BGH,
Beschl. v. 2.5.2001 - 2 StR 149/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 149/01
vom
2. Mai 2001
in der Strafsache gegen
wegen Betrugs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 2. Mai 2001
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Marburg vom 19. Dezember 2000
a) aufgehoben, soweit der Angeklagte im Fall II, 8 verurteilt wurde;
insoweit wird das Verfahren eingestellt; die Staatskasse hat die
hierdurch entstandenen Kosten des Verfahrens und notwendigen Auslagen
des Angeklagten zu tragen;
b) im Schuldspruch dahin geändert, daß der
Angeklagte des Betrugs in 15 Fällen und des versuchten Betrugs
in zwei Fällen, in allen Fällen in Tateinheit mit
Urkundenfälschung, schuldig ist;
c) im Strafausspruch mit den Feststellungen zu den Vorstrafen
aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Das weitergehende Rechtsmittel wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 18
Fällen, wobei es in zwei Fällen beim Versuch blieb,
in 16 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung und
in zwei Fällen in Tateinheit mit mittelbarer Falschbeurkundung
zu der Gesamtfreiheitstrafe von vier Jahren verurteilt. Der Angeklagte
rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen und
materiellen Rechts.
Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlußformel
ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist es offensichtlich
unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Die Verurteilung wegen der Tat II, 8 ist aufzuheben und das
Verfahren einzustellen, weil diese Tat verjährt ist.
Bei einem Betrug der vorliegenden Art, der auf das Erlangen von
laufenden Bafög-Leistungen gerichtet war, beginnt die
Verjährung erst mit dem Erlangen des letzten
Vermögensvorteils (BGHSt 27, 342 f.; Tröndle/Fischer,
StGB 50. Aufl. § 78 a Rdn. 3 m.w.N.). Der Angeklagte erhielt
in diesem Fall Leistungen bis zum September 1994. Die
fünfjährige Verjährungsfrist
(§§ 263, 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) endete daher
spätestens mit dem 30. September 1999. Die
Verfolgungsverjährung wurde jedoch erstmals durch die
Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts Marburg vom 25. Oktober 1999
unterbrochen (§ 78 c Abs. 1 Nr. 4 StGB).
2. In den Fällen II, 15 und 16 hat sich der Angeklagte
tateinheitlich zum Betrug nicht der mittelbaren Falschbeurkundung
(§ 271 StGB), sondern der Urkundenfälschung
(§ 267 StGB) schuldig gemacht.
Der Angeklagte hat zum betrügerischen Erlangen eines
Postgraduiertenstipendiums (Fall 15) und einer Anstellung als
Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Universität M. (Fall
16) Kopien eines gefälschten Zeugnisses über das
Bestehen der Ersten juristischen Staatsprüfung vorgelegt. Er
hatte bereits bei früherer Gelegenheit das Zeugnisformular auf
dem Computer erstellt, das Formular mit der Schreibmaschine
ausgefüllt, einen Dienstsiegelabdruck von einem anderen
Zeugnis aufgebracht und die Unterschrift des Präsidenten des
Justizprüfungsamts gefälscht. Von diesem Zeugnis
hatte er Kopien gefertigt, die er von der Stadtverwaltung bzw. dem
Ortsgericht in Ma. hat beglaubigen lassen.
Hierdurch hat der Angeklagte weder eine falsche Beurkundung bewirkt,
noch hat er sie gebraucht. Die Beglaubigung einer Kopie
bestätigt nicht die inhaltliche Richtigkeit des
Schriftstücks, dessen Kopie beglaubigt wird. Beglaubigt wird
vielmehr lediglich, daß die Kopie mit dem bei der
Beglaubigung vorgelegten Schriftstück übereinstimmt.
Mittelbare Falschbeurkundung kommt in diesem Zusammenhang dann in
Betracht, wenn der Täter bewirkt, daß eine Kopie
oder Abschrift beglaubigt wird, die in Wirklichkeit nicht mit dem
Original übereinstimmt, also inhaltlich falsch ist (vgl.
hierzu Cramer in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl.
