BGH,
Beschl. v. 23.4.2002 - 1 StR 95/02
1 StR 95/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
23. April 2002
in der Strafsache gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat am 23. April 2002
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
München II vom 26. November 2001 im Schuldspruch dahin
geändert, daß
a) im Fall B. 1. (Tat vom 4./5. April 2001) die tateinheitliche
Verurteilung wegen Nötigung und
b) im Fall B. 2. (Tat vom 23. April 2001) die Verurteilung wegen
tateinheitlicher Bedrohung
entfallen. Die §§ 240, 241 StGB werden in der Liste
der angewendeten Vorschriften gestrichen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der
Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit
mit vorsätzlicher Körperverletzung und
Nötigung sowie wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit
vorsätzlicher Körperverletzung und Bedrohung zur
Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die auf die
Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten
führt zur Änderung des Schuldspruchs. Im
übrigen ist sie unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO.
1. Das Landgericht hat in beiden abgeurteilten Fällen das
Konkurrenzverhältnis unzutreffend beurteilt. Es hat den
Angeklagten jeweils wegen Vergewaltigung und vorsätzlicher
Körperverletzung schuldig gesprochen, im Falle B. 1. zudem
wegen tateinheitlich begangener Nötigung, im Falle B. 2. wegen
tateinheitlicher Bedrohung. Die hierzu getroffenen Feststellungen
ergeben, daß der Angeklagte das Tatopfer, seine in derselben
Wohnung von ihm getrennt lebende Ehefrau, im Kinderzimmer aufsuchte,
die sich Wehrende unter Anwendung körperlicher Gewalt zum
Geschlechtsverkehr zwang und sie schlug. Im ersten Fall sagte er ihr
während des Geschehens, sie solle aufhören zu
schreien, sonst werde er sie umbringen, "da ihm ihr Schreien auf die
Nerven ging". Das Opfer nahm die Drohung ernst und schrie aus Angst
nicht mehr, versuchte aber, den über ihr knienden Angeklagten
wegzudrücken. Darin sieht das Landgericht auch eine vollendete
Nötigung (§ 240 StGB). Im zweiten Falle
erklärte er ihr wiederum, er werde sie umbringen, wenn sie
schreie, weil "ihm auch hier ihr Schreien auf die Nerven ging". Seine
Frau schrie aber dennoch (UA S. 6). Dies beurteilt das Landgericht als
Bedrohung (§ 241 StGB).
Der Tatbestand der Bedrohung (§ 241 StGB) tritt hinter den der
sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung (§ 177
StGB) zurück, wenn das Opfer zur Durchführung der
Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung mit dem Tode bedroht
wird (BGH bei Holtz MDR 1979, 281; BGH, Beschl. vom 21. September 1993
- 1 StR 510/93; Träger/Schluckebier in LK 11. Aufl. §
241 Rdn. 27). Die Drohung ist hier Mittel der sexuellen
Nötigung. Gleiches gilt für das Verhältnis
von Nötigung zu sexueller Nötigung bzw.
Vergewaltigung (BGH NStZ-RR 1996, 227 = BGHR StGB § 177 Abs. 1
Konkurrenzen 12; BGH, Beschl. vom 8. April 1998 - 3 StR 25/98). Anders
könnte es sich für die vorliegende Fallgestaltung nur
dann verhalten, wenn die Nötigung und auch die Bedrohung einem
anderen Zweck als dem der Erzwingung sexueller Handlungen gedient
hätte, wenn der Täter also damit ein weiteres, von
§ 177 StGB nicht erfaßtes Ziel verfolgt
hätte (vgl. Träger/Altvater in LK 11. Aufl.
§ 240 Rdn. 124, 126).
Die Strafkammer nimmt ersichtlich an, ein solches anderweitiges Ziel
sei es hier gewesen, die Schreie des Tatopfers zum Verstummen zu
bringen, die dem Angeklagten "auf die Nerven gingen". Die getroffenen
Feststellungen ergeben indessen unbeschadet dieser konkreten Empfindung
des Angeklagten ("auf die Nerven gehen") ohne weiteres, daß
er im Zusammenhang des Geschehens kein den Tatbestandsrahmen des
§ 177 Abs. 1 StGB überschreitendes Ziel im Auge
hatte. Die Drohung, die Geschädigte umzubringen, wenn sie
schreie, war Teil einer einheitlichen physischen und psychischen
Einwirkung auf das Opfer, die ersichtlich auch nach dem Willen des
Angeklagten im Ergebnis dazu diente, die Duldung des
Geschlechtsverkehrs zu erzwingen. Dem Ziel, die Schreie des Opfers zu
unterbinden, kann bei dem festgestellten Ablauf kein in
tatbestandsmäßiger Hinsicht eigenständiger
Unrechtsgehalt zukommen. Die Drohungen erfolgten während der
Gewaltanwendung und bezweckten so erkennbar, den - auch durch Schreien
geleisteten - Widerstand der Frau zu brechen.
2. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. Er
schließt aus, daß der Rechtsfehler den
Rechtsfolgenausspruch zum Nachteil des Angeklagten beeinflußt
haben kann. Die Drohungen dürfen im Rahmen der konkreten
Strafzumessung zur Kennzeichnung des konkret verwirklichten Unrechts
ohnehin berücksichtigt werden (vgl. § 46 Abs. 2 StGB:
Art der Ausführung). Soweit die Strafkammer die neben den
Vergewaltigungen verwirklichten Tatbestände in den
Strafzumessungserwägungen anspricht, hebt sie
ausdrücklich hervor, daß diese neben den
Hauptdelikten "unbedeutend" waren (UA S. 19 unten).
3. Die Strafzumessung ist auch sonst von Rechts wegen nicht zu
beanstanden. Der Senat schließt aus, daß der Kammer
Alter und Gesundheitszustand des Angeklagten in diesem Zusammenhang aus
dem Blick geraten sein könnten, zumal da sie der Straffindung
nicht den Strafrahmen für den besonders schweren Fall, sondern
den Normalstrafrahmen zugrundegelegt hat. Daß das Opfer die
Ehefrau des Angeklagten war, erwähnt die Strafkammer
ausdrücklich.
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