BGH,
Beschl. v. 20.9.2000 - 3 StR 19/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 19/00
vom
20. September 2000
in der Strafsache gegen
wegen Untreue
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 20. September 2000 einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Hildesheim vom 28. Mai 1999 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue zu einer
Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine
Revision, mit der er verfahrens- und sachlichrechtliche Einwendungen
erhebt, ist unbegründet.
I. Nach den Feststellungen war der Angeklagte, ein Rechtsanwalt und
Notar, Treuhänder der P. GmbH, einer Firma für die
Vermittlung von Kapitalanlagen. Die über diese Firma
angelegten Gelder gelangten jedoch nicht an die Börse, sie
gingen vielmehr in einem von mehreren Personen vornehmlich mit Hilfe
der F GmbH & Co KG betriebenen Schneeballsystem unter. Das
Landgericht geht davon aus, daß der Angeklagte hiervon nichts
wußte. Ein Teil der Kunden wurde der P. GmbH von einer
weiteren Kapitalanlagevermittlungsgesellschaft, der Pr. GmbH,
zugeführt. Nachdem diese einen Rechtsanwalt beauftragt hatte,
die Geschäftsunterlagen zu überprüfen, und
eine in den Werbeprospekten behauptete Wertpapierabsicherung durch
Bankbürgschaft nicht nachgewiesen werden konnte, schlossen die
beiden Unternehmen im April 1993 eine auch von dem Angeklagten
unterzeichnete Vereinbarung. Danach kam dem Angeklagten die Rolle eines
Treuhänders für ein bei der C. bank D. neu
eingerichtetes Konto zu. Auf diesem Konto sollte ein Festgeldbetrag in
Höhe von 91 % der von den Pr. -Kunden angelegten Gelder
hinterlegt werden. In der Folgezeit wurden insgesamt 9,5 Millionen DM
von der P. GmbH und der F GmbH & Co KG eingezahlt. Damit waren
die Pr. -Kunden in der genannten Höhe abgesichert. Berufliche
und private Investitionen des Angeklagten führten zu einem
finanziellen Engpaß im Frühsommer 1995. Gleichzeitig
blieben die Rücküberweisungen der angelegten
Kundengelder einschließlich der Renditen aus, so
daß der Angeklagte seine Gebühren nicht mehr wie
vereinbart aus dem Renditeanteil der P. GmbH auf dem Ertragskonto
entnehmen konnte. Im Juli 1995 veranlaßte er aufgrund seiner
prekären finanziellen Situation, daß auf den Namen
seines Kanzleikollegen G. ein Konto eingerichtet wurde sowie die
Überweisung von etwa 1,17 Millionen DM von dem
Sicherheitenkonto für die Pr. -Kunden auf die neue
Bankverbindung. Dabei handelte es sich zum einen um der P. GmbH
zustehende Zinsen etc., zum anderen um Sicherheitsbeträge
für Anleger, die einen Folgevertrag abgeschlossen hatten und
die der Angeklagte deshalb herausgerechnet hatte. Das Geld wurde sodann
tatsächlich auf das Konto von G. transferiert.
II. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung hat aus den Gründen der Antragsschrift
des Generalbundesanwalts vom 9. Mai 2000 auch unter
Berücksichtigung des weiteren Revisionsvorbringens keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, § 349 Abs.
