BGH,
Beschl. v. 17.12.2002 - 4 StR 480/02
4 StR 480/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
17. Dezember 2002
in der Strafsache gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 17.
Dezember 2002 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Münster vom 15. Juli 2002, soweit es ihn betrifft, im
Maßregelausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. Der
Ausspruch entfällt.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer
Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ferner hat es ihm die
Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und
bestimmt, daß ihm vor Ablauf von zwei Jahren keine neue
Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Außerdem hat es 1.500 EUR
für verfallen erklärt. Die vom Angeklagten eingelegte
Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts
rügt, hat mit der Sachbeschwerde zum
Maßregelausspruch Erfolg. Im übrigen ist sie
entsprechend der Antragsschrift des Generalbundesanwalts
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis hat
keinen Bestand. Das Landgericht hat die Annahme, der Angeklagte sei zum
Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, damit
begründet, er habe die Tat unter Verwendung eines
Kraftfahrzeugs begangen. Nach den dieser Erwägung
zugrundeliegenden Feststellungen brachte der Angeklagte die
Drogenkurierin mit seinem Pkw zum Flughafen in Düsseldorf und
holte sie, nachdem sie in Curacao im Auftrag des Angeklagten ein
Kilogramm Kokain, das (u.a. in Deutschland) gewinnbringend
weiterverkauft werden sollte, erworben hatte, am Flughafen in Amsterdam
wieder ab. Anschließend fuhr er mit einem Pkw gemeinsam mit
der Kurierin, die das Betäubungsmittel in ihrer
Unterwäsche versteckt hatte, vom Flughafen zu einer Wohnung in
Amsterdam, wo die Kurierin dem Angeklagten und einer weiteren Person
das Kokain aushändigte. Der dem Angeklagten zustehende Teil
des Rauschgifts wurde später von einem unbekannten
Tatbeteiligten von den Niederlanden in die Bundesrepublik Deutschland
eingeführt. Diese Feststellungen tragen die
Maßregelentscheidung nicht.
Zwar hat der Angeklagte das Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Zusammenhang mit
dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangen. Anders als bei der
Begehung der in § 69 Abs. 2 StGB aufgeführten
rechtswidrigen Taten begründet jedoch allein der Umstand,
daß der Täter ein Kraftfahrzeug zur Begehung von
Straftaten benutzt hat, nicht bereits eine Regelvermutung für
seine charakterliche Unzuverlässigkeit zum Führen von
Kraftfahrzeugen. Die Rechtsprechung verlangt deshalb in diesen
Fällen regelmäßig eine nähere
Begründung der Entscheidung aufgrund einer umfassenden
Gesamtwürdigung (st. Rspr.; BGHR StGB § 69 Abs. 1
Entziehung 5 und 8; Senatsbeschlüsse vom 22. Oktober 2002 - 4
StR 339/02; vom 5. November 2002 - 4 StR 406/02 und vom 3. Dezember
2002 - 4 StR 458/02).
Die Rechtsfrage, ob überhaupt unter Benutzung von
Kraftfahrzeugen begangene Anlaßtaten die Entziehung der
Fahrerlaubnis rechtfertigen sollen, die keinerlei spezifische
Verkehrssicherheitsinteressen berühren (vgl. dazu
Senatsbeschluß vom 5. November 2002 - 4 StR 406/02 m.N.),
muß auch in diesem Fall nicht entschieden werden. Selbst wenn
man mit der bisherigen Rechtsprechung davon ausgeht, daß
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, zumal in
größerer Menge, in aller Regel eine erhebliche
charakterliche Unzuverlässigkeit belegt, die auch die
Ungeeignetheit des Täters zum Führen eines
Kraftfahrzeugs ergibt, wenn dieser im Rahmen des Tatgeschehens ein
Kraftfahrzeug geführt hat (BGHR StGB § 69 Abs. 1
Entziehung 3 und 10; BGH NStZ 2000, 26), so tragen die Feststellungen
und die Würdigung, mit der das Landgericht die Annahme der
Ungeeignetheit im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB
begründet hat, die Maßregelanordnung nicht. Zwar hat
der Angeklagte den Verbrechenstatbestand des § 29 a Abs. 1 Nr.
2 BtMG erfüllt. Die Benutzung des Fahrzeugs spielte jedoch
für das dem Angeklagten angelastete Handeltreiben eine
völlig untergeordnete Rolle (vgl. Senatsbeschluß vom
3. Dezember 2002 - 4 StR 458/02). Das bloße Verbringen der
Drogenkurierin mit dem Pkw zum Flughafen ist für sich genommen
schon nicht geeignet, eine charakterliche Unzuverlässigkeit
des Angeklagten zum Führen eines Kraftfahrzeugs zu belegen.
Aber auch bei dem kurzen, lediglich innerstädtischen Transport
des Rauschgifts kam unter den hier gegebenen Umständen der
Benutzung des Fahrzeugs für das Handeltreiben keine
maßgebende Bedeutung zu. Einen Erfahrungssatz, daß
jeder Täter, der, wie der Angeklagte,
Betäubungsmittel in seinem Kraftfahrzeug transportiert,
deshalb zu besonders riskanter Fahrweise entschlossen ist, um sich im
Zweifel auch um den Preis der Gefährdung anderer durch Flucht
seiner Feststellung zu entziehen, gibt es in dieser Allgemeinheit nicht
(Senatsbeschluß vom 5. November 2002 - 4 StR 406/02). Soweit
die Strafkammer für die Prognosebeurteilung darauf abstellt,
aufgrund der Kontakte des Angeklagten zu Drogendealern im In- und
Ausland bestehe "die Befürchtung", daß er auch
künftig Betäubungsmitteldelikte unter Verwendung
seines Fahrzeugs begehen werde, stellt dies angesichts dessen,
daß der Angeklagte weder vorbestraft noch
drogenabhängig ist, lediglich eine Vermutung dar.
Der Senat schließt aus, daß sich aufgrund neuer
Hauptverhandlung noch Umstände ergeben können, die
eine Ungeeignetheitsprognose im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB
rechtfertigen und deshalb den Maßregelausspruch tragen
könnten. Dieser entfällt daher.
Der geringfügige Teilerfolg des Rechtsmittels gibt keinen
Anlaß, den Angeklagten teilweise von den Kosten seines
Rechtsmittels freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Tepperwien Kuckein Athing Solin-Stojanovic Sost-Scheible |