BGH,
Beschl. v. 22.4.2009 - 5 StR 138/09
5 StR 138/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 22. April 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. April 2009
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Neuruppin vom 16. Dezember 2008 dahin geändert, dass die
Anordnung des Vorwegvollzuges eines Teils der Freiheitsstrafe vor der
Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus
entfällt (§ 349 Abs. 4 StPO).
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen; jedoch wird
die Gebühr um die Hälfte ermäßigt;
die Hälfte der im Revisionsverfahren entstandenen
gerichtlichen Auslagen und notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen
der Staatskasse zur Last. Der Angeklagte hat jedoch die im
Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der
Nebenklägerin umfassend zu tragen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit
mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer
Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet; es hat
ferner angeordnet, dass zwei Jahre der Freiheitsstrafe vor der
Maßregel zu vollziehen sind.
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Mit seiner Revision wendet sich der Angeklagte gegen den Ausspruch
über den Vorwegvollzug eines Teils der Freiheitsstrafe vor der
Maßregel und gegen die Strafhöhe. Hinsichtlich
dieser ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2
StPO. Jedoch hat die Bestimmung des Vorwegvollzugs keinen Bestand.
Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 2.
April 2009 ausgeführt:
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„Die Anordnung des Vorwegvollzugs von zwei Jahren
Freiheitsstrafe vor der Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus kann (…) keinen Bestand haben. Die gegebene
Begründung vermag eine Abweichung von der Regel des §
67 Abs. 1 StGB, wonach zunächst die Maßregel zu
vollstrecken ist, nicht zu rechtfertigen.
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Der Gesetzgeber geht von dem Grundsatz aus, dass mit der Behandlung des
psychisch gestörten Täters umgehend begonnen werden
soll (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 1999 - 1 StR 51/99 -, BGH,
Urteil vom 19. Februar 2002 - 1 StR 546/01 -, BGHR StGB § 67
Abs. 2 Zweckerreichung, leichtere 4, 11, 13). Im Falle des
Nebeneinanders von Freiheitsstrafe und Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus ist deshalb gemäß
§ 67 Abs. 1 StGB die Maßregel
regelmäßig vor der Strafe zu vollziehen, weil dies
am ehesten einen dauerhaften Erfolg verspricht. Will der Tatrichter von
diesem Grundsatz abweichen, was ihm nach § 67 Abs. 2 StGB
gestattet ist, sofern durch die Änderung der
Vollstreckungsreihenfolge der Zweck der Maßregel leichter zu
erreichen ist, so muss er diese Entscheidung mit auf den Einzelfall
abgestellten, nachprüfbaren Erwägungen
begründen (vgl. BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug,
teilweiser 4).
Diesen Anforderungen wird - worauf die Revision zutreffend hinweist -
die vom Landgericht mit der Wiedergabe des Gesetzestextes bestimmte
Ausnahme nicht gerecht. Es ist dem Urteil insoweit auch nicht zu
entnehmen, ob sich der Sachverständige (‚hat die
Kammer es für zweckmäßig
gehalten’) zu dieser Frage geäußert hat.
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Soweit man dem Gesamtzusammenhang der Begründung entnehmen
kann, das Landgericht habe die Anordnung getroffen, um eine nachhaltige
Therapiebereitschaft beim Angeklagten hervorzurufen sowie um einen
eventuellen Therapieerfolg durch eine nachfolgende Strafvollstreckung
nicht zu gefährden, sind diese genannten Gesichtspunkte im
Grundsatz zwar tragfähige Ansatzpunkte für die Umkehr
der Vollzugsreihenfolge; in besonderen Fällen auch bei einer
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
gemäß § 63 StGB, wenn der
Maßregel eine schwere andere seelische Abartigkeit zugrunde
liegt (vgl. BGH NStZ 1999, 613, 614). Dass der Erfolg einer
psychotherapeutischen Behandlung durch einen nachfolgenden Strafvollzug
wieder zunichte gemacht werde, wird aber durch keine auf den
vorliegenden Fall bezogenen konkreten Anhaltspunkte belegt.
Umstände, die dafür sprechen könnten, gerade
bei diesem Angeklagten wäre durch den Vorwegvollzug von Strafe
der Zweck der Maßregel zu erreichen, sind damit nicht
festgestellt. Zudem kann die Therapiebereitschaft auch beim Vollzug der
Maßregel gefördert werden (vgl. BGHR StGB §
67 Abs. 2 Zweckerreichung, leichtere 14), da es zu den wesentlichen
Aufgaben des Maßregelvollzugs gehört, den
Verurteilten zur Einsicht in die Notwendigkeit seiner Behandlung zu
bringen.
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Nach alledem ist es nach Ansicht der Bundesanwaltschaft - auch nach
nunmehr fast einjähriger Untersuchungshaft - ausgeschlossen,
dass sich in einer neuen Hauptverhandlung die Voraussetzungen
für die Vorwegvollstreckung (eines Teils) der Strafe noch
ergeben könnten (zwei Drittel der Strafe sind bereits nach
drei Jahren verbüßt; das Landgericht geht mit dem
Sachverständigen von einer intensiven und langfristigen
psychiatrischen Behandlung aus). Es ist deshalb von einer
Zurückverweisung der Sache abzusehen und die Anordnung des
Vorwegvollzugs muss entfallen (§ 354 Abs. 1 StPO).“
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Dem schließt sich der Senat an.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO. Dabei
berücksichtigt der Senat, dass der Angeklagte mit der Revision
einen erheblichen Teilerfolg hat, zumal da es ihm bei seinem
Revisionsangriff gegen das Urteil maßgeblich um den Wegfall
des Vorwegvollzugs gegangen ist.
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