BGH,
Beschl. v. 19.4.2000 - 3 StR 149/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 149/00
vom
19. April 2000
in der Strafsache gegen
wegen Mordes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu Ziffer 2
auf dessen Antrag - am 19. April 2000 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Hannover vom 27. Oktober 1999 wird der Schuldspruch dahin
abgeändert, daß der Angeklagte wegen Mordes in
Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung und mit
erpresserischem Menschenraub verurteilt wird. Die Einzelstrafe wegen
schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit
erpresserischem Menschenraub entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer
räuberischer Erpressung in Tateinheit mit erpresserischem
Menschenraub und wegen Mordes unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe
von acht Jahren aus dem Urteil des Landgerichts Hannover vom 2.
März 1998 zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe
verurteilt und festgestellt, daß die Schuld des Angeklagten
besonders schwer wiegt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner
auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten
Revision.
Die Annahme von zwei selbständigen Taten hält der
rechtlichen Überprüfung nicht stand. Im
übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der
Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts fuhr der Angeklagte am 27.
Mai 1997 nach An. , um eine Filiale der Stadtsparkasse zu
überfallen. Er betrat mit einer scharf geladenen Pistole die
Sparkasse, richtete abwechselnd seine Waffe auf die Kassiererin und
eine Kundin und verlangte mehrfach große Geldscheine.
Angesichts der gegen sie und die Kundin gerichteten Drohung kam die
Kassiererin der Aufforderung des Angeklagten nach und packte 13.440 DM
in eine Plastiktüte, die sie dem Angeklagten übergab.
Beim Verlassen der Sparkasse begegnete der Angeklagte im Bereich der
Tür dem 78-jährigen Rentner A. . Dieser erkannte,
daß der Angeklagte einen Raubüberfall begangen
hatte, versperrte ihm den Weg und schlug mit seiner Gehhilfe nach ihm.
Nachdem er A. mehrmals ohne Erfolg zur Freigabe des Weges aufgefordert
hatte, gab der Angeklagte zwei Warnschüsse ab, von denen sich
A. nicht beeindrucken ließ. Um nicht als Täter des
Überfalls ermittelt zu werden und unerkannt entkommen zu
können, schoß der Angeklagte daraufhin in
Tötungsabsicht zweimal aus kurzer Entfernung auf den Bauch-
und Brustbereich des A. , der tödlich getroffen wurde.
2. Diese Feststellungen hat die Strafkammer fehlerfrei getroffen. Dies
gilt insbesondere auch für den direkten
Tötungsvorsatz. Sie hat das Handeln des Angeklagten in der
Sparkasse rechtlich zutreffend als schwere räuberische
Erpressung in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub und die
Tötung des Rentners als Mord gewertet. Da der Angeklagte den
Rentner A. erschießen wollte, um dadurch seine Flucht zu
ermöglichen und nicht wegen des Überfalls bestraft zu
werden, hat er zur Verdeckung einer Straftat getötet. Zwischen
der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit
erpresserischem Menschenraub einerseits und dem Mord andererseits hat
das Landgericht Tatmehrheit angenommen und hierfür eine
Freiheitsstrafe von zehn Jahren und eine lebenslange Freiheitsstrafe
verhängt.
Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht
stand. Entgegen der Meinung des Landgerichts stehen die schwere
räuberische Erpressung und der erpresserische Menschenraub mit
dem Mord in Tateinheit. Für Tateinheit ausreichend ist die
teilweise Identität der objektiven
Ausführungshandlungen (BGHSt 22, 206, 208; Stree in
Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 52 Rdn.
10), selbst wenn die Überschneidung der Handlungen nur in der
Beendigungsphase stattfindet (BGH NStZ 1995, 588; Rissing-van Saan in
LK 11. Aufl. § 52 Rdn. 20). Somit kann auch im Zeitraum
zwischen Vollendung und Beendigung der Tat noch Tateinheit
begründet werden. Da die Schüsse des Angeklagten auf
den ihm den Weg versperrenden Rentner A. der Beendigung des
Überfalls auf die Sparkasse dienten, ist Tateinheit zwischen
dem Mord und den in der Sparkasse begangenen Straftaten anzunehmen,
selbst wenn eine Absicht der Beutesicherung nicht ausdrücklich
festgestellt wurde (BGH NJW 1992, 2103, 2104; Rissing-van Saan in LK
11. Aufl. § 52 Rdn. 20).
Die Sachrüge des Angeklagten führt zu einer
entsprechenden Änderung des Schuldspruchs und zum Wegfall der
wegen der begangenen räuberischen Erpressung in Tateinheit mit
erpresserischem Menschenraub verhängten Freiheitsstrafe von
zehn Jahren. Wegen der Straftat vom 27. Mai 1997 ist der Angeklagte
somit zu einer sich aus § 211 StGB ergebenden lebenslangen
Freiheitsstrafe verurteilt. Der Änderung des Schuldspruchs
steht § 265 StPO nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht
anders hätte verteidigen können als geschehen.
3. Die Einbeziehung der Freiheitsstrafe von acht Jahren aus dem Urteil
des Landgerichts Hannover vom 2. März 1998 in die lebenslange
Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe gemäß § 55
StGB ist rechtsfehlerhaft. Zwar wurde die gegenständliche
Straftat vor dieser Verurteilung begangen. Die Strafkammer hat jedoch
nicht bedacht, daß die gegenständliche Straftat auch
vor der Verurteilung des Angeklagten wegen vorsätzlichen
Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tatmehrheit mit Widerstand gegen
Vollstreckungsbeamte zu einer Gesamtgeldstrafe von 50
Tagessätzen durch das Amtsgericht Hannover am 11. Juli 1997
begangen wurde, diese Geldstrafe nach den Feststellungen noch nicht
bezahlt oder sonst erledigt ist und deshalb durch diese Verurteilung
eine Zäsur eingetreten ist, die der erfolgten
Gesamtstrafenbildung entgegensteht (vgl. BGHSt 33, 367, 368; BGHR StGB
§ 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 4; Tröndle/
Fischer, StGB 49. Aufl. § 55 Rdn. 5). Die
Möglichkeit, gemäß § 55 Abs. 1,
§ 53 Abs. 2 Satz 2 StGB auf Geldstrafe gesondert zu erkennen,
ist kein Grund, die Zäsurwirkung einer auf Geldstrafe
lautenden Vorverurteilung zu verneinen (BGHSt 32, 190, 194; BGHR StGB
§ 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 9). Der Vorteil aus
der fehlerhaften Einbeziehung der Freiheitsstrafe von acht Jahren in
die lebenslange Gesamtfreiheitsstrafe kann dem Angeklagten nicht
genommen werden (§ 358 Abs. 2 StPO, vgl. BGHSt 8, 203 ff.;
Rissing-van Saan, aaO § 55 Rdn. 45).
Durch den aufgezeigten Rechtsfehler wird auch nicht der Ausspruch
über die besondere Schwere der Schuld in Frage gestellt. Die
Strafkammer hat ausdrücklich darauf hingewiesen, daß
auch ohne Berücksichtigung der der Verurteilung vom 2.
März 1998 zugrundeliegenden Tat die Schuld des Angeklagten
besonders schwer wiegt.
Kutzer Rissing-van Saan Winkler Pfister von Lienen |