2 StPO. Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Das Verfahrenshindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit
bzw. des Strafklageverbrauchs liegt nicht vor. Der Senat hat in dem
Verfahren 3 StR 88/00 die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des
Landgerichts Hildesheim vom 12. Mai 1999 (24 KLs 990 Js 4420/98) durch
Beschluß vom heutigen Tage verworfen. Dort ist der Angeklagte
wegen Betruges verurteilt worden, weil er ab Sommer 1993 erkannte,
daß die Kundengelder nicht
vereinbarungsgemäß angelegt und abgesichert wurden,
und in der Folgezeit als Mittelverwendungstreuhänder an dem
Schneeballbetrug mitwirkte. Bei diesem Geschehen handelt es sich jedoch
entgegen der Ansicht der Revision um eine andere Tat. Der Revision ist
zwar zuzugeben, daß in dem vorliegenden Verfahren ein
Betrugsvorsatz des Angeklagten im Gegensatz zu dem Parallelverfahren
nicht festgestellt werden konnte. Auch dieser Gesichtspunkt
führt jedoch nicht zu einer Identität der beiden
Verfahren. Insbesondere liegt materiellrechtlich keine mitbestrafte
Nachtat vor, die auch zu der Annahme einer Tat im prozessualen Sinne
führen könnte. Dagegen spricht zunächst
schon der Umstand, daß die auf dem Konto befindlichen Gelder
zu einem Zeitpunkt eingezahlt wurden, der vor Beginn des in dem
Parallelverfahren abgeurteilten Betruges liegt. Im übrigen
gelten zur mitbestraften Nachtat folgende Grundsätze: Durch
eine Nachtat werden die Erfolge der Vortat lediglich gesichert,
ausgenutzt oder verwertet. Sie bleibt straflos, wenn sich aus dem
Funktionszusammenhang der auf den Sachverhalt anzuwendenden
Vorschriften ergibt, daß ihr gegenüber der Haupttat
kein eigenständiger Unrechtsgehalt zukommt. Dann besteht kein
Bedürfnis, sie neben der Haupttat selbständig zu
bestrafen, sie ist bereits durch diese mit abgegolten. Voraussetzung
für die Straflosigkeit ist dabei im einzelnen, daß
die Geschädigten der beiden Straftaten identisch sind, die
Nachtat kein neues Rechtsgut verletzt und der Schaden qualitativ nicht
über das durch die Haupttat verursachte Maß hinaus
erweitert wird (vgl. Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. Vor
§§ 52 ff Rdn. 121, 123, 125).
Wendet man dies auf das Verhältnis zwischen Betrug und Untreue
an, so ergibt sich, daß auf einen Betrug dann eine
mitbestrafte Untreue folgen kann, wenn diese nur zur Sicherung oder
Verwertung der durch den Betrug erlangten Stellung dient (vgl. etwa die
Fallgestaltung in BGHR StGB § 263 Abs. 1 Konkurrenzen 5).
Dagegen können Betrug und Untreue tateinheitlich
zusammentreffen, wenn etwa dem durch den Betrug eingetretenen Nachteil
durch das ungetreue Verhalten des Täters ein besonderer
Schaden hinzugefügt wird (vgl. BGH GA 1971, 83, 84).
Soweit die Strafkammer eine Untreue zum Nachteil der P. GmbH angenommen
hat, hat sie einen von dem Betrug gegenüber den Anlegern
gänzlich verschiedenen Sachverhalt abgeurteilt. Der
vorliegende Sachverhalt ist im übrigen dadurch besonders
gekennzeichnet, daß zur Sicherung der Pr. -Kunden - und nur
dieser - das Treuhandkonto eingerichtet und gefüllt worden
ist. Im Gegensatz zu allen anderen Anlegern waren deshalb die Pr.
-Kunden in Höhe von 91 % des Anlagebetrages
tatsächlich abgesichert. Auch bei einem Verspekulieren des
Anlagebetrags konnte durch einen möglichen Rückgriff
auf dieses Konto in der genannten Höhe für diese
Anleger kein Schaden eintreten. Damit wurde - möglicherweise
mit zuvor ertrogenen Geldern - für eine ausgewählte
Anzahl von Kunden eine werthaltige Sicherheit geschaffen, auf die die
betreffenden Pr. -Kunden einen Anspruch hatten und über die
der Angeklagte treuhänderisch wachen sollte. Die Entwertung
dieser Sicherheit in Höhe des entnommenen Betrages stellt
somit einen über die reine Vertiefung oder Verwertung der
durch den vorausgehenden Anlagebetrug verlorenen Gelder hinausgehenden
selbständigen Schaden der betreffenden Anleger dar. Sie ist
deshalb materiellrechtlich keine mitbestrafte Nachtat sondern eine
tatmehrheitlich begangene und selbständig zu ahndende neue
Straftat.
