BGH,
Beschl. v. 23.1.2002 - 2 StR 520/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 520/01
vom
23. Januar 2002
in der Strafsache gegen
wegen Betruges
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 23. Januar 2002 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Aachen vom 4. Juli 2001 aufgehoben
a) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und
b) soweit eine Entscheidung über die Anrechnung von
Geldleistungen unterblieben ist, die der Angeklagte zur
Erfüllung der ihm durch das Amtsgericht Aachen durch
Beschluß vom 4. August 1998 erteilten
Bewährungsauflage erbracht hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 22
Fällen, wovon es in zehn Fällen beim Versuch
geblieben ist, unter Einbeziehung der Freiheitsstrafen aus den Urteilen
des Amtsgerichtes Aachen vom 4. August 1998 und vom 28. September 1998
und unter Auflösung der Gesamtstrafe aus dem
Beschluß des Amtsgerichtes Aachen vom 2. Februar 1999 zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten
verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen. Es hat weiter
bestimmt, daß der Verwaltungsbehörde untersagt wird,
dem Angeklagten vor Ablauf von fünf Jahren eine neue
Fahrerlaubnis zu erteilen.
Gegen die Verurteilung richtet sich die Revision des Angeklagten, mit
der er die Verletzung materiellen Rechtes rügt. Sein
Rechtsmittel hat in dem aus dem Beschlußtenor ersichtlichen
Umfang Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne
von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe hat keinen Bestand.
Der Tatrichter hat zur Begründung der Gesamtstrafe unter
anderem ausgeführt: "Weiter hat die Kammer die bei den
einzubeziehenden Vorverurteilungen angestellten
Strafzumessungserwägungen mit herangezogen." Diese
Strafzumessungserwägungen hat der Tatrichter im angefochtenen
Urteil nicht mitgeteilt. Er hat damit in unzulässiger Weise
auf Erkenntnisquellen außerhalb des eigenen Urteils verwiesen
(vgl. u.a. BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Gesamtstrafe 2; BGH
bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1986, 208). Bei der Bildung einer
Gesamtstrafe nach § 55 StGB darf nicht auf die
Strafzumessungsgründe des einbezogenen Urteils Bezug genommen
werden (vgl. u.a. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, Rdn. 2 zu
§ 267 StPO). Der Senat kann anhand des vorliegenden Urteils
die Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe nicht in vollem Umfang
überprüfen, insbesondere auch nicht, ob die in Bezug
genommenen Strafzumessungserwägungen in anderen Urteilen
rechtsfehlerfrei sind. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe war
somit aufzuheben, da der Senat - trotz der maßvollen
Gesamtfreiheitsstrafe - nicht sicher ausschließen kann,
daß diese auf dem Rechtsfehler beruht.
Der neue Tatrichter wird auch zu beachten haben, daß es sich
bei der neben der Einzelstrafe von einem Jahr und zwei Monaten (aus dem
Urteil des Amtsgerichtes Aachen vom 28.9.1998) einbezogenen
Freiheitsstrafe von vier Monaten (UA S. 55; aus dem Urteil vom
4.8.1998) nach den weiteren Urteilsfeststellungen (UA S. 11) um eine
Gesamtfreiheitsstrafe handelt, die aufgelöst wurde, wobei die
in die Gesamtstrafe des hiesigen Verfahrens einzubeziehenden
Einzelstrafen nicht mitgeteilt wurden, was aber rechtlich geboten ist
(vgl. hierzu u.a. BGH NStZ 1987, 183).
2. Das Urteil war auch aufzuheben, soweit der Tatrichter eine
Entscheidung gemäß §§ 58 Abs. 2
Satz 2, 56 f Abs. 3 Satz 2, 56 b StGB nicht getroffen hat. Die
Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten aus dem Urteil
des Amtsgerichtes Aachen vom 4. August 1998 war zur Bewährung
ausgesetzt worden. Der Tatrichter hat festgestellt, daß "die
gleichzeitig festgesetzte Geldbuße von 1.000 DM bezahlt
wurde." Er hätte daher, worauf der Generalbundesanwalt
zutreffend hinweist, erkennbar prüfen müssen, ob
nicht zum Ausgleich für die Nichterstattung der geleisteten
Bewährungsauflage eine die Strafvollstreckung
verkürzende Anrechnung auf die Gesamtfreiheitsstrafe
vorzunehmen ist (vgl. u.a. BGHSt 36, 378 ff). Die vom
Generalbundesanwalt beantragte Bestimmung einer Anrechnung durch den
Senat selbst in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO
war im vorliegenden Fall nicht veranlaßt. Diese Entscheidung
ist vielmehr dem neuen Tatrichter vorbehalten. § 56 f Abs. 3
Satz 2 StGB erfordert eine Entscheidung nach
pflichtgemäßem Ermessen, die das Revisionsgericht
nur bei vollständiger Tatsachengrundlage selbst vornehmen
kann. Dies ist hier nicht der Fall. Eine Anrechnung ist unter anderem
dann abzulehnen, wenn der Verurteilte eine Geldleistung mit Hilfe von
Vermögensdelikten erbracht hat (vgl. hierzu u.a.
Tröndle/Fischer, StGB, Rdn. 10 zu § 56 f mit Hinweis
auf die Protokolle des Sonderausschusses des Deutschen Bundestages
für die Strafrechtsreform, 5. Wahlperiode, S. 861-864). Nach
den im vorliegenden Fall getroffenen Feststellungen zu den
Vermögensverhältnissen des Angeklagten einerseits und
seinen Vermögensdelikten andererseits kommt durchaus in
Betracht, daß von einer Anrechnung abzusehen ist. Dies wird
der neue Tatrichter zu prüfen und zu entscheiden haben.
Jähnke Otten Rothfuß
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