BGH,
Beschl. v. 17.2.2009 - 1 StR 691/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 691/08
vom
17. Februar 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
StPO § 168c Abs. 1, Abs. 5 Satz 1
Der Verstoß gegen die Benachrichtigungspflicht aus §
168c Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 StPO führt nicht zu einem
Verwertungsverbot hinsichtlich eines Mitbeschuldigten.
BGH, Beschl. vom 17. Februar 2009 - 1 StR 691/08 - LG
Nürnberg-Fürth
in der Strafsache
gegen
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wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Februar 2009
beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
NürnbergFürth vom 26. Mai 2008 wird als
unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils
auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen den Angeklagten
beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 33
Fällen, davon in 22 Fällen in Tateinheit mit
unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge, wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit
mit Körperverletzung sowie wegen Nötigung in
Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
in Höhe von elf Jahren verurteilt. Zudem hat es gegen ihn den
Verfall von Wertersatz in Höhe von 100.000 Euro angeordnet.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung
formellen und sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel ist aus den
Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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Der Erörterung bedarf lediglich die Verfahrensrüge,
mit der die Revision eine zum Nachteil des Angeklagten vorgenommene
Verwertung der Zeugenaussage des Ermittlungsrichters beim Amtsgericht
Nürnberg S. über eine ermittlungsrichterliche
Vernehmung des Mitangeklagten H. als unzulässig beanstandet.
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1. Die Revision trägt hierzu folgenden Verfahrensablauf vor:
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Der nicht revidierende Mitangeklagte H. (im Folgenden: der
Mitangeklagte) sei am 7. Februar 2007 anlässlich eines
Rauschgifttransports von Holland nach Deutschland auf der Autobahn
Frankfurt-Würzburg von der Polizei kontrolliert und
vorläufig festgenommen worden. Am 8. Februar 2007 sei er dem
Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Aschaffenburg vorgeführt
worden. Nach einer Belehrung gemäß § 136
StPO und § 163 StPO habe der Mitangeklagte Angaben zu seiner
Person gemacht und die Hinzuziehung eines Verteidigers gefordert. Erst
nach dessen Erscheinen habe der Mitangeklagte Angaben zur Sache
gemacht. Mit Beschluss vom selben Tag habe das Amtsgericht den
erschienen Verteidiger zum Pflichtverteidiger bestellt; zudem sei der
gegen den Mitangeklagten ergangene Haftbefehl gegen Auflagen
außer Vollzug gesetzt worden. In der Folgezeit habe die
Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth das Strafverfahren
übernommen. Auf deren Antrag hin sei am 5. Juni 2007 durch das
Amtsgericht Nürnberg gegen den Mitangeklagten ein neuer
Haftbefehl erlassen worden. Am 27. Juni 2007 sei der Mitangeklagte
wieder festgenommen und am Folgetag dem Ermittlungsrichter des
Amtsgerichts Nürnberg S. vorgeführt worden. Dort sei
er erneut belehrt worden, insbesondere auch über sein Recht,
einen Verteidiger zu konsultieren. Anschließend habe der
Mitangeklagte ein Geständnis abgelegt, mit dem er den
Angeklagten erheblich belastet habe. Der damalige Pflichtverteidiger
des Mitangeklagten sei bei dieser Ver
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nehmung nicht anwesend gewesen, weil er entgegen § 168c Abs. 5
Satz 1 StPO nicht von dem Vernehmungstermin benachrichtigt worden sei.
Am ersten Hauptverhandlungstag hätten sich der Angeklagte und
der Mitangeklagte nicht zur Sache geäußert. Deshalb
habe die Strafkammer den Ermittlungsrichter beim Amtsgericht
Nürnberg S. zu den Angaben des Mitangeklagten bei dessen
Vernehmung vom 28. Juni 2007 vernommen. Gegen die Verwertung dieser
Aussage hätten die Verteidiger des Angeklagten und des
Mitangeklagten rechtzeitig Widerspruch erhoben.
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Am dritten Hauptverhandlungstag habe sich der Mitangeklagte
geständig zur Sache eingelassen. Sodann habe der Angeklagte
auf seine - von denen des Mitangeklagten abweichenden - Angaben bei der
Polizei Bezug genommen und erklärt, diese seien richtig
gewesen. Die Widersprüche gegen die Verwertung der Aussage des
Ermittlungsrichters seien nicht zurückgenommen worden.
