BGH,
Beschl. v. 2.6.2006 - 2 StR 146/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 146/06
vom
2.6.2006
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung der
Beschwerdeführerin am 2.06.2006 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Gießen vom 17. Januar 2006 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung zur Unterbringung
der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat gegen die Angeklagte wegen
bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 18
Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs
Monaten verhängt. Mit ihrer Revision rügt sie die
Verletzung materiellen Rechts.
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Das Rechtsmittel ist im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO
unbegründet, soweit es sich gegen den Schuld- und
Strafausspruch richtet. Aufzuheben ist das
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Urteil jedoch, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung der
Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Nach den Feststellungen konsumierte die u. a. wegen
Betäubungsmitteldelikten bestrafte Angeklagte seit etwa ihrem
18. Lebensjahr Cannabisprodukte und Amphetamine, zuletzt etwa 1 g
Haschisch und 1 g Amphetamin täglich. Außerdem trank
sie täglich etwa eine halbe Flasche Cognac. Nach ihrer
Verhaftung im Mai 2005 litt die Angeklagte für drei bis vier
Wochen unter Entzugserscheinungen wie Nervosität, Unruhe und
Schlafstörungen. Nach Außervollzugsetzung des
Haftbefehls hat sie regelmäßig die
Drogenberatungsstelle besucht. Sie ist zu einer stationären
Therapie bereit.
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Die Taten beging sie auch aufgrund ihrer
Betäubungsmittelabhängigkeit, da sie nicht
über ausreichende andere Möglichkeiten
verfügte, sich Barmittel für den Erwerb der Drogen zu
verschaffen.
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Angesichts dieser Feststellungen, die einen Hang der Angeklagten zu
übermäßigem Rauschmittelkonsum sowie einen
symptomatischen Zusammenhang zwischen den Taten und ihrer
Abhängigkeit belegen, hätte der Tatrichter
prüfen und entscheiden müssen, ob bei der Angeklagten
die Gefahr besteht, dass sie auch in Zukunft infolge ihres Hanges
erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Das Landgericht, das bei
der Bemessung der Gesamtstrafe selbst ausgeführt hat, dass der
Angeklagten möglichst bald der Weg in die Therapie nach
§§ 35, 36 BtMG eröffnet werden soll, ist
auch davon ausgegangen, dass bei der Angeklagten eine hinreichend
konkrete Aussicht eines Behandlungserfolgs besteht. Bei Vorliegen der
rechtlichen Voraussetzungen der Maß-regel nach § 64
StGB ist aber die Anordnung der Unterbringung zwingend. Hiervon darf
nicht abgesehen werden, weil eine Zurückstellung der Strafvoll-
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streckung nach § 35 BtMG ins Auge gefasst ist (vgl. BGH bei
Holtz MDR 1992, 932; BGH, Beschl. v. 16. Juni 1998 - 4 StR 235/98; BGH
NStZ-RR 2003, 12).
Dass nur die Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung
der Unterbringungsanordnung nicht. Die Beschwerdeführerin hat
die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch
nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.
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Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei
Anordnung der Unterbringung eine geringere Strafe verhängt
hätte.
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Rissing-van Saan Otten Rothfuß
Roggenbuck Appl |