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BGH, Beschluss vom 20. September 2002 - 2 ARs 265/02


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 20.9.2002 - 2 ARs 265/02
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
StPO §§ 98 Abs. 2 Satz 4; 162 Abs. 1 Satz 1 und 2
Die Zuständigkeitskonzentration nach § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO setzt nicht
voraus, daß die Anträge für mindestens zwei richterliche Untersuchungshandlungen
gleichzeitig gestellt werden.
BGH, Beschluß vom 20. September 2002 - 2 ARs 265/02 - AG K.
- AG N.
- AG H.
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 ARs 265/02
2 AR 145/02
vom
20. September 2002
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
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wegen des Verdachts der Urkundenfälschung
Az.: 500 Js 16533/02 Staatsanwaltschaft K.
Az.: 72 Gs 70/02 Amtsgericht N.
Az.: 2050 Js 120/02 Staatsanwaltschaft H.
Az.: 160 Gs 995/02 Amtsgericht H.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
am 20. September 2002 beschlossen:
Zuständig für die beantragte Beschlagnahmeanordnung ist das
Amtsgericht K. .
Gründe:
Die Staatsanwaltschaft K. führt unter dem Aktenzeichen Js
gegen den Beschuldigten M. B. ein Ermittlungsverfahren. Dieses betrifft
unter anderem Vorfälle vom 24. Januar und vom 4. Februar 2002 in N.
. Dabei stellten Polizeibeamte am Pkw des Beschuldigten zwei Kennzeichenschilder
mit manipulierten Zulassungsplaketten und ein Kennzeichenschild
ohne Zulassungsstempel mit präparierter TÜV-Plakette sicher. Mit
Beschluß vom 11. Februar 2002 bestätigte das Amtsgericht - Ermittlungsrichter
- N. auf Antrag der Staatsanwaltschaft K. gemäß § 98
Abs. 2 StPO die erfolgten Sicherstellungen. Am 14. Februar 2002 führte der
Beschuldigte in H. seinen Pkw, an dem erneut ein Kennzeichenschild
ohne Zulassungsstempel und mit manipulierter TÜV-Plakette angebracht war.
Polizeibeamten stellten den Pkw, den Fahrzeugschein und das Kennzeichenschild
sicher. Das insoweit eingeleitete Ermittlungsverfahren hat die Staatsanwaltschaft
H. (Az.: Js ) im Hinblick auf das bei der Staatsanwaltschaft
K. unter dem Aktenzeichen Js geführte Verfahren
nach § 154 Abs. 1 StPO vorläufig eingestellt, jedoch auf Bitte der Staatsan-
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waltschaft K. bislang von der Herausgabe des Pkw an den Beschuldigten
abgesehen.
Die Staatsanwaltschaft K. wandte sich in ihrem Verfahren (Az.: Js
) am 6. Mai 2002 an das Amtsgericht N. mit dem Antrag, "gemäß
§§ 111 b Abs. 1, 111 c Abs. 1, 111 e Abs. 1 StPO" die Beschlagnahme
des Pkw einschließlich des Fahrzeugscheins anzuordnen. Sowohl das Amtsgericht
N. wie auch die Ermittlungsrichter der Amtsgerichte H.
und K. , an die sich die Staatsanwaltschaft ebenfalls wandte, haben ihre örtliche
Zuständigkeit verneint. Das Amtsgericht H. hat die Sache nunmehr
dem Bundesgerichtshof vorgelegt.
Dieser ist als gemeinschaftliches oberes Gericht für die Amtsgerichte
N , H. und K. gemäß § 14 StPO für die Entscheidung des
Zuständigkeitsstreit zuständig. Daß die Beschwerdemöglichkeiten durch die
Staatsanwaltschaft nicht ausgeschöpft sind, steht der Vorlage nicht entgegen
(Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 14 Rdn. 3).
Zuständig für die Entscheidung über die beantragte Beschlagnahmeanordnung
ist das Amtsgericht K. .
Die Zuständigkeit dieses Gerichts für den auf die §§ 111 b Abs. 1, 111 c
Abs. 1, 111 e Abs. 1 StPO gestützten Antrag auf "Beschlagnahme" des in
H. sichergestellten Kraftfahrzeugs (einschließlich des Kraftfahrzeugscheins)
ergibt sich aus § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO, der auch in Fällen des
§ 111 b StPO anwendbar ist (vgl. § 111 e Abs. 1 StPO; Kleinknecht/Meyer-
Goßner aaO Rdn. 9; Nack in KK 4. Aufl. Rdn. 1; Rudolphi in SK-StPO Rdn. 11
jeweils zu § 111 e; Seetzen NJW 1976, 497, 501).