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Die Strafkammer sei der Einlassung des Angeklagten nicht gefolgt. Sie
habe ihren Feststellungen vielmehr das Geständnis des
Mitangeklagten zugrunde gelegt. Dabei habe sie ihre
Überzeugung von der Glaubhaftigkeit des Geständnisses
des Mitangeklagten, die sie unter anderem aus der Aussagekonstanz
geschlossen habe, auf die Aussage des Ermittlungsrichters zu der
Vernehmung des Mitangeklagten anlässlich der
Haftbefehlseröffnung am 28. Juni 2007 gestützt,
wenngleich „nur ergänzend, nicht
entscheidend“.
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2. Die Revision ist der Auffassung, dass die Angaben des Zeugen S.
über die ermittlungsrichterliche Vernehmung des Mitangeklagten
vom Landgericht nicht hätten verwertet werden dürfen,
auch nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers, weil der
Verteidiger des Mitangeklagten entgegen § 168c
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Abs. 1, Abs. 5 StPO vom Vernehmungstermin nicht benachrichtigt worden
sei. Auf dieses Verwertungsverbot, auf dessen Nichtbeachtung das Urteil
beruhe, könne sich auch der Beschwerdeführer berufen.
3. Die Verfahrensrüge ist unbegründet, denn die
Verwertung der Aussage des Ermittlungsrichters zum Nachteil des
Beschwerdeführers begegnet bei dem von der Revision
vorgetragenen Sachverhalt keinen rechtlichen Bedenken.
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a) Die Revision weist zwar zu Recht darauf hin, dass
gemäß § 168c Abs. 5 Satz 1 StPO der
Verteidiger eines Beschuldigten vor der Vernehmung seines Mandanten von
einem Vernehmungstermin zu benachrichtigen ist; nach § 168c
Abs. 5 Satz 2 StPO unterbleibt die Benachrichtigung, wenn sie den
Untersuchungszweck gefährden würde. Ebenso trifft es
zu, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in den
Fällen, in denen diese Benachrichtigungspflicht verletzt
worden ist, zugunsten des vernommenen Beschuldigten ein
Verwertungsverbot angenommen worden ist, wenn er der Verwertung seiner
Vernehmung widersprochen hat (vgl. BGH NStZ 1989, 282, 283; NStZ 2003,
671; Griesbaum in KK 6. Aufl. § 168c StPO Rdn. 22 m.w.N.).
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Der Senat muss nicht entscheiden, ob in Fällen der
vorliegenden Art die unterbliebene Benachrichtigung des Verteidigers
stets einen so schwer wiegenden Verfahrensverstoß darstellt,
dass er die Annahme eines Beweisverwertungsverbots zur Folge haben
muss. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
besteht nämlich selbst bei einer unterbliebenen
Beschuldigtenbelehrung - und damit einem Verstoß gegen
§ 136 Abs. 1 Satz 2 StPO i.V.m. § 163a Abs. 4 Satz 2
StPO - ein Verwertungsverbot dann nicht, wenn dem Beschuldigten seine
Rechte bei Beginn seiner Vernehmung bekannt waren; denn in diesem Fall
ist er nicht in dem gleichen Maße schutzbedürftig wie
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ein Beschuldigter, der sein Schweigerecht nicht kannte (BGHSt 38, 214,
224). Im vorliegenden Fall könnte es an einer solchen
Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit des
Mitangeklagten fehlen. Ihm war nämlich bei seiner zweiten
richterlichen Vernehmung vor dem Amtsgericht Nürnberg
zweifelsfrei bekannt, dass er ein Recht auf Hinzuziehung eines
Verteidigers zur Vernehmung hatte. Über dieses Recht war er
nicht nur bei Vernehmungsbeginn belehrt worden, sondern kannte es
bereits aufgrund einer entsprechenden Belehrung vor seiner ersten
richterlichen Vernehmung beim Amtsgericht Aschaffenburg. Dort hatte er
sogar auf der Benachrichtigung eines Verteidigers bestanden und erst
Angaben zur Sache gemacht, als der Verteidiger erschienen war.
b) Selbst wenn zu Gunsten des Mitangeklagten ein Verwertungsverbot
bestanden hat, vermag dies der Revision des Angeklagten nicht zum
Erfolg zu verhelfen, denn ein solches Verwertungsverbot erstreckt sich
nicht auf Mitbeschuldigte.
