BGH,
Beschl. v. 18.12.2007 - 1 StR 301/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 301/07
vom
18.12.2007
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Mord u. a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
18.12.2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerinnen,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Stuttgart vom 8.12.2006 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und
die den Nebenklägerinnen dadurch entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete
Urteil
a) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte
K. wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge
schuldig ist;
b) im Strafausspruch hinsichtlich des Angeklagten K. aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung - auch über die Kosten dieses Rechtsmittels - an
eine als Schwurgericht zuständige Kammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
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Gründe:
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Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Beihilfe zum Mord in
Tateinheit mit schwerem Raub zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren
verurteilt. Der Angeklagte wendet sich mit der auf die Sachbeschwerde
gestützten Revision gegen das Urteil. Die zu Ungunsten des
Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft rügt
ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts. Sie wird vom
Generalbundesanwalt vertreten und erstrebt eine Verurteilung des
Angeklagten K. wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Raub mit
Todesfolge. Während das Rechtsmittel des Angeklagten keinen
Erfolg hat, ist das Urteil, soweit es den Angeklagten K. betrifft, auf
die Revisi-on der Staatsanwaltschaft im Schuldspruch zu ändern
und im Strafausspruch aufzuheben.
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
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Am Nachmittag des 29. Oktober 2005 überfielen die Angeklagten
S. und K. den 62-jährigen W. in seinem Schrebergarten, um
dessen Fahrzeug gewaltsam zu entwenden. Die beiden Angeklagten hatten
sich zuvor darauf verständigt, das Opfer niederzuschlagen, um
ihm die Autoschlüssel abzunehmen und die Zeit der Ohnmacht
oder Benommenheit zur Wegnahme des Autos und zur Flucht zu nutzen. Der
Angeklagte K. sollte dazu W. nach Wasser und Arbeit fragen;
währenddessen sollte sich der Angeklagte S. unbemerkt von
hinten anschleichen und das Opfer niederschlagen. Die Mitangeklagte D.
hatte diese Absprache mitbekommen und war damit einverstanden, in der
Nähe des Fahrzeugs zu warten und gegebenenfalls vor
herannahenden Personen zu warnen. K. und
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D. wussten, dass der Angeklagte S. ein Fahrtenmesser in der
Lederscheide am Gürtel bei sich trug.
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Dem gemeinsamen Tatplan entsprechend verwickelte der Angeklagte K. W.
in ein Gespräch. Der Angeklagte S. hatte sich
zunächst im Hintergrund gehalten. In ihm war
plötzlich der Gedanke gereift, W. mit seinem
mitgeführten Messer zu erstechen, um ungestört und
ohne Angst vor späteren Folgen mit dem entwendeten Pkw
weiterreisen zu können. Er zog deshalb mit der rechten Hand
sein Fahrtenmesser aus der Lederscheide und schlich sich - ansonsten
absprachegemäß - von hinten an den völlig
ahnungslosen W. heran. Als er dicht hinter ihm angekommen war, schlug
er W. nicht - wie vom Angeklagten K. dem Tatplan
gemäß erwartet - nieder, sondern umschlang ihn mit
dem linken Arm von hinten im Schulterbereich und zog ihn zu sich her.
Gleichzeitig führte er mit der rechten Hand mit dem
gezückten Messer in Tötungsabsicht zwei heftige
Stiche tief in die linke Halsseite, wodurch die Halsschlagader
durchtrennt wurde. W. sank zu Boden, versuchte aber in
höchster Lebensangst zu schreien und sich durch Arm- und
Beinbewegungen zu wehren. Der Angeklagte S. stürzte sich auf
ihn und stach weitere neun Mal schnell und heftig vor allem auf die
linke Brustseite des Opfers ein. Der nun wehrlose, tödlich
getroffene W. gab nur noch schwache Lebenszeichen von sich.
