BGH,
Beschl. v. 19.9.2000 - 4 StR 357/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 357/00
vom
19. September 2000
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 19. September
2000 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Halle vom 10. November 1999 in den sie betreffenden
Strafaussprüchen mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils eines schweren Raubes in
Tateinheit mit einem räuberischen Angriff auf Kraftfahrer
schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten P. zu einer Freiheitsstrafe
von vier Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten H. zu einer
Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.
Die Angeklagten rügen mit ihren Revisionen die Verletzung
sachlichen Rechts. Die Rechtsmittel haben jeweils zum Strafausspruch
Erfolg; im übrigen sind sie unbegründet im Sinne des
§ 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Strafaussprüche können schon deshalb nicht
bestehen bleiben, weil das Landgericht den Beschwerdeführern
rechtsfehlerhaft strafschärfend angelastet hat, daß
auf den Geschädigten "allein aus eigennützigen und
habsüchtigen Beweggründen der Tatbeteiligten
eingewirkt wurde". Dies verstößt gegen das in
§ 46 Abs. 3 StGB umschriebene Doppelverwertungsverbot. Die den
Beschwerdeführern angelastete Eigennützigkeit
gehört zum Regelbild der verwirklichten
Straftatbestände und ist daher kein zulässiger
Strafschärfungsgrund.
Der Senat kann nicht ausschließen, daß sich diese
rechtsfehlerhafte Erwägung zum Nachteil der
Beschwerdeführer auf die Bemessung der gegen sie
verhängten Freiheitsstrafen ausgewirkt hat.
2. Hinsichtlich des Angeklagten P. hat das Landgericht zudem auf die
vor dem Inkrafttreten des 6. StrRG begangenen Tat sowohl neues Recht
(§ 316 a Abs. 2 StGB) als auch altes Recht (§ 250
Abs. 2 StGB) angewendet. Die gleichzeitige Anwendung alten und neuen
Rechts verstößt gegen den Grundsatz strikter
Alternativität (vgl. BGHSt 37, 320, 322; BGH NStZ 1997, 188;
2000, 136). In Fällen, in denen die Anwendung alten und neuen
Rechts in Betracht kommt, ist ein Gesamtvergleich des früheren
und des derzeit geltenden Rechts anzustellen; anzuwenden ist das Recht,
das im konkreten Fall mit seinen Besonderheiten die mildeste
Beurteilung zuläßt (vgl. BGHSt 20, 22, 25; BGH
NStZ-RR 1998, 103, 104; 105, 106; BGH NStZ 2000, 136). Dies ist bei
Annahme tateinheitlich verwirklichter (§ 52 Abs. 2 Satz 1
StGB) jeweils minder schwerer Fälle des schweren Raubes und
des räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer das neue Recht, da
der Strafrahmen für minder schwere Fälle nach
§ 316 a Abs. 2 StGB n.F. ein Jahr bis zehn Jahre
Freiheitsstrafe beträgt, § 316 a Abs. 1 StGB a.F.
hingegen für den minder schweren Fall einen Strafrahmen von
einem Jahr bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe vorsah.
3. Der neue Tatrichter wird hinsichtlich beider Angeklagter die Frage
der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe nach §
55 Abs. 1 Satz 1 StGB zu prüfen haben. Zwar ist das
Landgericht zutreffend davon ausgegangen, daß die bei
Erlaß des angefochtenen Urteils bereits vollstreckten und
damit erledigten Geldstrafen aus früheren Verurteilungen
für die Gesamtstrafenbildung außer Betracht bleiben
müssen. Damit kommt aber diesen früheren
Verurteilungen entgegen der Auffassung des Landgerichts keine
Zäsurwirkung mehr zu (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz
1 Fehler 2; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 55 Rdn.
5 a m.w.N.). Hinsichtlich des Angeklagten P. wird daher die
Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts
Halle-Saalkreis vom 22. September 1998, hinsichtlich des Angeklagten H.
die Einbeziehung der Einzelstrafen aus seiner Verurteilung durch das
Amtsgericht Halle-Saalkreis vom 26. November 1997 in Verbindung mit dem
Urteil des Landgerichts Halle vom 29. Juni 1998 zu prüfen sein.
Sofern zum Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils
die Voraussetzungen für eine Gesamtstrafenbildung nach
§ 55 StGB vorgelegen haben, ist diese auch dann nachzuholen,
wenn die früher verhängten Strafen
inzwischen erledigt sind (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1
Erledigung 1; Fehler 2).
Meyer-Goßner Maatz Kuckein
Athing Ernemann |