit - nicht
anders als die Zusage täterschaftlicher Tatbeiträge -
in erheblicher Weise geeignet, die erhöhte
Gefährlichkeit des Zusammenschlusses von Straftätern
hervorzurufen.
Ein begründeter Einwand gegen die hier vertretene Auffassung
läßt sich auch nicht aus den Voraussetzungen der
Strafbarkeit der Verabredung zu einem Verbrechen nach § 30
Abs. 2 StGB (zu diesem Gesichtspunkt im Zusammenhang mit der Bande
Schild GA 1982, 55, 78 f; ebenso schon zum früheren Recht
Goltdammer Materialien zum Strafgesetzbuch für die
Preußischen Staaten, 1851, Teil I S. 332 f, Teil II S. 486,
zitiert in RGSt 66, 236, 241) herleiten. Zwar ist nach in
Rechtsprechung und Literatur herrschender Ansicht die Anwendung des
§ 30 Abs. 2 StGB davon abhängig, daß der in
Aussicht genommene Tatbeitrag täterschaftliche
Qualität erreichen soll (BGH NStZ 1993, 137 f.; BGH, Urteil
vom 31. Oktober 2001 - 2 StR 315/01; Lackner/Kühl aaO
§ 30 Rdn. 6). Doch findet diese Einschränkung ihre
Rechtfertigung schon darin, daß § 30 Abs. 2 StGB die
Verabredung zu einem bestimmten geplanten Verbrechen als solche unter
Strafe stellt, weil diese Beteiligung im Vorbereitungsstadium ein
konkretes geschütztes Rechtsgut in Gefahr bringt.
Demgegenüber ist die auf die Begehung von im einzelnen noch
unbestimmten Straftaten ausgerichteten Bandenabrede als solche nicht
strafbewehrt. Eine dem § 30 Abs. 2 StGB vergleichbare
restriktive Auslegung des Begriffs der Mitgliedschaft in der Bande ist
von daher nicht veranlaßt.
b) Soweit in der bisherigen Rechtsprechung der Gegensatz zwischen
(bloßer) Mittäterschaft und
bandenmäßiger Begehung herausgestellt wird (vgl. BGH
- GSSt - aaO BA S. 8, 12), ist dies nicht dahin zu verstehen,
daß als Bandenmitglied nur derjenige anzusehen ist, der
innerhalb der Gruppe eine bezogen auf die in Aussicht genommenen
Straftaten mindestens (mit-)täterschaftliche Stellung haben
soll; vielmehr soll damit allein das für die Bande
kennzeichnende Element der auf eine gewisse Dauer angelegten Verbindung
mehrerer Personen zu künftiger gemeinsamer Begehung von im
einzelnen noch unbestimmten Straftaten betont werden, was sie von der
Mittäterschaft unterscheidet (vgl. BGH - GSSt - aaO BA S. 12).
Die Mitgliedschaft in einer Bande ist - wie sich aus den vorstehenden
Ausführungen zu a) ergibt - keine intensivere Form der
Mittäterschaft; sie ist ihr gegenüber vielmehr ein
aliud.
c) Die Beteiligungsformen der §§ 25 ff. StGB bieten
insgesamt keine geeigneten Maßstäbe für den
Bandenbegriff. Im Einklang mit der hier zur Bandenabrede vertretenen
Auffassung hat der Große Senat für Strafsachen
für die - wie dargelegt - von der "Verbrechensverabredung"
(BGH - GSSt - aaO BA S. 17) zu trennende
bandenmäßige Begehung entschieden, daß die
besondere Gefährlichkeit des Bandendiebstahls und damit der
Grund für seine höhere Strafwürdigkeit von
der Form der Beteiligung der an der jeweiligen Bandentat Mitwirkenden
unabhängig ist. Das Mitwirkungserfordernis in den
Straftatbeständen, die - wie Bandendiebstahl in den
§§ 244 Abs. 1 Nr. 2, 244a Abs. 1 StGB - die Begehung
der Bandentat "unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds"
voraussetzen, ist danach schon immer dann erfüllt, "wenn ein
Bandenmitglied mit einem anderen Bandenmitglied in irgendeiner Weise,
etwa als Gehilfe, zusammenwirkt" (BGH - GSSt - aaO BA S. 21; im selben
Sinne schon BTDrucks. IV/650 - E 1962 - aaO; ebenso Ruß in LK
aaO).
