BGH,
Beschl. v. 22.2.2001 - 3 StR 580/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 580/00
vom
22. Februar 2001
in der Strafsache gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 22. Februar 2001 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Hannover vom 22. März 2000 aufgehoben. Jedoch bleiben die
Feststellungen zum äußeren und inneren Sachverhalt
aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer
räuberischer Erpressung nach §§ 253, 255,
249, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf
Jahren verurteilt, weil er gemeinschaftlich mit dem bereits
abgeurteilten früheren Mitangeklagten B. unter der Drohung mit
Gaswaffen die Herausgabe eines Motorrades erzwungen habe. Der
Angeklagte hatte die Tat bestritten und erklärt, nicht er,
sondern der Zeuge P. sei der Mittäter des B. gewesen. Mit
seiner Revision rügt er die Verletzung formellen und
materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg, weil die
Verwendung einer geladenen Waffe im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr.
1 StGB nicht belegt ist.
1. Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
a) Zwar war es unzulässig, daß die Strafkammer
nachteilige Schlüsse daraus gezogen hat, daß der
Angeklagte und die seine Einlassung bestätigende Zeugin Bi. ,
seine Verlobte, anfänglich geschwiegen haben, anstatt
- wie es nach Auffassung der Strafkammer zu erwarten gewesen
wäre - die zur Entlastung vorgebrachte Angabe, nicht der
Angeklagte, sondern P. sei der Mittäter gewesen und habe dies
auch gegenüber der Zeugin Bi. eingestanden, gleich zu Beginn
der Ermittlungen geltend zu machen. Macht ein Angeklagter von seinem
Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, so ist allgemein anerkannt,
daß daraus keine für ihn nachteiligen
Schlüsse gezogen werden können (vgl. BGHSt 45, 363,
364 m.w.Nachw.). Dies gilt auch für einen nur
anfänglich schweigenden Angeklagten, selbst wenn er sich in
Untersuchungshaft befindet und es unterläßt,
entlastende Angaben alsbald vorzubringen (BGH bei Kusch NStZ-RR 2000,
37 Nr. 15). Auch für die Angaben der Verlobten, die als
Angehörige zur Zeugnisverweigerung berechtigt war, gilt,
daß aus dem anfänglichen Schweigen keine
Schlüsse zum Nachteil des Angeklagten gezogen werden
dürfen, erst recht nicht daraus, daß sich die Zeugin
nicht bereits früher von sich aus als Beweismittel zur
Verfügung gestellt hat (BGH StV 1987, 188).
Der Generalbundesanwalt hat jedoch zu Recht ausgeführt,
daß das Urteil auf diesen rechtsfehlerhaften
Erwägungen der Strafkammer nicht beruht. Aus der
Beweiswürdigung wird deutlich, daß sie die
Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten aus
der "eindeutigen Widerlegung" durch die Angaben der
Geschädigten, insbesondere deren Täterbeschreibung
und Wiedererkennung, gewonnen und nur unterstützend
herangezogen hat, daß die Einlassung des Angeklagten
"zahlreiche Ungereimtheiten" (UA S. 8) aufweise, von denen der
späte Zeitpunkt der Entlastung nur einer unter mehreren
Punkten war, wobei auch die verbleibenden Erwägungen den
Schluß rechtfertigen, daß die Darstellung des
Angeklagten nur schwer nachvollziehbar ist. Aus diesen Gründen
kann auch ausgeschlossen werden, daß die Strafkammer der die
Angaben des Angeklagten bestätigenden Aussage seiner Verlobten
einen höheren Beweiswert beigemessen hätte, wenn sie
auch insoweit nicht auf das anfängliche Schweigen abgestellt
hätte. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin,
daß es zwar unzulässig ist, aus der Wahrnehmung
prozessualer Schweigerechte selbst Schlüsse zu ziehen,
daß jedoch eine Aussage, die schließlich doch noch
erfolgt, der umfassenden Beweiswürdigung unterworfen wird
(vgl. BGHSt 45, 367, 369). Der Tatrichter darf dabei die
Umstände dieser Aussage würdigen und wäre
aus Rechtsgründen auch nicht gehindert, einer in Kenntnis der
Ergebnisse der abgeschlossenen Ermittlungen abgegebenen Einlassung
deswegen einen geringeren Beweiswert beizumessen, weil die
Aussageperson bei diesem Kenntnisstand die Möglichkeit hatte,
ihre Darstellung an die bisherigen Ermittlungserkenntnisse anzupassen.
b) Die Ablehnung des Beweisantrages in der Anlage 7 zum Protokoll auf
Vernehmung des Sachverständigen Dr. G. zum Beweis der
Tatsache, daß aus dem Nichtvorhandensein von Spurenmaterial
des Angeklagten an der sichergestellten schwarzen Wollmütze
gefolgert werden müsse, daß er diese bei der Tat
auch nicht getragen haben könne, begegnet keinen rechtlichen
Bedenken. Die Strafkammer durfte aus eigener Sachkunde zum Ergebnis
kommen, daß ein einmaliger Kontakt mit einer Kopfbekleidung
zwar zur Anhaftung von reproduzierbarem Spurenmaterial kommen
könne, nicht aber müsse. Dies bestätigt hier
eindrucksvoll die Untersuchung der Neopren-Skimaske, die nach den
Feststellungen von einem der Täter sogar über das
ganze Gesicht gezogen worden war. Sie hat zwar Speichelanhaftungen
aufgewiesen, diese waren aber nicht reproduzierbar und daher nicht
zuordenbar.