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Zwar ist für die Anordnung richterlicher Untersuchungshandlungen
grundsätzlich das Amtsgericht berufen, in dessen Bezirk die für erforderlich
gehaltene Untersuchungshandlung vorzunehmen ist (§ 162 Abs. 1 Satz 1
StPO; vgl. auch § 98 Abs. 2 Satz 3 StPO). Diese Regelung trägt dem Umstand
Rechnung, daß richterliche Untersuchungshandlungen im Ermittlungsverfahren
regelmäßig eilbedürftig sind; sie entspricht dem Grundsatz der Sachnähe und
trägt zur Rechtsklarheit bei. Wenn aber die Staatsanwaltschaft richterliche Anordnungen
für die Vornahme von Untersuchungshandlungen in mehr als einem
Bezirk für erforderlich hält, ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk sie
ihren Sitz hat (§ 162 Abs. 1 Satz 2 StPO).
In Rechtsprechung und Literatur ist aber streitig, ob die Zuständigkeitskonzentration
nach § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO voraussetzt, daß Anträge für
mindestens zwei solcher Anordnungen gleichzeitig gestellt werden (OLG
Frankfurt, StV 1988, 241 f., das aber nach einem Hinweis von Dimde ZRP
2002, 153, 154 - Fn. 7 in einer nicht veröffentlichten Entscheidung diese Auffassung
nicht mehr aufrechterhalten hat) oder ob es genügt, daß - wie im vorliegenden
Fall - sukzessive und unabhängig voneinander erforderlich werdende
richterliche Untersuchungshandlungen betroffen sind (Rieß in Löwe/
Rosenberg StPO 24. Aufl. § 162 Rdn. 24 und 25; ders., NJW 1975, 81,
84/85; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 162 Rdn. 9; Achenbach in
AK-StPO § 162 Rdn. 11; Wache in KK 4. Aufl. § 162 Rdn. 11; Krehl in HKStPO,
3. Aufl. § 162 Rdn. 3; Ullrich StV 1988, 242 f.; Wohlers NStZ 2002, 382,
383).
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Der Senat hat diese Frage im Beschluß vom 31. Oktober 2001 (2 ARs
296/01, abgedruckt in NStZ-RR 2002, 78 = BGHR StPO § 162 Zuständigkeit 1)
noch offen gelassen hat, weil sie nicht entscheidungserheblich war. Er ist der
Auffassung, daß § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO auch dann eingreift, wenn die
Staatsanwaltschaft zunächst nur in einem Bezirk eine richterliche Untersuchungshandlung
herbeigeführt hat und danach eine solche in einem anderen
Bezirk erforderlich wird.
Der Wortlaut des § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO läßt beide Auslegungen zu.
Denn danach greift die Zuständigkeitskonzentration dann ein, wenn mehrere
richterliche Anordnungen erforderlich werden, die nach der Normalzuständigkeit
in mehreren Amtsgerichtsbezirken durchzuführen wären. Daß die Anträge
für mindestens zwei solcher Anordnungen gleichzeitig gestellt werden, setzt
der Wortlaut nicht voraus. Der Gesetzestext stellt auch nicht darauf ab, ob zwischen
den mehreren Anträgen eine zeitliche Spanne liegt oder nicht. Der gesetzgeberische
Wille spricht dafür, eine Zeitgleichheit der Anträge nicht voraus
zu setzen. Denn Sinn und Zweck der Regelung ist es, denselben Vorgang regelmäßig
nur von einem mit der Sache besonders vertrauten Richter bearbeiten
und entscheiden zu lassen (BT-Drucks. 7/551, S. 74). Damit sollen überörtliche
Ermittlungen beschleunigt und sich widersprechende Entscheidungen
vermieden werden. Dem stehe nicht entgegen, daß in den Fällen, in den bereits
ein Amtsgericht mit der Sache befaßt war, dieser Zielrichtung nicht mehr
voll Genüge getan werden könne. Insoweit hat der Gesetzgeber ausdrücklich
(vgl. BT-Drucks. aaO S. 74) darauf hingewiesen, die Regelung greife nicht nur
dann ein, wenn von vornherein die Vornahme von Untersuchungshandlungen
in verschiedenen Bezirken für erforderlich gehalten werde. Sie gelte (für die
zweite Untersuchungshandlung) ihrem Wortlaut zufolge auch dann, wenn in
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einem Ermittlungsverfahren etwa zunächst eine Durchsuchung in einem Bezirk
und später - aufgrund neuer, erst nach der Vornahme der Durchsuchung zu
Tage getretener Gesichtspunkte - eine Beschlagnahme in einem anderen Bezirk
für erforderlich erachtet werde.
