BGH,
Beschl. v. 19.6.2007 - 3 StR 124/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 124/07
vom
19.6.2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen erpresserischen Menschenraubes u. a.;
hier: Revisionen der Angeklagten P. und S.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 19.06.2007
gemäß §§ 349 Abs. 4, 357 StPO
beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten P. und S. wird das Urteil des
Landgerichts Hannover vom 15. Dezember 2006, auch soweit es den
Angeklagten K. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Rechtsmittel und die dem
Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat die drei Angeklagten wegen erpresserischen
Menschenraubes jeweils zu Freiheitsstrafen von fünf Jahren
verurteilt. Die Revisionen der beiden Beschwerdeführer
führen mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils;
sie war gemäß § 357 StPO auf den
Nichtrevidenten K. zu erstrecken.
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1. Nach den Feststellungen planten die drei Angeklagten, ihr
späteres Opfer Mike H. zu entführen, als Geisel zu
nehmen und von ihm Geld zu erpressen. In Umsetzung dieses Plans
brachten die Angeklagten P. und S. den Geschädigten in ihre
Gewalt, fuhren ihn zum Haus des Mitangeklagten K. , nahmen dort einen
Koffer im Wert von 11.000 € und 2.000 € Bargeld an
sich und forderten für seine Freilassung sechs Millionen Euro.
Mike H.
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erklärte, er könne kurzfristig 300.000 €
aufbringen; später könnten sie dann mehr erhalten.
Nach acht Stunden ließen die Angeklagten ihr Opfer frei mit
der Drohung, ihm und seiner Familie etwas anzutun, falls es nicht zu
der versprochenen kurzfristigen Geldübergabe käme.
Bei der polizeilich überwachten, acht Tage später
erfolgten Geldübergabe wurden die Angeklagten festgenommen.
2. Diese Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch wegen
erpresserischen Menschenraubs gemäß § 239 a
StGB nicht. Das Tatgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass
die Angeklagten sich des Tatopfers bemächtigt und es an einen
anderen Ort verbracht, es also entführt haben. Die
Feststellungen ergeben aber nicht, dass sie dabei zugleich in der
Absicht gehandelt haben, die so geschaffene Lage zu einer (schweren
räuberischen) Erpressung auszunutzen.
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Zwischen der Entführungslage und der beabsichtigten Erpressung
muss ein solcher funktionaler und zeitlicher Zusammenhang bestehen,
dass der Täter das Opfer (oder einen Dritten) während
der Dauer der Zwangslage erpressen will; denn der Zweck der Regelung
des § 239 a StGB besteht gerade darin, das Entführen
oder Sichbemächtigen des Opfers deshalb besonders unter Strafe
zu stellen, weil der Täter seine Drohung während der
Dauer der Zwangslage jederzeit realisieren kann (st. Rspr.; vgl. BGH
NJW 1996, 2171 m. w. N.; BGHSt 40, 350, 355 zu § 239 b StGB).
Das Vorliegen dieser Voraussetzungen wird durch die
Urteilsgründe nicht belegt. Sie ergeben nicht, dass es den
Angeklagten darauf ankam, Drohungen und Gewalt dazu zu benutzen, dem
Opfer die verlangten Geldleistungen bereits während der
Entführung abzupressen. Obgleich die Angeklagten "umfassend
geständig" waren, enthalten die Urteilsfeststellungen keine
näheren Ausführungen dazu, in welcher Weise die
beabsichtigte Erpressung nach dem Tatplan durchgeführt,
insbesondere ob diese während der Dauer der Zwangslage
realisiert werden sollte. Nach dem tatsächli-
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chen Geschehensablauf haben die Angeklagten das Opfer mit Drohungen
gegen sein Leben und das seiner Familie mit der Forderung entlassen,
das Lösegeld später zu zahlen. Dies allein ergibt den
für die Erfüllung des Tatbestandes des § 239
a StGB erforderlichen engen funktionalen und zeitlichen Zusammenhang
zwischen Entführung und Zahlung nicht (BGH NJW 1996, 2171).
3. Ob ein erpresserischer Menschenraub im Hinblick auf die Wegnahme des
Koffers und des Bargeldes des Opfers gegeben ist, hat die Strafkammer
nicht geprüft. Den Feststellungen ist folglich auch nicht zu
entnehmen, ob der Tatplan von vornherein vorsah, die
Entführung auch zur Wegnahme der mitgeführten
Wertgegenstände des Geschädigten vorzunehmen oder ob
jedenfalls nachträglich die Absicht bestanden hat, die durch
die Entführung geschaffene Zwangslage zu dieser Wegnahme
auszunutzen (vgl. zur Anwendbarkeit des § 239 a StGB bei Raub
BGH NStZ 2003, 604). Dem Senat ist es daher - abgesehen von der
Erforderlichkeit eines vorhergehenden Hinweises entsprechend §
265 Abs. 1 StPO - verwehrt, den Schuldspruch selbst auf diesen
Sachverhalt zu stützen.
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Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat daraufhin, dass
auch dann, wenn sich die Voraussetzungen des § 239 a StGB
nicht feststellen lassen, eine Verurteilung wegen vollendeten schweren
Raubes in Tateinheit mit versuchter Erpressung und mit
Freiheitsberaubung in Betracht kommt, die ebenfalls eine dem
erheblichen Gesamtunrecht der Tat gerecht werdende Strafe
ermöglicht.
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Tolksdorf Miebach Winkler von Lienen Becker |