Auch unter prozessualen Gesichtspunkten liegt ein neuer, sich von dem
abgeurteilten Betrug wesentlich unterscheidender Sachverhalt und damit
eine neue Tat vor. Mehrere sachlichrechtlich selbständige
Handlungen bilden nur dann eine Tat im Sinne des § 264 StPO,
wenn die einzelnen Handlungen nicht nur äußerlich
ineinander übergehen, sondern wegen der ihnen
zugrundeliegenden Vorkommnisse unter Berücksichtigung ihrer
strafrechtlichen Bedeutung auch innerlich derart miteinander
verknüpft sind, daß der Unrechts- und Schuldgehalt
der einen nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung
geführt haben, richtig gewürdigt werden kann und ihre
getrennte Würdigung und Aburteilung als unnatürliche
Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhaltes empfunden wird
(vgl. BGHSt 13, 21, 25; 23, 141, 146 f.; 23, 270, 272 ff.; 24, 185,
186; 29, 288, 292 f.). Dies ist hier bei Berücksichtigung der
dargestellten Umstände nicht der Fall.
2. Soweit die Revision einen Verstoß gegen die gerichtliche
Aufklärungspflicht rügt, weil die Strafkammer den
Zeugen V. nicht vernommen hat, liegt kein Rechtsfehler vor. Die
Strafkammer legt rechtsfehlerfrei dar, daß sie aufgrund des
Diktatzeichens und des Inhalts eines Schreibens an Rechtsanwalt B.
davon überzeugt ist, daß der Angeklagte nach dem
Termin bei der Staatsanwaltschaft am 17. Juli 1995 noch einmal in
seinem Büro war. Damit widerlegt sie ausdrücklich die
Einlassung des Angeklagten, er sei mit V. sogleich nach E. gefahren.
Bei dieser Beweislage war die Kammer ohne einen entsprechenden
Beweisantrag allein aufgrund ihrer Aufklärungspflicht nicht
zur Vernehmung des Zeugen V. gedrängt.
3. Die Verurteilung wegen Untreue begegnet auch sachlichrechtlich
keinen Bedenken.
Bezüglich der Untreue zum Nachteil der P. GmbH ist
ergänzend auszuführen, daß nach dem Inhalt
der von dem Angeklagten mit der P. GmbH und der Pr. GmbH geschlossenen
Vereinbarung der Angeklagte auch gegenüber der P. GmbH in
einem besonderen Treueverhältnis stand. Bezüglich des
Teils des dem Konto entnommenen Betrages, der nicht den Anlegern
zustand, weil es sich um rund 500.000, DM Zinsen etc. handelte, ist der
P. GmbH durch die Übertragung auf das Konto des Rechtsanwalts
G. ein Schaden entstanden.
Der Angeklagte handelte auch pflichtwidrig. In der zur Tatzeit
geltenden Vereinbarung mit der P. GmbH war bestimmt, daß der
Treuhänder berechtigt sein sollte, seine
Treuhandgebühren von dem Renditekonto aus dem Ertragsanteil
der Firma P. GmbH zu entnehmen. Diese Klausel ist zwar dahin
auszulegen, daß der Angeklagte seinen Anspruch auf Zahlung
der ihm zustehenden Gebühren auf unbürokratischem
Wege aus dem auf dem Renditekonto befindlichen Ertragsanteil
befriedigen durfte. Das zugunsten der Pr. -Anleger eröffnete
Sicherheitskonto war jedoch kein solches Renditekonto. Dem Angeklagten
war bekannt, daß im Frühsommer 1995 keine
Anlagegelder und Renditen mehr zurückkamen. Deshalb hatte er
zu diesem Zeitpunkt keine vertragsgemäße
Möglichkeit, seine Ansprüche zu befriedigen. Er
durfte somit nicht einfach auf ein anderes Konto als das Renditekonto
Zugriff nehmen. Nach den Feststellungen tat er dies gleichwohl, ohne
das Einverständnis des Geschäftsführers der
P. GmbH einzuholen. Dem Angeklagten war nach den Feststellungen auch
bewußt, daß er sich nicht auf diese Weise
befriedigen durfte, zumal er den Geschäftsführer der
P. GmbH im Oktober 1995 während dessen Inhaftierung
veranlaßte, eine auf den 13. Juli 1995 vordatierte,
inhaltlich unzutreffende Einverständniserklärung zu
unterzeichnen.
