BGH,
Beschl. v. 15.3.2005 - 5 StR 592/04
5 StR 592/04
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
15.03.2005
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15.03.2005
beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Hamburg vom 9. August 2004 wird nach § 349 Abs. 2
StPO verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahingehend
berichtigt, daß der Angeklagte wegen Beihilfe zur
Steuerhinterziehung
in zwei Fällen verurteilt ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Beihilfe zum
Schmuggel“
in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr
und drei
Monaten verurteilt sowie deren Vollstreckung zur Bewährung
ausgesetzt. Die
Revision des Angeklagten hat im Ergebnis keinen Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte
geschäftsführender
Gesellschafter einer GmbH, welche in der Nähe des Hamburger
Freihafengeländes unter anderem Lagerfläche
für Container vermietete.
Gegen das Versprechen, jeweils in etwa das Doppelte des
gewöhnlich
erzielbaren Entgeltes zu erhalten, beteiligte sich der Angeklagte im
Auftrag
von Mitgliedern einer Schmuggelbande in zwei Fällen an der
Abwicklung des
Transports jeweils eines Containers aus dem Freihafen auf das
Gelände der
GmbH. In den Containern befanden sich unversteuerte und unverzollte
Zigaretten,
die aus dem Freihafen herausgeschmuggelt worden waren. Insge-
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samt verursachten die Täter einen Steuerschaden von rund zwei
Millionen
Euro.
Das Landgericht hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht,
daß
der Angeklagte vom tatsächlichen Inhalt der Container positive
Kenntnis hatte.
Der Angeklagte habe aber „von vornherein mit der
Möglichkeit (gerechnet),
daß sich in den Containern Zigaretten befanden“. Er
habe dies - so die
Urteilsfeststellungen - „geahnt“. Eine
Bandenmitgliedschaft des Angeklagten
hat der Tatrichter ausdrücklich verneint. Feststellungen zu
einem gewerbsmäßigen
Handeln des Angeklagten oder zu weiteren - über seine
gewöhnliche
Geschäftstätigkeit hinausgehenden -
Tatbeiträgen hat das Landgericht
nicht getroffen.
Rechtlich seien die Handlungen des Angeklagten als „Beihilfe
zum
Grundtatbestand des Schmuggels“ zu werten. Der Tatrichter hat
die Strafen
daher jeweils dem nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs.
1 StGB gemilderten
Strafrahmen des § 373 Abs. 1 AO entnommen und dabei einen
Strafrahmen
von drei Monaten bis zu drei Jahre neun Monate zugrunde gelegt. Im
Rahmen
der konkreten Strafzumessung hat das Landgericht „den
bestreitenden
Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung keine ausschlaggebende
Bedeutung für die Strafhöhe zugemessen“ und
auf Einzelstrafen von jeweils
zehn Monaten erkannt.
II.
Das Rechtsmittel des Angeklagten führt lediglich zur
Änderung des
Schuldspruchs. Im übrigen ist die Revision
unbegründet im Sinne von
§ 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch wegen „Beihilfe zum Grundtatbestand des
Schmuggels“ ist rechtsfehlerhaft. Bei § 373 AO
handelt es sich um eine unselbständige
tatbestandliche Abwandlung des § 370 AO, so daß es
einen
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„Grundtatbestand des Schmuggels“ schon begrifflich
nicht gibt. Die strafschärfenden
Merkmale der Gewerbsmäßigkeit und
Bandenzugehörigkeit in
§ 373 AO stellen besondere persönliche Merkmale im
Sinne des § 28 Abs. 2
StGB dar (BGH wistra 1987, 30). Mithin kommt § 373 AO nur dann
zur Anwendung,
wenn der Täter oder Teilnehmer die besonderen
persönlichen
Merkmale in seiner Person verwirklicht. Da das Landgericht eine
Bandenzugehörigkeit
des Angeklagten ausdrücklich verneint und ein
gewerbsmäßiges
Handeln nicht festgestellt hat, stellt der Senat den Schuldspruch auf
Beihilfe
zur Steuerhinterziehung um. Da der Angeklagte sich nicht anders als
geschehen
hätte verteidigen können, steht § 265 StPO
dem nicht entgegen.
