BGH,
Beschl. v. 22.5.2001 - 5 StR 75/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
5 StR 75/01
vom
22. Mai 2001
in der Strafsache gegen
wegen Betruges u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Mai 2001
beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
wird als unzulässig verworfen.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Neuruppin vom 15. September 2000 nach § 349 Abs. 4 StPO mit
den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) in den Fällen 3, 4, 7, 16, 17, 20, 29 der
Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
3. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 23
Fällen, wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in elf
Fällen und wegen falscher Angaben zum Zwecke der Eintragung
einer GmbH in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es dem
Angeklagten auf die Dauer von fünf Jahren verboten, im
Baugewerbe eigenverantwortlich unternehmerische Tätigkeiten
auszuüben. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten
mit Verfahrensrügen und sachlichrechtlichen Beanstandungen.
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur
Begründung einzelner Verfahrensrügen als auch die
rechtzeitig erhobenen Verfahrensrügen haben aus den vom
Generalbundesanwalt dargelegten Gründen keinen Erfolg.
2. Die sachlichrechtliche Nachprüfung führt zur
Aufhebung des Urteils in sieben Einzelfällen. Im
übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne von
§ 349 Abs. 2 StPO.
Von 1996 bis April 1998 leitete der Angeklagte als faktischer
Geschäftsführer die Firma "B -W -S
GmbH" (BWS) und die "G s B
mbH" (GSB). Die BWS war zumindest seit September 1996 nicht mehr in der
Lage, wesentliche Verbindlichkeiten zu begleichen; die GSB geriet im
März 1997 in finanzielle Schwierigkeiten. Vor diesem
Hintergrund beging der Angeklagte die hier abgeurteilten Taten.
a) Die zur Verurteilung wegen Betruges zum Nachteil der Firma K - M S
(Fall 3 der Urteilsgründe) getroffenen
Feststellungen sind zum Schadensumfang unzureichend. Die Strafkammer
stellt fest, daß der Angeklagte für die Firma BWS am
19. September 1996 bei der Geschädigten Mörtel
für 3.479,55 DM bestellt habe, welcher am selben Tag geliefert
und in Rechnung gestellt worden sei. Bei der Bemessung der
hierfür verhängten Einzelstrafe von sieben Monaten
orientiert sich die Strafkammer offenkundig an dem Gesamtwert dieser
Lieferung, wie der Vergleich mit anderen in ähnlich gelagerten
Fällen festgesetzten Strafen belegt. Sie
läßt dabei aber ersichtlich außer acht,
daß - wie sie auf UA S. 18 mitteilt - der Angeklagte der
Geschädigten 3.000 DM in bar am selben Tag übergeben
hat. Es hätte insoweit der Erörterung bedurft, ob mit
diesem Betrag die Lieferung vom gleichen Tage (teilweise) beglichen
oder ausschließlich nicht näher mitgeteilte
"Altschulden" getilgt werden sollten.
b) Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen der weiteren Tat vom
19. September 1996 (Fall 4 der Urteilsgründe) wegen Betruges
verurteilt hat, wird nach den getroffenen Feststellungen nicht
hinreichend deutlich, ob und wie der Angeklagte den Lieferanten im
Sinne des § 263 Abs. 1 StGB getäuscht hat. Das Urteil
beschränkt sich insoweit auf die Mitteilung, der Angeklagte
habe an diesem Tag einen Teil seiner schon bestehenden
Verbindlichkeiten beglichen und "zugleich die Lieferung vom 25.9.96
sowie weitere Bestellungen ausgelöst". Auch die Feststellungen
zum Schadensumfang sind ungenügend. Der Tatrichter weist
insoweit allein darauf hin, daß die BWS u. a. am 24. Oktober
1996 eine Lieferung Mörtel erhalten habe, die am gleichen Tag
mit 4.501,84 DM in Rechnung gestellt worden sei. Abschließend
hält das Landgericht fest, daß "aus der
Geschäftsbeziehung Rechnungen in Höhe von insgesamt
13.017 DM offengeblieben seien". Hiernach ist zweifelhaft, ob die
Strafkammer nur den aus der einen Lieferung resultierenden Schaden
zugrunde gelegt hat oder aber von einem größeren
Schadensumfang ausgegangen ist. Zudem betrifft der Betrug im Fall 4
eine Bestellung, die beim selben Lieferanten am selben Tag wie im Fall
3 erfolgt ist. Danach bleibt unklar, ob es sich um eine einzige Tat des
Betruges handeln könnte. Im übrigen weist der Senat
darauf hin, daß die Strafkammer für diese eine Tat
(wahrscheinlich einmal in Folge eines Fassungsversehens durch eine
Verwechslung mit Fall 7) zwei Einzelstrafen festgesetzt hat (vgl. UA S.