Um der Gefahr der zufälligen Entdeckung durch Passanten auf
dem nur wenige Meter entfernten Weg zu entgehen, begann der Angeklagte
S. W. nach hinten in das Grundstück zu ziehen. Da ihm dies
alleine zu schwer und zu langsam ging, forderte er den Angeklagten K.
auf, ihm zu helfen. K. hatte, als er die wahre Absicht des Angeklagten
S. erkannte, versucht wegzulaufen, war aber an den
Spalierdrähten der Sträucher
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gescheitert. Als er auf die Aufforderung nicht gleich reagierte, drohte
ihm der Angeklagte S. , dass ihm dasselbe geschehe. Da es dem
Angeklagten K. vor dem Hintergrund ihrer bedrängten Lage
(keine finanziellen Mittel, keine Bleibe) und wegen seines
angeschlagenen körperlichen Zustandes (Blasen an den
Füßen) nach wie vor darum ging, in den Besitz des
Fahrzeugs zu gelangen, um damit gemeinsam schnell und bequem nach
München fahren zu können, schob er seine Bedenken
wegen des Zustechens durch S. beiseite und entschloss sich, diesem zu
helfen. Er nahm die rechte Hand von W. , dessen Tod auch er alsbald
erwartete, und schleifte gemeinsam mit dem Angeklagte S. das bereits
bewusstlos gewordene Opfer rund zehn Meter Richtung
Grundstücksmitte, um es zu verstecken.
Während der Angeklagte K. sich nun auf Anweisung des
Angeklagten S. auf den Weg zum Auto machte, nahm der Angeklagte S. den
Schlüsselbund, an dem sich unter anderem der
Autoschlüssel befand, aus der Hosentasche des Opfers. Die
Angeklagte D. war während des Geschehens
absprachegemäß in der Nähe des Fahrzeugs
geblieben, um den Weg zu beobachten und gegebenenfalls rechtzeitig zu
warnen. Die drei Angeklagten flüchteten anschließend
mit dem Auto des Opfers. W. verstarb an den ihm zugefügten
Verletzungen.
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II. Die Revision des Angeklagten K. ist unbegründet, da eine
Überprüfung des Urteils weder im Schuld- noch im
Strafausspruch einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben
hat. Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der
Sachrüge geltend macht, das Landgericht habe § 35
Abs. 2 StGB übersehen, dringt er nicht durch. Die
Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 StGB liegen nach den
getroffenen Feststellungen offensichtlich nicht vor, so dass die Kammer
in den Urteilsgründen auch nicht darauf eingehen musste.
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III. Die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie eine Verurteilung
wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge erstrebt,
hat Erfolg. Die von der Kammer getroffenen Feststellungen tragen diesen
Schuldspruch.
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1. Zwar sind dann, wenn lediglich einer von mehreren Tatbeteiligten den
qualifizierenden Erfolg verursacht hat, die übrigen nach
§ 251 StGB grundsätzlich nur strafbar, wenn sich ihr
zumindest bedingter Vorsatz auf die Gewaltanwendungen erstreckt, durch
welche der qualifizierende Erfolg herbeigeführt worden ist,
und wenn auch ihnen in Bezug auf die Todesfolge wenigstens
Leichtfertigkeit vorzuwerfen ist. Ein Beteiligter haftet somit
gemäß § 251 StGB als Mittäter nur
für die Folgen derjenigen Handlungen des den Tod des Opfers
unmittelbar herbeiführenden Täters, die er in seine
Vorstellungen von dem Tatgeschehen einbezogen hat.
Nicht jede Abweichung des tatsächlichen Geschehens von dem
vereinbarten Tatplan beziehungsweise von den Vorstellungen des
Mittäters begründet die Annahme eines Exzesses.
Vielmehr liegt sukzessive Mittäterschaft vor, wenn jemand in
Kenntnis und Billigung des bisher Geschehenen - auch wenn dieses in
wesentlichen Punkten von dem ursprünglichen gemeinsamen
Tatplan abweicht - in eine bereits begonnene
Ausführungshandlung als Mittäter eintritt. Sein
Einverständnis bezieht sich dann auf die Gesamttat mit der
Folge, dass ihm das gesamte Verbrechen strafrechtlich zugerechnet wird.