2. Die Berechnung der hinterzogenen Einfuhrabgaben, die das Landgericht
in einer dem Urteil beigefügten, nicht unterschriebenen Anlage
mitgeteilt
hat, begegnet unter mehreren Gesichtspunkten erheblichen Bedenken:
Zum einen können durch diese Verfahrensweise Zweifel am von
den richterlichen
Unterschriften gedeckten Urteilsinhalt entstehen (vgl. BGHR StPO
§ 267 Abs. 1 Satz 1 Bezugnahme 1), zum anderen liegt nahe,
daß der Tatrichter
seiner Aufgabe zur umfassenden Feststellung und Prüfung der
Besteuerungsgrundlagen
(vgl. BGHR AO § 370 Abs. 1 Berechnungsdarstellung
5 m.w.N.) nicht gerecht geworden sein könnte. Vorliegend ist
jedoch
durch die Bezugnahme im Urteil auf die Tabellen im Anhang gerade noch
eine ausreichende Verklammerung zwischen Urteilsurkunde und
Anhängen
hergestellt; auch hat der Angeklagte keine Einwendungen gegen die
steuerlichen
Berechnungen erhoben. Der Senat sieht daher trotz der aufgezeigten
Bedenken von einer Aufhebung ab.
3. Auch die Feststellungen zur inneren Tatseite halten gerade noch
sachlich-rechtlicher Prüfung stand. Bei berufstypisch
neutralen Handlungen
läßt es der Bundesgerichtshof für den
Beihilfevorsatz allerdings nicht ausreichen,
daß der Hilfeleistende lediglich die Möglichkeit
eines strafbaren Handelns
durch den Haupttäter erkennt. Vielmehr muß
hinzukommen, daß das
von dem Hilfeleistenden erkannte Risiko strafbaren Tuns des von ihm
Unter-
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stützten derart hoch ist, daß er sich die
Förderung eines erkennbar tatgeneigten
Täters angelegen sein läßt (BGHSt 46, 107,
112 m.w.N.). Der Senat
entnimmt dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, namentlich
auch
der ungewöhnlichen Höhe des jeweils versprochenen
Entgelts, daß diese
Voraussetzungen hier gegeben sind.
4. Der Strafausspruch ist ebenfalls nicht frei von Rechtsfehlern.
Bereits der vom Landgericht herangezogene Strafrahmen ist fehlerhaft
bestimmt worden. Die nach §§ 27 Abs. 2, 49 Abs. 1
StGB vorgenommene
Milderung des § 373 Abs. 1 AO führt zu einer
Mindeststrafe von einem Monat
(§ 49 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 38 Abs. 2 StGB), nicht zu
der vom Landgericht
angenommenen Mindeststrafe von drei Monaten.
Darüber hinaus hätte das Landgericht den Angaben des
bestreitenden
Angeklagten im Rahmen der konkreten Strafzumessung nicht nur keine
„ausschlaggebende Bedeutung“, sondern
überhaupt keine strafschärfende
Bedeutung beimessen dürfen. Zulässiges
Verteidigungsverhalten ist grundsätzlich
nicht geeignet, das Maß der individuellen Schuld zu vertiefen
(Tröndle/
Fischer, StGB 52. Aufl. § 46 Rdn. 50 ff. m.w.N.). Ein Fall, in
dem das Verteidigungsverhalten
ausnahmsweise als Ausdruck einer rechtsfeindlichen
Gesinnung strafschärfend berücksichtigt werden kann
(vgl. Tröndle/Fischer
aaO), liegt nach den Feststellungen des Landgerichts ersichtlich nicht
vor.
Der Senat sieht gleichwohl von der Aufhebung des Ausspruchs
über
die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe ab, weil die verhängte
Rechtsfolge
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angesichts der Höhe des von den Tätern verursachten
Steuerschadens aus
Rechtsgründen nicht noch geringer hätte ausfallen
können.
Harms Häger Gerhardt
Brause Schaal |