43: fünf bzw. sieben Monate).
c) Die Feststellungen im Fall 7 der Urteilsgründe tragen den
Schuldspruch wegen Betruges nicht. Die bloße Mitteilung,
daß "eine weitere Bestellung bei der Firma O -T am gleichen
Tag mit 3.104,33 DM abge-
rechnet wurde", belegt keines der Tatbestandsmerkmale des §
263 Abs. 1 StGB. Im übrigen hat der Tatrichter hier keine
Einzelstrafe festgesetzt (vgl. oben b am Ende).
d) Die Verurteilung nach § 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG in den
Fällen 16, 17 der Urteilsgründe wird - anders als im
Fall 15 - durch die getroffenen Feststellungen nicht getragen. Das
Landgericht hat zwar festgestellt, daß der Angeklagte als
faktischer Geschäftsführer für die
Gründung zweier weiterer Gesellschaften sogenanntes
"Vorzeigegeld" von Dritten erhalten hat (vgl. dazu BGHR GmbHG
§ 82 - Geschäftsführer 1; ferner
Rowedder/Fuhrmann/Schaal GmbHG 3. Aufl. § 82 Rdn. 26). Doch
fehlen Feststellungen zur eigentlichen Tathandlung des § 82
Abs. 1 Nr. 1 GmbHG ("falsche Angaben macht"). Auch aus dem
Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe vermag der Senat die
erforderlichen Feststellungen nicht zu entnehmen.
e) Nicht frei von Rechtsfehlern ist auch die Verurteilung des
Angeklagten nach § 263 Abs. 1 StGB wegen des in Fall 20
geschilderten Sachverhalts. Das Tatgericht stellt dort fest,
daß der Angeklagte im Februar 1997 von einer
Gerüstbaufirma ein Baugerüst gemietet und auf einer
seiner Baustellen aufgestellt habe. Später habe der Inhaber
der Gerüstbaufirma festgestellt, daß das
Gerüst nicht mehr vorhanden gewesen sei. Darauf angesprochen
habe ihm ein Mitarbeiter des Angeklagten in dessen Auftrag
erklärt, man werde das Gerüst bezahlen. Eine
entsprechende Rechnung über 35.746,50 DM habe der Angeklagte
jedoch dann nicht beglichen, was dieser auch nicht beabsichtigt habe.
Diese Feststellungen tragen weder eine Verurteilung wegen Betruges noch
ohne weiteres wegen anderer Straftatbestände.
f) Schließlich hat der Schuldspruch auch wegen des
abgeurteilten vollendeten Betruges zum Nachteil der
zuständigen Innungskrankenkasse (IKK) keinen Bestand (Fall 29
der Urteilsgründe). Die Strafkammer hat insoweit festgestellt:
Um Vollstreckungsmaßnahmen der IKK gegen die GSB wegen nicht
gezahlter Sozialversicherungsbeiträge zu entgehen,
übergab der Angeklagte der Krankenkasse im Frühjahr
1997 zwei Schecks. Diese wurden mangels Deckung nicht
eingelöst. Die IKK stellte daraufhin am 17. Juni 1997 beim
Amtsgericht einen Antrag auf Gesamtvollstreckung über das
Vermögen der GSB, nahm diesen aber später
zurück, nachdem der Angeklagte eine im Urteil nicht
näher bezifferte Teilleistung erbracht und erklärt
hatte, er sei zahlungsfähig und -willig. In der Folge leistete
der Angeklagte, wie von ihm bereits zuvor beabsichtigt, keine weiteren
Zahlungen. Zum Schadensumfang teilt die Strafkammer lediglich mit,
daß "durch die so erschlichene Rücknahme des
Gesamtvollstreckungsantrages ... der IKK in der Folgezeit ein weiterer
Schaden in Höhe von ca. 30.000 DM entstanden" sei.
Die Ausführungen zum Vermögensschaden sind
unzureichend. Nach den getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte
zwar über seine Zahlungsbereitschaft- und -fähigkeit
getäuscht und dadurch seitens der IKK auch einen
entsprechenden Irrtum hervorgerufen. Ferner sieht die Strafkammer die
für § 263 Abs. 1 StPO erforderliche
Vermögensverfügung möglicherweise darin,
daß die IKK den Antrag auf Gesamtvollstreckung
zurückgenommen hat. Zu einem Vermögensschaden kann
ein solches Verhalten aber nur dann führen, wenn die
Durchführung der zunächst beantragten
Gesamtvollstreckung über das Vermögen der GSB aus
Sicht der IKK erfolgreich gewesen wäre, wenn also ihre
Forderungen zumindest zum Teil aus der Konkursmasse hätten
befriedigt werden können. Daß der GSB zu diesem
Zeitpunkt aber überhaupt noch entsprechende
Vermögenswerte zustanden, ist äußerst
zweifelhaft und hätte jedenfalls näherer Darlegung
bedurft. Anderenfalls käme wegen des "weiteren Schadens" (vgl.
UA S. 33) allenfalls eine Bestrafung nach § 266a StGB in
Betracht.
3. Die Aufhebung der Schuldsprüche in den genannten
Einzelfällen führt dazu, daß die
Einzelstrafen entfallen. Diese betreffen einen nicht unerheblichen Teil
des Gesamtschuldumfangs. Schon deshalb führt ihr Fortfall zur
Aufhebung der - ohnehin verhältnismäßig
hoch bemessenen - Gesamtstrafe. Der Maßregelausspruch kann
schließlich bestehen bleiben. Soweit der Senat in den
genannten Einzelfällen die Feststellungen aufgehoben hat,
berührt dies nicht die auch für die
aufrechterhaltenen Fälle tragenden Feststellungen,
insbesondere der finanziellen Situation des Angeklagten und der
betroffenen Firmen.
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