BGH,
Beschl. v. 20.10.2009 - 3 StR 410/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 410/09
vom
20. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 20. Oktober
2009 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel
vom 28. Mai 2009 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des
Landgerichts Lübeck zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht Kiel hatte den Angeklagten zunächst wegen
Untreue und uneidlicher Falschaussage zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur
Bewährung ausgesetzt. Dieses Urteil hob der Senat auf die
Revision des Angeklagten wegen sachlich-rechtlicher Fehler in vollem
Umfang auf. Nach erneuter Hauptverhandlung verurteilte das Landgericht
den Angeklagten wegen Untreue zur Freiheitsstrafe von einem Jahr und
zwei Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung. Auf die
Revision des Angeklagten hob der Senat dieses Urteil mit Beschluss vom
17. Juli 2007 im Strafausspruch auf, verwies im Umfang der Aufhebung
die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurück und verwarf die
weitergehende Revision (BGH wistra 2007, 422). Die gegen diese
Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde des Angeklagten nahm das
Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung an
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(BVerfG NStZ 2009, 560 ff.). Mit Urteil vom 28. Mai 2009 hat das
Landgericht den Angeklagten nunmehr zu einer Freiheitsstrafe von einem
Jahr und einem Monat verurteilt und deren Vollstreckung zur
Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet sich die Revision des
Angeklagten mit sachlichrechtlichen Beanstandungen. Das Rechtsmittel
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
1. Nach den Feststellungen zahlte der Angeklagte, ein Notar, im
Dezember 1999 entgegen der mit einer Bank geschlossenen
Treuhandvereinbarung den auf sein Notaranderkonto
überwiesenen, von der Bank einem
Grundstückskäufer gewährten Darlehensbetrag
i. H. v. 2,7 Mio. DM an die Verkäufer des Grundstücks
aus, obwohl weder die Kosten für die Eintragung einer als
Sicherheit für das Darlehen bestellten Grundschuld in das
Grundbuch gezahlt waren noch für ihre Zahlung eine Sicherheit
oder eine Gebührenbefreiung vorlag. Erst im Jahre 2003 wurde
die erstrangige Grundschuld in das Grundbuch eingetragen, sodass die
das Darlehen gewährende Bank nachträglich die
vertraglich vereinbarte Sicherheit erhielt.
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In dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht bei der Strafzumessung
zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass die "schadensgleiche
Vermögensgefährdung" der Bank mit jedenfalls 500.000
€ besonders hoch war. Es hat ausgeführt, zur
Feststellung der Höhe der
"Vermögensgefährdung" sei der Wert des durch die
Grundschuld gesicherten Darlehensrückzahlungsanspruchs dem
Wert der ungesicherten, von einem Totalverlust gefährdeten
Forderung gegenüberzustellen. Während der Wert der
ungesicherten Forderung mit 0 € zu veranschlagen sei, sei
für den Wert der gesicherten Forderung jedenfalls der Betrag,
der im Rahmen einer Zwangsversteigerung für das
Grundstück zu erlösen gewesen wäre,
abzüglich der anfallenden Kosten anzusetzen.
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2. Gegen die Berechnung des durch die treupflichtwidrige Handlung des
Angeklagten der Darlehensgeberin entstandenen
Vermögensnachteils bestehen durchgreifende rechtliche
Bedenken, sodass die vom Landgericht zugemessene Strafe nicht bestehen
bleiben kann.
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Die Höhe des der Kredit gewährenden Bank durch die
Auszahlung der Darlehenssumme als Kaufpreis an die
Grundstücksverkäufer entstandenen
Vermögensnachteils im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB
bestimmt sich nach einem Vergleich der Vermögenslage der Bank
vor und nach der treuwidrigen Verfügung des Angeklagten. Die
Vermögenslage der Bank vor der Verfügung war dadurch
gekennzeichnet, dass sie durch die Überweisung der
Darlehensvaluta auf das Treuhandkonto des Angeklagten den Kreditbetrag
bereits aus ihrem Vermögen weggegeben hatte. Dem standen
indessen ihre Ansprüche gegen den Angeklagten aus dem
Treuhandvertrag gegenüber, weil dieser die Darlehensvaluta nur
bei Erfüllung der Treuhandauflagen als Kaufpreiszahlung an die
Grundstücksverkäufer auskehren durfte. Da die
Feststellungen keinen Anhalt dafür bieten, dass der Angeklagte
von Anfang an die ihm erteilten Auflagen nicht einhalten wollte, stand
der Bank daher zu diesem Zeitpunkt in Höhe des vollen
Darlehensbetrages eine gleichwertige Sicherheit als
Vermögensposition zu. Diese entfiel, als der Angeklagte die
Darlehenssumme an die Grundstücksverkäufer auszahlte.