Soweit in der Revisionsbegründung darauf abgestellt wird,
daß diese "Skimaske auch im Mund- und Nasenbereich
unmittelbar auf der Haut aufliege, ... weshalb fast mit Sicherheit
davon auszugehen sei, daß sie Speichelspuren ihres
Trägers aufweise" (RB S. 32), geht der
Revisionsführer von einem unzutreffenden Sachverhalt aus. Nach
den Feststellungen haben die beiden Täter zur Maskierung zwei
Kopfbedeckungen verwendet, der "Wortführer" eine schwarze
Skimütze, die nur bis zur Nase reichte und das unrasierte Kinn
freigelassen hat, der andere eine "Neopren-Skimaske", die dieser
über das ganze Gesicht gezogen hatte. Diese Bezeichnungen der
im Fluchtfahrzeug gefundenen und dann auf Spuren untersuchten
Kopfbedeckungen wurden in dem Gutachten des Landeskriminalamtes vom 29.
Juni 1999 und in den beiden Beweisanträgen der Verteidigung
vom 21. März 2000 (Anlage 7 und 8 zum Protokoll)
übereinstimmend in dieser Weise verwendet. In den
Urteilsgründen variieren die Bezeichnungen (Neopren-Skimaske =
"Motorrad-Unterziehmaske", "Maske, die das gesamte Gesicht bedeckt",
"Skimaske" und andrerseits schwarze Skimütze = "schwarze
Wollmütze", "schwarze Mütze" (UA S. 3, 4, 5, 6, 8, 9,
11), lassen aber die durchgängige Unterscheidung zwischen
einer das gesamte Gesicht bedeckenden Skimaske und einer nur bis zur
Nase reichenden Mütze erkennen. Da die Untersuchung der
Neopren-Skimaske Speichelspuren ergeben hat, die allerdings so gering
waren, daß sie nicht reproduzierbar und keinem der drei in
Frage kommenden Personen zuordenbar waren, kam es der Verteidigung mit
ihren Beweisanträgen vom 21. März 2000 darauf an, aus
dem Fehlen von Spuren des Angeklagten J. an der schwarzen
Skimütze einen zwingenden Schluß darauf zu erlangen,
daß dieser die schwarze Skimütze bei der Tat nicht
getragen habe. Da in dem Beweisantrag (Anlage 8) - im Gegensatz zu den
Urteilsfeststellungen UA S. 4 oben - ferner davon ausgegangen wird, die
Neopren-Skimaske habe der frühere Mitangeklagte B. getragen,
könnte nach Meinung der Verteidigung der Angeklagte J. nicht
der zweite Täter gewesen sein. Dabei ist der Verteidiger bei
der Begründung des zweiten Beweisantrags (Anlage 7) selbst
davon ausgegangen, daß der zweite Täter die
Skimütze nur "über den Kopf gezogen habe".
Von diesem prozessualen Sachverhalt entfernt sich die
Revisionsbegründung, wenn sie die schwarze Skimütze
als "Skimaske" bezeichnet, die vor Mund und Nase gezogen worden sei.
Mit dem Widerspruch zwischen den Urteilsfeststellungen (B.
trägt schwarze Skimütze, zweiter Täter die
Neopren-Skimaske - UA S. 4 oben) und der Wahrunterstellung (B.
trägt Neopren-Skimaske, zweiter Täter schwarze
Skimütze - Beschluß des Landgerichts zum
Beweisantrag Anlage 8) setzt sich die Revisionsbegründung
nicht auseinander.
2. Dagegen führt die Sachrüge zur Aufhebung des auf
§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB gestützten Schuldspruchs. Die
Feststellungen belegen nicht, daß die zur Tat verwendeten
Gaswaffen geladen waren, was bei Anwendung der Qualifikation des
§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB (Waffe) erforderlich gewesen
wäre (vgl. BGHSt 45, 249, 250 f. m.w.Nachw.). Einer Aufhebung
der Feststellungen
zum äußeren und inneren Sachverhalt bedarf es bei
dieser Sachlage nicht. Der neue Tatrichter kann insoweit
ergänzende Feststellungen zum Zustand der Waffen bei der Tat
treffen, die nach Sachlage möglich erscheinen.
Kutzer Rissing-van Saan Miebach
Winkler Becker |