"Nur für das, was schon vollständig abgeschlossen
vorliegt, vermag das Einverständnis ... die strafbare
Verantwortlichkeit nicht zu begründen" (BGHSt 2, 344, 346).
Der die Mittäterschaft begründende Eintritt ist
demnach noch möglich, solange der zunächst allein
Handelnde die Tat noch nicht beendet hat, selbst wenn sie
strafrechtlich schon vorher vollendet war (BGH JZ 1981, 596).
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2. Von diesen Grundsätzen ausgehend tragen die Feststellungen
des Landgerichts den Schuldspruch wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit
mit Raub mit Todesfolge.
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Der Angeklagte K. hat in Verfolgung des gemeinsamen Tatplanes die
tödlich verlaufenden Körperverletzungen, die sein
Mittäter - im Rahmen verabredeter Gewaltausübung -
dem Opfer beigebracht hatte, dazu ausgenutzt, sich und seine
Tatgenossen in den Besitz des Kraftfahrzeugs zu bringen. Dass die
tatsächliche Tatausführung von der
ursprünglich geplanten abwich, ist dabei unerheblich. Der
Angeklagte K. hatte nach den Feststellungen das Geschehen unmittelbar
mitverfolgt und trat in Kenntnis und Billigung dieser Umstände
in die bereits begonnene, von der ursprünglichen Absprache
abweichende Ausführungshandlung ein, indem er mit dem
Angeklagten S. das Opfer, "dessen Tod auch er alsbald erwartete" (UA S.
19), versteckte. Um bequem nach München fahren zu
können, schob er seine Bedenken wegen des Zustechens durch S.
beiseite. Dadurch sowie durch das Ansichnehmen der
Kfz-Schlüssel aus der Kleidung des dann
zurückgelassenen tödlich Verletzten und durch das
folgende Entwenden des Fahrzeugs hat sich sein Vorsatz sukzessiv auf
die zum Tod führende Gewalthandlung des Mittäters S.
erstreckt (vgl. BGH NJW 1998, 3361, 3362; BGH, Beschl. vom 1. Februar
2007 - 5 StR 494/06; Fischer, StGB 55. Aufl. § 251 Rdn. 10).
Der Angeklagte K. handelte im Hinblick auf die von ihm gebilligten
Tathandlungen des Angeklagten S. und durch die eigene Mithilfe beim
Verstecken des tödlich verletzten Opfers bezüglich
des Todeseintritts jedenfalls leichtfertig. Dies bedarf aufgrund der
Art des Messereinsatzes durch den Angeklagten S. keiner
näheren Ausführung.
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Somit hat er sich als Mittäter des Raubes mit Todesfolge
gemäß §§ 251, 25 Abs. 2 StGB
schuldig gemacht. Gleichzeitig wurde er Gehilfe des Mörders
mit den eigenen Mordmerkmalen "aus Habgier" und "zur
Ermöglichung einer Straftat" nach §§ 211, 27
StGB.
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3. Da weitere Feststellungen weder in objektiver noch in subjektiver
Hinsicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch
in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst.
IV. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur
Aufhebung des Strafausspruchs. Die dazu rechtsfehlerfrei getroffenen
Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von der
Änderung des Schuldspruchs nicht berührt werden
(§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende weitere
Feststellungen hierzu kann der neue Tatrichter treffen, soweit sie den
bisherigen nicht widersprechen.
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Da sich das Verfahren nur noch gegen einen Erwachsenen richtet, hat der
Senat die Sache zur Bemessung einer neuen Strafe und zur Entscheidung
über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft an
eine als Schwurgericht zuständige Kammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
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Nack Wahl Kolz
Elf Graf |