BGH,
Beschl. v. 17.3.2009 - 4 StR 662/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 662/08
vom
17. März 2009
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 17.
März 2009 gemäß § 349 Abs. 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Bielefeld vom 19. August 2008 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 18
Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln (nach den Feststellungen: in nicht geringer
Menge) in 18 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
fünf Jahren und drei Monaten verurteilt und den Verfall von
10.300 € angeordnet. Gegen das Urteil richtet sich die auf die
Verletzung des Verfahrens und des materiellen Rechts gestützte
Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung
des Urteils.
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1. Die Revision des Angeklagten hat bereits mit der Sachrüge
in vollem Umfang Erfolg. Denn die Beweiswürdigung in dem
angefochtenen Urteil hält rechtlicher
Überprüfung nicht stand. Zwar ist die
Beweiswürdigung Sache des Tatrichters und vom Revisionsgericht
grundsätzlich hinzunehmen; dies gilt aber
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nicht, wenn sie - wie hier - Lücken aufweist
(Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 337 Rdn. 27, 29
m.w.N.).
a) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen führte
der Angeklagte zwischen Januar 2006 und Juni 2007 mindestens einmal im
Monat aus den Niederlanden jeweils 500 Gramm Heroin nach Deutschland
ein, streckte dieses auf 1,5 Kilogramm und
veräußerte es für 25 € pro Gramm
an diverse Abnehmer, in zwei Fällen (im Mai und Juni 2007) in
einer Menge von 5 bzw. 8 Gramm an den Zeugen B. .
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Die Verurteilung stützt die Strafkammer auf die Aussagen des
Zeugen B. in der Hauptverhandlung und im Ermittlungsverfahren sowie
darauf, dass bei einer Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten und
seiner Ehefrau eine große Menge Verpackungsmaterial,
teilweise in Folie eingepackte 10.300 €, an denen ein
positiver Drogentest durchgeführt wurde, und ein Notizzettel
mit der Telefonnummer eines „polizeibekannten
Drogenkonsumenten“ sichergestellt wurden.
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b) Die Beweiswürdigung der Strafkammer weist in mehrfacher
Hinsicht Rechtsfehler auf.
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aa) Es fehlt schon an einer ausreichenden Darstellung der Aussage des
Zeugen B. im Ermittlungsverfahren.
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In einem Fall, in dem ein Angeklagter zwar nicht allein, aber doch
überwiegend durch die Angaben eines selbst tatbeteiligten
Zeugen überführt werden soll, müssen die
Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle
Umstände, die die Entscheidung zu beeinflussen geeignet sind,
erkannt und in sei-
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ne Überlegungen einbezogen hat (st. Rspr.; vgl.
Meyer-Goßner aaO § 261 Rdn. 11a m.w.N.). Dazu ist es
jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden erforderlich, neben den
Umständen der Entstehung auch den näheren Inhalt der
den Angeklagten belastenden Aussage darzustellen. Dies gilt umso mehr,
wenn sich nicht von selbst versteht, auf welchen eigenen Wahrnehmungen
der Auskunftsperson die Feststellungen zu zentralen Einzelheiten des
Hergangs der Taten beruhen (BGH, Beschluss vom 14. Mai 2008 - 2 StR
147/08 m.w.N.).
Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht.
So hat der Zeuge B. , der in der Hauptverhandlung teilweise von seinem
Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO
Gebrauch gemacht hat, dort nach den Mitteilungen des Urteils weder die
festgestellte Anzahl der Einkaufsfahrten des Angeklagten in die
Niederlande noch die dabei erworbenen Rauschgiftmengen oder die
weiteren Einzelheiten der Ankäufe (Ort, Lieferanten)
bestätigt. Auch die Angaben des Zeugen zu den
Drogenverkäufen des Angeklagten in Deutschland beruhten
überwiegend auf Berichten eines im Urteil namentlich nicht
benannten „Bekannten“. Vor diesem Hintergrund sowie
den teilweise wenig aussagekräftigen weiteren Beweisanzeichen
für die Schuld des Angeklagten war es unerlässlich,
im Urteil die „sehr detaillierte“ Aussage des
Zeugen bei dessen polizeilicher Vernehmung, auf die sich die
Strafkammer „insbesondere“ gestützt hat,
mit ihrem näheren Inhalt wiederzugeben.
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bb) Daneben ist auch die Würdigung der Aussage des Zeugen B.
nicht frei von Mängeln.
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Für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung gerade bei Aussagen im
Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts ist es
regelmäßig ein wichtiger Gesichtspunkt, ob sich der
Zeuge durch seine Aussage in dem gegen ihn selbst gerichteten Ver-
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fahren im Hinblick auf § 31 BtMG entlasten wollte. Ist ein
tatbeteiligter Zeuge, auf dessen belastende Aussage die
Überführung des Angeklagten entscheidend
gestützt wird, wie ersichtlich hier (UA 8) bereits wegen
seiner Beteiligung an derselben Betäubungsmittelstraftat
verurteilt worden, muss die Beweiswürdigung deshalb erkennen
lassen, ob sich der Betreffende eine Strafmilderung als
Aufklärungsgehilfe „verdient“ hat oder
nicht (BGH aaO). Daran fehlt es vorliegend.
Hinzu kommt, dass die Strafkammer wegen des vom Zeugen B. in der
Hauptverhandlung ausgeübten Auskunftsverweigerungsrechts nach
§ 55 StPO seine Überzeugung in weiten Teilen nicht
auf dessen Angaben in der Hauptverhandlung gestützt hat, die
dort von allen Seiten hätten hinterfragt werden
können, sondern nur mittelbar auf eine Aussage, die er in
seiner polizeilichen Vernehmung getätigt hatte. Kann der
Angeklagte aber sein durch Art. 6 Abs. 3 lit. d MRK garantiertes Recht,
Fragen an den Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen, nicht
ausüben, weil diesem ein weitgehendes oder umfassendes
Auskunftsverweigerungsrecht zugestanden wird, muss dieser Umstand schon
deshalb bei der Beweiswürdigung bedacht werden, weil die durch
die Vernehmung der Verhörsperson eingeführte Aussage
bei Fehlen eines kontradiktorischen Verhörs nur
beschränkt hinterfragt und vervollständigt werden
kann (BGH NStZ 2004, 691, 692 m.w.N.).
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2. Für den Fall einer erneuten Verurteilung weist der Senat
darauf hin, dass die dem angeordneten Verfall zugrunde liegende
Feststellung, das Geld sei aus der Begehung der (abgeurteilten)
Straftaten erlangt, schon deshalb der näheren
Begründung bedarf, weil die Sicherstellung des Geldes erst
mehrere Monate nach der letzten Tat erfolgte (zur Abgrenzung und zu den
Vorausset-
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zungen eines möglicherweise in Betracht kommenden Verfalls von
Wertersatz: BGH, Urteil vom 11. Dezember 2008 - 4 StR 386/08).
Tepperwien Maatz Solin-Stojanović
Franke Mutzbauer |