§ 267 Rdn. 40 a). Hiervon zu unterscheiden ist der vorliegende
Sachverhalt, bei dem nicht der Beglaubigungsvermerk falsch war, sondern
das Originalschriftstück gefälscht war, dessen Kopie
beglaubigt wurde.
Der Angeklagte hat jedoch das tatsächlich existierende
gefälschte
Examenszeugnis dadurch zur Täuschung im Rechtsverkehr
gebraucht, daß er die beglaubigte Kopie hiervon anstelle des
gefälschten Originals bei seinen Stipendien- und
Anstellungsbewerbungen zusammen mit den übrigen
Bewerbungsunterlagen vorgelegt hat. Hierin liegt ein
tatbestandsmäßiges Gebrauchmachen von dem
gefälschten Examenszeugnis (vgl. Tröndle/Fischer
a.a.O. § 267 Rdn. 24 m.w.N.).
Der Schuldspruch ist daher dahin zu ändern, daß der
Angeklagte auch in den Fällen II, 15 und 16 tateinheitlich zum
Betrug eine Urkundenfälschung begangen hat. § 265
StPO steht der Änderung nicht entgegen, da sich der Angeklagte
auch gegen diesen Vorwurf nicht erfolgreicher hätte
verteidigen können.
3. Der Strafausspruch und die Feststellungen zu den Vorstrafen haben
keinen Bestand.
a) Das Landgericht hat unter Verstoß gegen § 51 Abs.
1 BZRG die Vorverurteilungen des Angeklagten durch das Amtsgericht
Marburg vom 7. November 1990 zu der Geldstrafe von 180
Tagessätzen und vom 21. Juni 1991 zu der Geldstrafe von 20
Tagessätzen bei der Strafzumessung zum Nachteil des
Angeklagten verwendet. Diese Verurteilungen waren jedoch zum Zeitpunkt
der Aburteilung am 19. Dezember 2000 gemäß
§ 46 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 Buchst. a, § 47
Abs. 1 und 3 i.V.m. §§ 35, 36 BZRG tilgungsreif, weil
die zehn- und fünfjährigen Tilgungsfristen bereits im
November 2000 abgelaufen waren. Die Feststellungen zur Strafzumessung
sind von dem Rechtsfehler jedoch nur insoweit berührt, als sie
die beiden Vorstrafen des Angeklagten betreffen. Im übrigen
können sie daher bestehen bleiben.
b) Das Landgericht hat ferner alle Betrugstaten als besonders schwere
Fälle gemäß § 263 Abs. 3 Nr. 1
StGB in der ab 1. April 1998 geltenden Fassung des 6.
Strafrechtsreformgesetzes gewertet und sie als
gewerbsmäßig bezeichnet, obwohl die Taten II, 1-15
vor dem 1. April 1998 begangen wurden. Das Landgericht meint, die neue
Gesetzesfassung sei für den Angeklagten milder als das
Tatzeitrecht (§ 2 Abs. 3 StGB), weil die Mindeststrafe
für besonders schwere Fälle des Betrugs in der
Neufassung des Gesetzes von einem Jahr auf sechs Monate Freiheitsstrafe
herabgesetzt worden sei. Bei der Prüfung, ob das neue Recht
milder ist als das Tatzeitrecht, hätte das Landgericht aber
zunächst erörtern müssen, ob nach
früherem Recht überhaupt - nicht benannte - besonders
schwere Fälle im Sinne des § 263 Abs. 3 StGB aF
vorliegen. Die Annahme besonders schwerer Fälle des Betrugs
versteht sich trotz der nicht unerheblichen Schadensbeträge
und der gewerbsmäßigen Tatbegehung nicht von selbst
und hätte daher näher erörtert werden
müssen. Dies ist jedoch nicht geschehen.
Bode Otten Rothfuß
Fischer Ri´inBGH Elf ist
wegen Urlaubs ver-
hindert, ihre Unterschrift
beizufügen.
Bode
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