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aa) Ob sich ein Angeklagter auf einen Verfahrensfehler, der lediglich
einen Mitangeklagten in eigenen Rechten verletzt hat, - hier den
Verstoß gegen die Benachrichtigungspflicht
gemäß § 168c Abs. 5 StPO - berufen kann,
wenn das Verfahren gegen beide Angeklagte gemeinsam geführt
wird und die verfahrensfehlerhaft erlangten Erkenntnisse auch zum
Nachteil des nicht durch den Verfahrensverstoß in seinen
Rechten verletzten Angeklagten verwertet werden sollen, ist allerdings
bislang in Rechtsprechung und Lehre umstritten.
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(1) Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob ein Verwertungsverbot auch
zugunsten von Mitbeschuldigten wirkt, entweder ausdrücklich
offen gelassen (BGHSt 38, 214, 228; 42, 15, 24) oder - jeweils nicht
tragend - verneint. Der 3. Strafsenat hat in einem Urteil vom 10.
August 1994, das die Verwertung von
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Angaben eines Mitangeklagten zum Gegenstand hatte, der in der Schweiz
vernommen und, weil es die dortige Rechtsordnung damals nicht vorsah,
nicht über seine Beschuldigtenrechte im Sinne des §
136 Abs. 1 Satz 2 StPO vernommen worden war, ausgeführt, dass
die Regelung über die Beschuldigtenbelehrung nach §
136 Abs. 1 Satz 2 StPO ausschließlich den Schutz des jeweils
betroffenen Beschuldigten bezwecke und nicht den Interessen von
Mitbeschuldigten diene. Deren Rechtskreis werde von einem gegen andere
Beschuldigte gerichteten Verstoß gegen die
Belehrungsvorschrift nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO
grundsätzlich nicht berührt. Insoweit
müssten die zu § 55 StPO entwickelten
Rechtsgrundsätze entsprechende Anwendung finden (BGHR StPO
§ 136 Belehrung 5). Der 2. Strafsenat hat diese Rechtsprechung
aufgegriffen und ausgeführt, dass selbst das Unterbleiben
einer Belehrung des einen Mitbeschuldigten die Verwertung seiner
Angaben gegen einen anderen Mitbeschuldigten nicht hindern
würde (BGH wistra 2000, 311, 313). Ebenso hat sich der 5.
Strafsenat in einem Beschluss vom 5. Februar 2002
geäußert und geurteilt, dass sich eine Angeklagte
nicht auf eine unzulängliche Belehrung einer Mitangeklagten
nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO berufen könne, da ihre
Rechte hiervon nicht berührt würden (BGHSt 47, 233,
234).
(2) Im Schrifttum wird dagegen zum Teil die Auffassung vertreten, dass
eine Wirkungserstreckung von Beweisverwertungsverboten dann anzunehmen
sei, wenn der verbotene Beweis in einem gemeinsamen Verfahren zugleich
gegen den unmittelbar Betroffenen und den Mitbeschuldigten verwertet
werden soll oder wenn dem Schutzzweck der Beweiserhebungsnorm nur dann
Genüge getan werden kann, wenn die Verwertung auch
für und gegen Dritte verboten ist (Meyer-Goßner,
StPO 51. Aufl. Einleitung Rdn. 57b m.w.N.). Nach dieser Auffassung darf
für die Frage der Verwertbarkeit nicht auf den
„Rechtskreis“ des Beschuldigten abgestellt werden,
dessen Rechte im Ermittlungsverfahren
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verletzt worden sind. Dies wird zum einen damit begründet,
dass der „Rechtskreis“ des Betroffenen in den
Fällen, in denen es um Verstöße gegen
wesentliche prozessuale Vorschriften geht, die grundlegende Bedeutung
für ein rechtsstaatliches Verfahren besitzen - etwa die
Belehrung nach § 136 StPO - keine Rolle spiele. Deshalb
müsse ein Verwertungsverbot aus Gründen des fairen
Verfahrens nicht nur für den von dem
Verfahrensverstoß unmittelbar betroffenen Beschuldigten,
sondern auch für den nur mittelbar betroffenen
Mitbeschuldigten gelten (Dencker StV 1995, 232 ff.). Zum anderen wird
gegen die Anwendung des „Rechtskreisgedankens“
angeführt, dieser könne zur Folge haben, dass in
einem Urteil im Sinne einer „gespaltenen
Beweiswürdigung“ dieselbe Aussage zu Gunsten oder zu
Lasten des einen Angeklagten verwertet und bezüglich des
anderen Angeklagten nicht verwertet werde. Selbst wenn eine
„gespaltene Beweiswürdigung“ dadurch
ausgeschlossen würde, dass die Verwertbarkeit der
verfahrensfehlerhaft erlangten Beweismittel allein davon
abhängig gemacht werde, ob der von dem Verstoß
betroffene Beschuldigte der Verwertung widerspricht, wäre das
nach dieser Auffassung „nicht erträglich“.