An ihre Stelle trat der Darlehensrückzahlungsanspruch gegen
den Grundstückskäufer sowie zu dessen Absicherung die
dinglich vereinbarte und bewilligte erstrangige Grundschuld, deren
zeitnahes wirksames Entstehen durch Eintragung in das Grundbuch jedoch
wegen der fehlenden Kostendeckung bzw. -befreiung noch nicht
sichergestellt war.
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Zutreffend ist das Landgericht vor diesem Hintergrund zwar davon
ausgegangen, dass der der Bank durch die treuwidrige Verfügung
des Angeklagten
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entstandene Vermögensnachteil durch einen Vergleich dieser
Situation mit der Vermögenslage der Bank zu ermitteln ist, die
sich ergeben hätte, wenn der Angeklagte die Darlehensvaluta
auftragsgemäß erst nach Deckung der Kosten
für die Eintragung der Grundschuld in das Grundbuch ausgekehrt
hätte. Denn nach der in den vertraglichen Vereinbarungen zum
Ausdruck gekommenen Risikoabschätzung der Bank wäre
in diesem Fall der Darlehensrückzahlungsanspruch in nicht
geringerer Weise gesichert gewesen als es ihr
Rückzahlungsanspruch gegen den Angeklagten für den
Fall des Nichteintritts der Auszahlungsbedingungen gewesen war. Dies
entspricht dem Grundsatz, dass der Vermögensnachteil des
Treugebers allein an den das Vermögen mindernden Auswirkungen
gerade der treupflichtwidrigen Handlung zu bemessen ist. Die Auffassung
des Landgerichts, die Forderung der Bank auf
Darlehensrückzahlung sowie deren Absicherung durch die
vereinbarte und bewilligte, aber noch nicht im Grundbuch eingetragenen
Grundschuld sei mit 0 € zu bewerten, wird jedoch von den
Feststellungen nicht getragen. Diese Forderung wäre nur dann
völlig wertlos, wenn der Darlehensnehmer und
Grundstückskäufer nicht willens oder in der Lage
gewesen wäre, den Kredit aus seinem Vermögen und
seinem Einkommen, zu denen die zu erwartenden Einnahmen aus der Nutzung
des erworbenen Grundstücks zählen, auch nur teilweise
zu tilgen. Hierfür ist nichts ersichtlich. Ebenso wenig ist
erkennbar, dass die vereinbarte und zur Eintragung ins Grundbuch
bewilligte und beantragte Grundschuld nur deshalb zur (teilweisen)
Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs völlig
wertlos war, weil ihrer Eintragung allein noch die fehlende
Kostendeckung entgegenstand, für die notfalls die Bank selbst
hätte sorgen können (s. zur Bestimmung des
Vermögensnachteils im vergleichbaren Fall einer treuwidrigen
Darlehensgewährung BGH, Urt. vom 13. August 2009 - 3 StR
576/08 - Rdn. 25).
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Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wird den durch die
treupflichtwidrige Verfügung bedingten Minderwert des
Darlehensrückzahlungsanspruchs der Bank nach bilanzrechtlichen
Maßstäben zu errechnen (BGH NStZ 2009, 330, 331)
oder - bei verbleibenden Unsicherheiten - unter Beachtung des
Zweifelsatzes im Wege der Schätzung zu bestimmen (BGH NJW
2008, 2451, 2452) und sich hierzu gegebenenfalls der
Unterstützung durch einen Sachverständigen zu
bedienen haben. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass
Veränderungen des Marktwertes des in Rede stehenden
Grundstücks und des Wertes der bewilligten Grundschuld als
Sicherheit ebenso wie Änderungen in der finanziellen
Leistungsfähigkeit des Grundstückserwerbers, die erst
nach der treuwidrigen Verfügung des Angeklagten entstanden
sind, für die Bestimmung des Vermögensnachteils im
Sinne des § 266 Abs. 1 StGB keine Relevanz gewinnen; denn
derartige Umstände liegen in dem von der Bank durch die
Darlehensgewährung eingegangenen wirtschaftlichen Risiko und
stehen in keinem zurechenbaren Zusammenhang mit der Pflichtverletzung
des Angeklagten.
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3. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2
Satz 1 StPO Gebrauch gemacht und die Sache an das Landgericht
Lübeck zur neuen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.
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Becker Pfister von Lienen
Hubert Mayer |