BGH,
Beschl. v. 20.4.2004 - 4 StR 474/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 474/03
vom
20.04.2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges
- 2 -
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 20.04.2004
gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Dortmund vom 31. März 2003 in den
Strafaussprüchen
aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der
Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten Sch. wegen Betruges zu einer
Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten
K. wegen Betruges in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von zwei
Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit ihren Revisionen
rügen die Angeklagten
die Verletzung sachlichen Rechts; der Angeklagte K. hat sein
Rechtsmittel
wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.
Die Rechtsmittel führen zur Aufhebung der
Strafaussprüche; soweit sich
die Angeklagten gegen die zugrundliegenden Feststellungen - der
Angeklagte
Sch. darüber hinaus auch gegen den Schuldspruch - wenden, sind
die
Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2
StPO.
- 3 -
Das Landgericht hat die gegen den Angeklagten Sch. verhängte
Strafe
dem Strafrahmen des durch das 6. Strafrechtsreformgesetz neu
gefaßten
§ 263 Abs. 3 Satz 1 StGB entnommen, der am 1. April 1998 in
Kraft getreten
ist. Dies ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden. Zutreffend
hat das
Landgericht die mittäterschaftliche Beteiligung des
Angeklagten Sch. an den
von dem Angeklagten K. in dem Zeitraum Januar bis Juni 1998
tatmehrheitlich
begangegen Taten materiell-rechtlich als eine Tat gewertet, so
daß der bei
Beendigung dieser Tat geltende § 263 Abs. 3 StGB n. F.
anwendbar ist (§ 2
Abs. 2 StGB). Es kann dahinstehen, ob auch der Angeklagte Sch. , wie das
Landgericht meint, das Regelbeispiel der
Gewerbsmäßigkeit, das ein Handeln
des Täters mit Wiederholungsabsicht voraussetzt (vgl.
Tröndle/Fischer StGB
51. Aufl. Vor § 52 Rdn. 37 m.N.), verwirklicht hat, denn nach
den Feststellungen
liegt jedenfalls ein unbenannter besonders schwerer Fall im Sinne des
§ 263 Abs. 3 StGB n.F. vor.
Soweit es den Angeklagten K. betrifft, hat das Landgericht zwar
zutreffend
in allen Fällen ein gewerbsmäßiges Handeln
bejaht. Hinsichtlich der
vor dem 1. April 1998 beendeten Taten kann der für sich
genommen mildere
Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB n.F. aber nur dann als
milderes Gesetz im
Sinne des § 2 Abs. 3 StGB Anwendung finden, wenn diese Taten
auch als -
nicht benannte - besonders schwere Fälle im Sinne des
§ 263 Abs. 3 StGB a.F.
anzusehen sind (vgl. BGH wistra 2002, 63). Es kann dahinstehen, ob die
vom
Landgericht getroffenen Feststellungen, wie der Generalbundesanwalt
meint,
auch zur Annahme besonders schwerer Fälle nach der alten
Fassung des
§ 263 StGB geführt hätten. Die
Strafaussprüche können schon deshalb insgesamt
keinen Bestand haben, weil sie auf einer rechtsfehlerhaften Wertung
beruhen.
- 4 -
Das Landgericht hat zur Bemessung der Strafen unter anderem
ausgeführt:
"Strafschärfend wirkte sich auch aus, dass die Angeklagten
die Falschaussagen der Zeugin G. bei ihrer ersten
Vernehmung und des Zeugen H. geduldet haben, welches
im Zusammenwirken mit der Vorgehensweise während der
gesamten Hauptverhandlung bis zu dem Zeitpunkt des
Geständnisses
auf eine rechtsfeindliche Gesinnung hinweist."
Die Revisionen beanstanden diese Erwägungen zu Recht. Nach den
Feststellungen haben die Angeklagten weder die Zeugin G. , die im
übrigen
ihre Aussage nach dem Geständnis der Angeklagten berichtigt
hat, noch
den Zeugen H. zu ihren Falschaussagen verleitet. Das bloße
Dulden einer
falschen Aussage in der Hauptverhandlung darf aber nicht
strafschärfend gewertet
werden. Ein solches Prozeßverhalten erfüllt - von
hier nicht vorliegenden
Ausnahmen abgesehen - keinen Straftatbestand (vgl. BGHSt 17, 321). Es
dennoch strafschärfend zu verwerten, wäre nur dann
zulässig, wenn es nicht
allein auf Furcht vor Bestrafung beruhte, sondern Ausdruck von
Rechtsfeindlichkeit
und Uneinsichtigkeit wäre (BGHR StGB § 46 Abs. 2
Nachtatverhalten
20 m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluß vom 10. März 1998
- 4 StR 66/98). Die
Annahme des Landgerichts, das Prozeßverhalten der Angeklagten
während
der Hauptverhandlung bis zu dem Zeitpunkt der Geständnisse
weise auf eine
rechtsfeindliche Gesinnung der Angeklagten hin, ist durch die
Feststellungen
nicht belegt. Das Bestreiten der Tatvorwürfe durch die
Angeklagten und die
vom Angeklagten Sch. "durch Gesten oder Erinnern der Verteidiger"
unterstützte
intensive Befragung von als Zeugen vernommenen Geschädigten
durch
seine Verteidiger überschreiten nicht die Grenzen angemessener
Verteidigung
- 5 -
und lassen daher keine Rückschlüsse auf eine
rechtsfeindliche Einstellung der
Angeklagten zu (vgl. nur BGH NStZ-RR 1999, 328 m.w.N.).
Obwohl die gegen die Angeklagten verhängten Strafen
außerordentlich
milde sind, kann der Senat nicht mit letzter Sicherheit
ausschließen, daß sich
die aus den genannten Gründen rechtsfehlerhafte
strafschärfende Berücksichtigung
des Prozeßverhaltens auf die Bemessung der Strafen ausgewirkt
hat.
Die den Strafaussprüchen zugrundeliegenden Feststellungen
können
jedoch, weil sie durch die aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen
werden,
bestehen bleiben.
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanovi Ernemann |