Der Senat hält diese an Sinn und Zweck der Regelung ausgerichtete
Auslegung für überzeugend. Ihr steht auch nicht entgegen, daß die angestrebte
Konzentration "nicht in allen in Betracht kommenden Fällen lückenlos
durchgeführt werden kann", weil zwei verschiedene Richter mit der Sache befaßt
werden, wenn - wie hier - zunächst das nach § 162 Abs. 1 Satz 1 StPO
zuständige Gericht angerufen wurde, für den oder die weiteren Anträge dann
aber das nach § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO zuständige Gericht, da zumindest für
weiter erforderlich werdende Untersuchungshandlung eine Konzentration geschaffen
wird. Daß gerade solche Fälle der gesetzgeberischen Intention entsprechen,
zeigt auch die ebenfalls zum Zwecke der Konzentration und Beschleunigung
geschaffene Regelung des § 98 Abs. 2 Satz 4 StPO (vgl. BTDrucks.
7/551 S. 40/41 und 65; BGH NJW 1976, 153, 154 nur zum Teil abgedruckt
in BGHSt 26, 212 ff.; vgl. dazu Seetzen NJW 1976, 500; Rieß in Löwe/
Rosenberg 24. Aufl. Rdn. 15 zu § 162 und Schäfer in Löwe/Rosenberg
24. Aufl. Rdn. 52 zu § 98), die allerdings für den vorliegenden Fall nicht direkt
anwendbar ist, da es sich um einen Beschlagnahmeantrag der Staatsanwaltschaft,
nicht um eine Entscheidung auf Antrag des Betroffenen handelt. Nach
§ 98 Abs. 2 Satz 4 StPO ist für die richterliche Bestätigung einer Beschlagnahme
das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat,
die das Ermittlungsverfahren führt, auch dann zuständig, wenn bereits eine
Beschlagnahme, Postbeschlagnahme oder Durchsuchung in einem anderen
Bezirk stattgefunden hat. Dem Erfordernis der Konzentration soll somit auch in
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Fällen, in denen bereits ein anderer Richter tätig war, der Vorrang gegeben
werden. Der Senat sieht keine durchgreifenden Gründe, diese Regelung nicht
auch für die Auslegung des § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO heranzuziehen, zumal
eine Beschränkung auf mindestens zwei gleichzeitige Anträge zu einer nicht
verständlichen Aufspaltung im Bereich richterlicher Untersuchungshandlungen
führen würde.
Eine Ausdehnung des § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO auf Fälle, in denen sich
nach einer Entscheidung des Amtsgerichts gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 StPO
die Notwendigkeit eines weiteren Antrags auf Anordnung richterlicher Untersuchungshandlungen
ergibt, schafft auch für die am Verfahren Beteiligten Klarheit.
Das Verfahren verzögernde Zuständigkeitsstreitigkeiten können vermieden
werden, denn spätestens mit dem zweiten Antrag auf Anordnung einer
richterlichen Untersuchungshandlung in demselben Ermittlungsverfahren tritt
die vom Gesetzgeber gewollte Zuständigkeitskonzentration ein. Das Gericht
am Sitz der Staatsanwaltschaft ist dann ausschließlich für die Anordnung oder
Bestätigung von Untersuchungshandlungen örtlich zuständig. Dem stehen
auch keine Bedenken im Hinblick auf das Erfordernis des Tätigwerdens des
gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) unter dem Gesichtspunkt
einer Manipulation entgegen. Eine solche könnte allenfalls dann zu besorgen
sein, wenn beim ersten Antrag auf Durchführung von Untersuchungshandlungen
für eine Zuständigkeitskonzentration nach § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO allein
der Hinweis der Staatsanwaltschaft, "weitere Anträge seien erwogen", als ausreichend
angesehen würde (vgl. dazu Wache in KK 4. Aufl. § 162 Rdn. 11 und
Achenbach in AK-StPO § 162 Rdn. 11; Rieß in LR 24. Aufl. § 162 Rdn. 27;
Wohlers NStZ 2002, 382). Solche lediglich beabsichtigten, aber noch nicht
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konkret gestellten Anträge reichen nicht aus, eine Zuständigkeitskonzentration
gemäß § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO zu begründen.
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Die beantragte richterliche Anordnung auf Beschlagnahme des in H.
sichergestellten Pkws des Beschuldigten betrifft somit Untersuchungshandlungen
"in mehr als einem Bezirk". Gemäß § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO ist
deshalb das Amtsgericht K. als das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk
die antragstellende Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat.
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