Findet das spezifische Gefährlichkeitspotential der Bande aber
auch in einem solchen Zusammenwirken von Täter und Gehilfen
seinen Niederschlag, so spricht nichts dafür, an die
Mitgliedschaft selbst in bezug auf die bei den Bandentaten in Aussicht
genommene Beteiligungsform erhöhte Anforderungen zu stellen
und diejenigen Personen von der Qualifizierung "als Mitglied"
auszunehmen, die zwar auf Dauer in die deliktische Gruppierung
eingebunden sind, deren Beitrag sich aber in wertender Betrachtung nur
als Gehilfentätigkeit darstellt (a.A. Schmitz NStZ 2000, 477,
478). Die Annahme einer Bande ist gerade nicht davon abhängig,
daß deren Mitglieder gleichrangig in die Bandenstruktur
eingegliedert sind. Vielmehr zeichnet sich die Bande typischerweise
durch eine hierarchische Struktur aus, in der ganz im Sinne der
Arbeitsteilung neben dem das Geschehen beherrschenden "Bandenchef"
andere Mitglieder ihre jeweiligen Tatbeiträge erbringen, die
deshalb aber in gleicher Weise zum Zusammenhalt der Bande und zur
Verwirklichung des Bandenzwecks beitragen.
4. Die Einbeziehung von in die Bande organisatorisch und auf Dauer
eingebundenen Gehilfen als deren Mitglieder trägt zugleich dem
Anliegen des Großen Senats für Strafsachen Rechnung,
die praktische Rechtsanwendung für die Tatgerichte zu
erleichtern. Der Große Senat hat die Erhöhung der
Mindestmitgliederzahl von früher zwei auf drei Personen als
einfaches und erfolgversprechendes Mittel vorgenommen, "um die
Abgrenzung der wiederholten gemeinschaftlichen Tatbegehung durch
Personen, die nur Mittäter sind, von derjenigen der
bandenmäßigen Begehung zu vereinfachen" (BGH - GSSt
- aaO BA S. 11). Die nach der früheren Rechtsprechung
für die Bandendelikte konstitutiven Merkmale eines
"gefestigten Bandenwillens" und eines "Tätigwerdens im
übergeordneten Bandeninteresse" hat er als inhaltlich zu
unbestimmt und nur unpräzise faßbar (dazu der
Anfragebeschluß des 4. Strafsenats des BGH NStZ 2000, 474,
475 f. m.Anm. Schmitz = JZ 2000, 628, 629 m.Anm. Engländer)
aufgegeben. Wäre die Mitgliedschaft in der Bande von einer
"mittäterschaftlichen" Einbindung abhängig,
würde dies die angestrebte Rechtsklarheit erneut
gefährden. Ob die Einbindung in die Bande ein
Näheverhältnis zu den in Aussicht genommenen
eigentlichen Tathandlungen hat, das die Qualifizierung als
"täterschaftlich" rechtfertigt, wird sich schon deshalb nur
schwer beurteilen lassen, weil oftmals im Zeitpunkt der deliktischen
Vereinbarung noch gar nicht feststeht, welcher Art die später
bei den konkreten Taten im einzelnen zu erbringenden arbeitsteiligen
Tatbeiträge sein werden. Zudem muß die Bandenabrede
nicht ausdrücklich getroffen werden; vielmehr genügt
jede Form auch stillschweigender Vereinbarung (BGH -
Vorlagebeschluß des 4. Strafsenats - NStZ 2001 aaO S. 37;
Lackner/Kühl aaO § 244 Rdn. 6; Eser in
Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 244 Rdn.
23 jeweils m.w.N.). Häufig wird deshalb die Feststellung einer
entsprechenden Bandenabrede überhaupt nur aus dem konkret
feststellbaren wiederholten deliktischen Zusammenwirken mehrerer
Personen herzuleiten sein. Unter diesen Umständen
könnte die eine "mittäterschaftliche" Mitgliedschaft
begründende Bandenabrede nur schwerlich nachgewiesen werden,
wenn die objektiven Tatbeiträge einzelner als Mitglieder der
Gruppierung in Betracht kommender Personen bei den
Ausführungshandlungen - zumal in Anwendung des
Zweifelsgrundsatzes (vgl. BGHSt 32, 48, 56 f.) - jeweils nur als
Gehilfentätigkeit zu werten wären. Es liegt auf der
Hand, daß hierdurch die Beteiligung derjenigen innerhalb der
kriminellen Gruppe, die bei der eigentlichen Tatausführung im
Hintergrund bleiben (sollen), in ihrem Unrechtsgehalt nur unzureichend
erfaßt würde.
5. Danach hat das Landgericht die frühere Mitangeklagte B. im
Ergebnis zu Recht als Bandenmitglied angesehen und hat es deshalb den
Beschwerdeführer in den betreffenden Fällen jeweils
zutreffend des schweren Bandendiebstahls für schuldig
befunden. Nach den zur Bandenabrede getroffenen Feststellungen ist
nicht zweifelhaft, daß der früheren Mitangeklagten
B. für die Verwirklichung des Bandenzwecks wesentliche
Aufgaben zufielen und sie in die aus dem Angeklagten, A. und ihr
bestehende "Dreier-Bande" dauerhaft eingebunden war. Weiter gehender
Feststellungen dahingehend, ob der von ihr zu erbringende Tatbeitrag
innerhalb der Bandenabrede die Annahme "täterschaftlicher"
Beteiligung trägt, bedurfte es danach nicht. Somit hat es bei
dem angefochtenen Urteil sein Bewenden.
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