Soweit die Strafkammer den Angeklagten wegen Untreue zum Nachteil der
Pr. -Kunden, die der Angeklagte als Folgeanleger herausgerechnet hatte,
verurteilt hat, begegnet dies ebenfalls keinen durchgreifenden
rechtlichen Bedenken. Für diese rechtliche Würdigung
spricht, daß massive Probleme bezüglich der
Rückzahlung der Gelder auftraten, was dem Angeklagten bekannt
war, zumal dieser Umstand dazu geführt hatte, daß er
selbst in einen finanziellen Engpaß geriet. Auch waren ihm
die in diesem Zusammenhang durchgeführten
Täuschungsmanöver der
Geschäftsführer der Kapitalanlagegesellschaften
bekannt, mit denen die finanzielle Lage verschleiert werden sollte.
Angesichts dieser Umstände mußte er erst recht
dafür Sorge tragen, daß allen geschützten
Anlegern ihre Sicherheit nicht verloren ging. Entgegen der Ansicht der
Revision fielen die von dem Angeklagten herausgerechneten
Anlagebeträge nicht deshalb aus dem Schutz der
Sicherungsvereinbarung heraus, weil es sich um sogenannte
Anschlußanlagen und nicht mehr um die zum Zeitpunkt des
Abschlusses der Sicherungsvereinbarung vorhandenen
ursprünglichen Anlagebeträge handelte. Wie das
Landgericht dargelegt hat, sind die Gelder der einzelnen Anleger, die
nach ihrem Zahlungseingang in monatlich gebildeten Gesellschaften
bürgerlichen Rechts zusammengefaßt und
buchmäßig behandelt wurden, nicht
ordnungsgemäß abgerechnet worden. Im Falle einer
Anschlußanlage erhielt der Anleger lediglich eine
Umbuchungsbestätigung der P. GmbH, eine
Kapitalrückzahlung und anschließende Neueinzahlung
erfolgte nicht. Das Landgericht geht zutreffend davon aus,
daß eine einfache Umbuchung in den Unterlagen der P. GmbH
nach Sinn und Zweck der Treuhandabreden nicht genügen konnte,
um einen Abzug der Gelder von dem Sicherungskonto zu rechtfertigen. Im
Hinblick auf die angespannte finanzielle und wirtschaftliche Situation
hätte der Angeklagte die Anlagen zunächst
vollständig abwickeln, d. h. den Anlegern die
Sicherheitsbeträge zur Verfügung stellen
müssen. Diese hätten dann selbst entscheiden
können, ob sie das vorhandene Kapital erneut zur
Erfüllung der durch den Folgeauftrag gegenüber der P.
GmbH eingegangenen Verpflichtung einsetzen wollten oder nicht.
Letztlich kommt es hierauf jedoch nicht entscheidend an. Geht man wie
die Revision davon aus, daß die Folgeanleger den besonderen
Schutz der Treuhandvereinbarung verloren hatten, so stand das auf dem
Konto befindliche Guthaben nach den vertraglichen Vereinbarungen der P.
GmbH, nicht aber dem Angeklagten zu. Aus den oben bereits dargelegten
Gründen liegt dann jedenfalls auch insoweit eine Untreue zum
Nachteil der P. GmbH vor.
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