Denn der Inhaber des Widerspruchsrechts hätte es dann allein
in der Hand, seinem Mitbeschuldigten entlastende Tatsachen zu
entziehen. Eine „gespaltene
Beweiswürdigung“ solle daher unabhängig von
der Frage des „Rechtskreises“ in einem
rechtsstaatlichen Strafverfahren dadurch vermieden werden, dass jedem
Angeklagten ein eigenes Recht eingeräumt werde, einer gegen
sich gerichteten Verwertung rechtsfehlerhaft zustande gekommener
Beweismittel zu widersprechen (vgl. Hamm NJW 1996, 2185, 2189).
(3) Dem wird entgegengehalten, dass diese Lösung im Hinblick
auf den Grundsatz der einheitlichen Tatsachenfeststellung nicht nur zu
erheblichen praktischen Schwierigkeiten, sondern ebenfalls zu einer
„gespaltenen Tatsachenfeststellung“ führen
könne, nämlich dann, wenn der von dem Verfahrens-
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verstoß unmittelbar betroffene Angeklagte der Verwertung
nicht widerspricht, weil das Beweisergebnis für ihn
günstig ist (vgl. Nack StraFo 1998, 366, 373).
bb) Der Senat folgt der Auffassung, die trotz Verstoßes gegen
die Benachrichtigungspflicht aus § 168c Abs. 5 Satz 1 i.V.m.
Abs. 1 StPO die Verwertung einer Beschuldigtenvernehmung zu Gunsten und
zu Lasten von Mitangeklagten für zulässig
hält.
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(1) Die Norm des § 168c Abs. 5 StPO dient allein dem Schutz
des vernommenen Beschuldigten. Sie soll verhindern, dass im
Ermittlungsverfahren unter Verletzung des Anspruchs des Beschuldigten
auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ein für
den weiteren Verlauf des Strafverfahrens möglicherweise
entscheidendes Beweisergebnis herbeigeführt werden kann, ohne
dass der vernommene Beschuldigte und sein Verteidiger Gelegenheit
hatten, hierauf Einfluss zu nehmen (BGHSt 26, 332, 334). Dagegen dient
die Benachrichtigungspflicht nicht den Interessen von Mitbeschuldigten.
Aus diesem Grund ist bei der richterlichen Vernehmung des Beschuldigten
lediglich dessen Verteidiger gemäß § 168c
Abs. 1 StPO die Anwesenheit gestattet, Mitbeschuldigte oder deren
Verteidiger haben dagegen kein Anwesenheitsrecht (BGHSt 42, 391, 393).
Hätte der Gesetzgeber auch einem Mitbeschuldigten die
Möglichkeit einer Einflussnahme auf den Ablauf der
Beschuldigtenvernehmung geben wollen, hätte er für
die Verteidiger von Mitbeschuldigten, wie bei richterlichen
Zeugenvernehmungen gemäß § 168c Abs. 2
StPO, ein Anwesenheitsrecht normiert. Dies hat er indes nicht getan;
vielmehr hat er ausdrücklich zwischen
Beschuldigtenvernehmungen (§ 168c Abs. 1 StPO) einerseits und
der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen (§
168c Abs. 2 StPO) andererseits differenziert.
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(2) Die Sachlage bei einem Verstoß gegen die
Benachrichtigungspflicht aus § 168c Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 StPO
entspricht auch nicht derjenigen bei einem Zeugnisverweigerungsrecht
nach § 52 StPO, bei dem aus übergeordneten
Gründen zum Schutz der Familie des Angeklagten einem
verwandten Zeugen ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht
gewährt wird (BGHSt 11, 213, 216) und das dergestalt mit dem
Rechtskreis des Angeklagten verbunden ist, dass es sich bei
untrennbaren strafrechtlichen Vorwürfen nicht zu Ungunsten
eines Mitangeklagten einschränken lässt (BGHSt 7,
194, 196). Auch mit den Zeugnisverweigerungsrechten nach den
§§ 53, 53a StPO werden andere Schutzzwecke verfolgt.
