BGH,
Beschl. v. 18.2.2000 - StB 2/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 BJs 188/88 - 2
StB 2/00
vom
18. Februar 2000
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
letzter bekannter Wohnort , zur Zeit unbekannten Aufenthalts,
wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung
u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 18. Februar
2000 gemäß § 304 Abs. 5 StPO beschlossen:
Die Beschwerde der Beschuldigten gegen den Haftbefehl des
Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes vom 30. Juni 1998 - 1 BGs
85/98 - wird verworfen.
Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des
Rechtsmittels.
Gründe:
Der angefochtene Haftbefehl ist auf den Vorwurf gestützt, die
Beschuldigte habe in B. am 17. Oktober 1986 und in H. am 21. Juni 1987
jeweils gemeinschaftlich mit anderen versucht, durch Sprengstoff eine
Explosion herbeizuführen und dadurch fremde Sachen von
bedeutendem Wert zu gefährden (§ 311 Abs. 1 StGB
a.F.), zudem habe sie in A. und anderen Orten am 15. August 1987
gemeinschaftlich mit anderen ein fremdes Gebäude in Brand
gesetzt und dies bezüglich acht weiterer fremder
Gebäude versucht (§ 308 Abs. 1 StGB a.F.),
tateinheitlich habe sie sich spätestens seit Herbst 1986
jeweils an einer terroristischen Vereinigung mitgliedschaftlich
beteiligt (§ 129 a Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F.). Die Taten vom 17.
Oktober 1986 und 15. August 1987 und die Mitgliedschaft in einer
terroristischen Vereinigung waren bereits Gegenstand des Haftbefehls
des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes vom 6. Dezember 1988 -
1 BGs 1122/88. An dessen Stelle ist der angefochtene Haftbefehl
getreten, nachdem weitere Ermittlungen auch einen dringenden
Tatverdacht bezüglich der Tat vom 21. Juni 1987 ergeben hatten.
Die Beschuldigte, die seit dem 18. Dezember 1987 flüchtig ist,
wendet sich mit ihrer Beschwerde vom 10. Januar 2000 gegen den
Haftbefehl ausschließlich mit der Auffassung, die ihr zur
Last gelegten Taten seien zwischenzeitlich verjährt. Dies
trifft nicht zu.
1. Der Strafverfolgung steht in keinem Fall das Hindernis der
Verjährung entgegen.
a) Die Verjährungsfrist für die Tat vom 17. Oktober
1986 beträgt 20 Jahre, soweit § 311 Abs. 1 StGB a.F.
betroffen ist (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 StGB). Sie ist durch den
Haftbefehl des Ermittlungsrichters vom 6. Dezember 1988 unterbrochen
worden mit der Wirkung, daß die Verjährung von neuem
begonnen hat (§ 78 c Abs. 3 Satz 1 StGB). Mit dem
angegriffenen Haftbefehl, an dessen Zulässigkeit und
Wirksamkeit keine Zweifel bestehen, ist die Verjährung erneut
unterbrochen worden. Die absolute Verjährung (§ 78 c
Abs. 3 Satz 2 StGB) ist noch nicht eingetreten.
Auch unter dem Gesichtspunkt der mitgliedschaftlichen Beteiligung an
einer terroristischen Vereinigung ist die Tat vom 17. Oktober 1986
nicht verjährt. Nach der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung
des § 129 a StGB (BGBl 1976 I 2181) war die
mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung
nur ein Vergehen, das mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu
fünf Jahren bedroht war. Danach hätte die
Verjährungsfrist nur fünf Jahre betragen (§
78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Indes hat die Verjährungsfrist noch
nicht am 17. Oktober 1986 begonnen. Die Beschuldigte ist nach dem
bisherigen Ermittlungsergebnis dringend verdächtig, sich auch
am 21. Juni 1987 und am 15. August 1987 als Mitglied der
terroristischen Vereinigung beteiligt zu haben. Damit war dieses
Delikt, das eine auf Dauer gerichtete Teilnahme am Verbandsleben zum
Gegenstand hat (vgl. BGHSt 29, 114, 123; 33, 16, 17; 36, 192, 198),
erst zu einem Zeitpunkt beendet, als es durch das Gesetz zur
Bekämpfung des Terrorismus vom 19. Dezember 1986 (BGBl I 2566)
mit Wirkung vom 1. Januar 1987 bereits vom Vergehen zum Verbrechen mit
einer Höchststrafe von 10 Jahren hochgestuft war und die
Verjährungsfrist demnach 10 Jahre betrug. Diese
Verjährungsfrist hat auch für den Teil des
Organisationsdelikts Geltung, der vor dem die Deliktsnatur
ändernden Gesetz begangen worden ist. Nach § 2 Abs. 2
StGB ist bei einer Änderung der Strafdrohung während
der Tatbegehung das Gesetz anzuwenden, das bei der Beendigung der Tat
gilt. Diese Vorschrift ist 1969 in das Strafgesetzbuch
eingefügt worden, um Dauerstraftaten und fortgesetzte
Handlungen einheitlich beurteilen zu können (vgl. Gribbohm in
LK 11. Aufl. § 2 Rdn. 12). Eine erst während der
Begehung eintretende Strafbarkeit erfaßt § 2 Abs. 2
StGB zwar nicht; ein solcher Fall liegt bei der Änderung des
Deliktscharakters vom Vergehen zum Verbrechen (anders als bei der
Umgestaltung einer Ordnungswidrigkeit zu einer Straftat, vgl. BGHR StGB
§ 2 II Ordnungswidrigkeit 1) aber auch nicht vor.
Selbst wenn die Beschuldigte ihre Beteiligung an der terroristischen
Vereinigung "Rote Zora" nach den Brandanschlägen vom 15.
August 1987 beendet hätte, wofür angesichts ihrer
Flucht im Dezember 1987 derzeit nichts spricht, wäre die
Verjährungsfrist rechtzeitig und wirksam durch die beiden
Haftbefehle unterbrochen worden.
b) Nicht verjährt ist ebenfalls die Tat vom 15. August 1987,
bei der die Verjährungszeit bezüglich beider
Straftatbestände 10 Jahre beträgt.
c) Auch für die Tat vom 21. Juni 1987, die erstmals Gegenstand
des angefochtenen Haftbefehls ist, ist Verjährung noch nicht
eingetreten. Die 20 Jahre betragende Verjährungsfrist
bezüglich der versuchten Herbeiführung eines
Sprengstoffverbrechens war am 30. Juni 1998 noch nicht abgelaufen.
Bezüglich der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer
terroristischen Vereinigung gilt das unter vorstehend a) Gesagte mit
der Besonderheit, daß hier bereits zum Zeitpunkt der Tat
§ 129 a StGB ein Verbrechen war und die
Verjährungsfrist 10 Jahre betrug.
2. Auch im übrigen liegen die Voraussetzungen für den
Erlaß des angefochtenen Haftbefehls vor.
Kutzer Rissing-van Saan Pfister |