BGH,
Beschl. v. 22.2.2000 - 5 StR 11/00
5 StR 11/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 22. Februar 2000
in der Strafsache gegen
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Februar 2000
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Potsdam vom 26. Juli 1999 nach § 349 Abs. 4 StPO im gesamten
Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes, schwerer
Brandstiftung sowie wegen gefährlicher
Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Jugendstrafe
von neun Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die
Überprüfung des Urteils aufgrund der
Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen den Angeklagten
benachteiligenden Rechtsfehler ergeben. Jedoch hält der
Rechtsfolgenausspruch rechtlicher Prüfung nicht stand.
1. Wird aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen oder eines
nach Jugendstrafrecht zu beurteilenden Heranwachsenden dessen
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, so wird
gemäß § 5 Abs. 3 JGG von Jugendstrafe
abgesehen, wenn die Maßregelanordnung die Ahndung durch
Jugendstrafe entbehrlich macht. Eine entsprechende Prüfung und
Entscheidung (vgl. dazu BGHR JGG § 5 Abs. 3 - Absehen 1;
Eisenberg, JGG 8. Aufl. § 5 Rdn. 28 m.w.N.) ist auch dem
Gesamtzusammenhang des angefochtenen Urteils nicht zu entnehmen. Dies
ist rechtsfehlerhaft und führt zur Aufhebung des Ausspruchs
über die Jugendstrafe.
2. Aber auch die Maßregelanordnung hat keinen Bestand. Der
Angeklagte hat das Tötungsdelikt, das zur Unterbringung nach
§ 63 StGB geführt hat, unter erheblichem
Alkoholeinfluß begangen. Die Urteilsgründe lassen
nicht eindeutig erkennen, ob die Schuldfähigkeit auch ohne
Rücksicht auf den Alkoholgenuß erheblich vermindert
war oder ob erst der Alkoholgenuß die erhebliche Verminderung
der Schuldfähigkeit bewirkt hat. Im letzteren Falle kommt die
Unterbringung regelmäßig nur dann in Betracht, wenn
der Täter in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich
ist oder an krankhafter Alkoholsucht leidet (st. Rspr., BGHR StGB
§ 63 - Zustand 2, 4 - 6, 12, 13, 17, 19; BGH,
Beschluß vom 23. November 1999 - 4 StR 486/99 - m.w.N.). Ein
die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigender
Zustand im Sinne des § 63 StGB liegt darüber hinaus
auch dann vor, wenn der Täter an einer länger
dauernden krankhaften geistig-seelischen Störung leidet, bei
der bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche
Ereignisse die akute erhebliche Beeinträchtigung der
Schuldfähigkeit auslösen (BGHSt 44, 338; vgl. auch
BGHSt 44, 369; BGH, Beschluß vom 14. April 1999 - 3 StR 36/99
-). Ein solcher Ausnahmefall ist auch dem Gesamtzusammenhang des
Urteils nicht zu entnehmen. Die hierzu getroffenen Feststellungen sind
widersprüchlich und lassen nicht erkennen, ob das Landgericht
von zutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist.
Die sachverständig beratene Jugendkammer nimmt an,
daß der Angeklagte an einer schweren
Persönlichkeitsstörung mit dissozialen, paranoiden
und narzisstischen Zügen leidet. Zur Tatzeit, d. h. bei
Begehung des Tötungsdeliktes, sei er wegen seiner schweren
Persönlichkeitsstörung im Zusammenwirken mit Alkohol
zweifelsfrei in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich
vermindert gewesen (UA S. 21). Hinsichtlich der weiteren Straftaten,
bei denen der Angeklagte keinen oder nur ganz geringfügig
Alkohol getrunken hatte, kommt die Kammer zu dem Ergebnis,
daß hier (nur) nicht ausgeschlossen werden könne,
daß der Angeklagte in seiner Steuerungsfähigkeit
erheblich eingeschränkt gewesen sei. Diese unterschiedliche
Beurteilung der Schuldfähigkeit deutet darauf hin,
daß für das Tötungsdelikt die festgestellte
Persönlichkeitsstörung allein noch nicht die
Verminderung der Steuerungsfähigkeit bewirkt hat, sondern
letztlich der Alkoholgenuß. Andererseits stellt die Kammer
bei der ausführlichen Begründung des
Maßregelausspruchs ausschließlich auf die schwere
Persönlichkeitsstörung ab (UA S. 30); die
Alkoholproblematik findet auch bei der Gefährlichkeitsprognose
keine Erwähnung. Angesichts dieser unklaren Feststellungen
bedarf die Frage einer Unterbringung des Angeklagten in einem
psychiatrischen Krankenhaus erneuter Prüfung.
Harms Häger Basdorf
Nack Gerhardt |