Im Zentrum steht hier der Vernehmungsgegenstand. Entscheidend ist, ob
es sich um Erkenntnisse handelt, die dem Zeugen in seiner beruflichen
Eigenschaft anvertraut oder bekannt geworden sind, was für ein
und denselben Vernehmungsgegenstand aber nur einheitlich beurteilt
werden kann. Wegen der prozessualen Bedeutung der berufsbezogenen
Zeugnisverweigerungsrechte in Bezug auf das Geheimhaltungsinteresse und
den Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen der
Vertrauensperson und demjenigen, der das Vertrauen in Anspruch nimmt,
können Verstöße gegen die
§§ 53, 53a StPO ohne Rücksicht darauf
gerügt werden, ob der Beschwerdeführer selbst zu den
durch das Zeugnisverweigerungsrecht unmittelbar geschützten
Personen gehört oder nicht (BGHSt 38, 148, 153).
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Demgegenüber fehlt es bei der Benachrichtigungspflicht nach
§ 168c Abs. 5 Satz 1 StPO an einer entsprechenden
Interessenlage, die es gebieten würde, Mitbeschuldigte, die in
Bezug auf ihre eigene Person nicht von einem Verstoß gegen
die Benachrichtigungspflicht betroffen sind, durch die Annahme eines
Verwertungsverbots zu schützen. Anders als bei den
Zeugnisverweigerungsrechten aus § 52 StPO oder den
§§ 53, 53a StPO ist hier kein
Vertrauensverhältnis betroffen, das aufgrund der diesem
zugrunde liegenden Bezie
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hungen von grundlegender prozessualer Bedeutung und damit besonders
schützenswert wäre. Dies ergibt sich bereits aus der
Überlegung, dass der von dem Verfahrensverstoß
betroffene Angeklagte über die Verwertbarkeit der erlangten
Erkenntnisse mit seinem Widerspruch disponieren kann, um auf diese
Weise seiner Entlastung dienende Umstände oder Belege
für seine Einlassung in die Hauptverhandlung
einzuführen. Entscheidet er sich gegen einen Widerspruch, dann
realisiert sich darin für den von dem
Verfahrensverstoß nicht betroffenen Mitangeklagten lediglich
das Risiko, das jeder Straftäter tragen muss, der gemeinsam
mit anderen eine Straftat begeht. Er muss damit rechnen, dass das
Prozessverhalten Mitbeschuldigter zu seiner
Überführung verwendet wird (vgl. Nack in KK 6. Aufl.
§ 100d Rdn. 43). Ein besonderes schützenswertes
Vertrauensverhältnis lässt sich aus dieser Situation
somit weder für den einen noch für den anderen
Angeklagten ableiten.
(3) Auch mit dem Argument der Gefahr einer „gespaltenen
Tatsachenfeststellung“ ließe sich eine Ausdehnung
des Beweisverwertungsverbots aufgrund eines Verstoßes gegen
die Benachrichtigungspflicht des § 168c Abs. 1, Abs. 5 StPO
auf Mitbeschuldigte nicht rechtfertigen; denn diese Gefahr
würde dadurch im Hinblick auf die Dispositionsbefugnis jedes
Angeklagten über die Geltendmachung des Verwertungsverbotes
nicht entfallen.
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cc) Für das vorliegende Verfahren bedeutet dies, dass das
Landgericht die Zeugenaussage des Ermittlungsrichters S. trotz der
rechtsfehlerhaft unterlassenen vorherigen Benachrichtigung des
Verteidigers des Mitangeklagten H. gegen den Angeklagten verwerten
durfte. Sein Widerspruch geht ins Leere, weil seine prozessualen Rechte
nicht verletzt wurden. Es wäre lediglich ein für den
Angeklagten günstiger Rechtsreflex gewesen, wenn der
Mitangeklagte in Anwesenheit seines vorher
ordnungsgemäß benachrichtigten
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Pflichtverteidigers beim Ermittlungsrichter die Aussage verweigert und
den Angeklagten nicht belastet hätte.
Verstöße gegen Bestimmungen, die
ausschließlich dem Schutz anderer Personen dienen, kann der
Angeklagte auch mit seiner Revision nicht erfolgreich rügen.
Nack Kolz Hebenstreit
Elf Jäger |