BGH,
Beschl. v. 24.4.2007 - 1 StR 639/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 639/06
vom
24.4.2007
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24.4.2007 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landsgerichts
Bamberg vom 26. September 2006
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des
Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 36 Fällen schuldig ist;
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 55
Fällen unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einer
früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier
Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf
die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten
Revision. Das Rechtsmittel erzielt den aus dem Tenor ersichtlichen
Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es
unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
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1. Die erhobenen Verfahrensrügen genügen aus den in
der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 19. Februar 2007
dargelegten Gründen nicht den formellen Anforderungen des
§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
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2. Die Überprüfung des Urteils auf die
Sachrüge führt zu einer Änderung des
Schuldspruchs und zur Aufhebung der Einzelstrafaussprüche und
des Gesamtstrafenausspruchs.
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a) Das Landgericht ist auf Grundlage der im Tatzeitraum - Januar 2001
bis Dezember 2002 - geltenden Rechtslage zutreffend von einem Vorrang
von § 263 StGB gegenüber § 266a StGB aF
ausgegangen (vgl. hierzu BGH NStZ-RR 2006, 308). Es hat jedoch die im
Entscheidungszeitpunkt geänderte, dem Angeklagten
günstigere Rechtslage nicht berücksichtigt.
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Von dem durch Gesetz vom 23. Juli 2004 (BGBl. I S. 1842) neu gefassten
Tatbestand des § 266a StGB sind nunmehr auch
betrugsähnliche Begehungsweisen erfasst, sodass die
Vorenthaltung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteilen nach neuem
Recht dem Betrug als lex specialis vorgeht (vgl. BTDrucks. 15/2573 S.
28; Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. § 266a Rdn. 20;
Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl.
§ 266a Rdn. 28). Diese Gesetzeslage ist bei der gebotenen
konkreten Betrachtungsweise (vgl. Tröndle/ Fischer, StGB 54.
Aufl. § 2 Rdn. 10) als die dem Angeklagten günstigere
gemäß § 2 Abs. 3 StGB zur Anwendung zu
bringen. Denn das Landgericht ist bei seiner Strafzumessung jeweils von
besonders schweren Fällen des Betruges
gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB
aufgrund gewerbsmäßiger Handlungsweise ausgegangen;
gegenüber dem hierdurch eröffneten Strafrahmen einer
Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren sieht §
266a Abs. 1 und 2 StGB die mildere Strafandrohung vor (Freiheitsstrafe
bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe). Dass das Landgericht bei
Anwendung von § 266a StGB gleichfalls
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zur Annahme eines - auch unbenannten - besonders schweren Falles
gemäß § 266a Abs. 4 StGB gelangt
wäre, ist in Anbetracht der getroffenen Feststellungen
auszuschließen, zumal auch der
gewerbsmäßigen Begehungsweise als ein dem Tatbestand
des § 266a StGB immanentes Merkmal im Regelfall keine
strafschärfende Bedeutung zukommen kann.
b) Das Landgericht hat darüber hinaus nicht beachtet, dass bei
gleichzeitigem Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen
für mehrere Arbeitnehmer gegenüber derselben
Einzugsstelle nur eine Tat anzunehmen ist (vgl. Gribbohm in LK 11.
Aufl. § 266a Rdn. 108). Wie der Generalbundesanwalt im
Einzelnen ausführt, verbleiben auf Grundlage der - fehlerfrei
getroffenen - Feststellungen bei zutreffender konkurrenzrechtlicher
Betrachtung 36 Fälle des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt.
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c) Der Rechtsfolgenausspruch kann trotz des im Hinblick auf die
Höhe der hinterzogenen Beiträge
unveränderten Schuldgehalts der festgestellten Taten keinen
Bestand haben. Der neue Tatrichter wird die Einzelstrafen und die
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Gesamtstrafe unter Anwendung des zutreffenden Strafrahmens und auf
Grundlage der geänderten konkurrenzrechtlichen Bewertung neu
zu bestimmen haben. Soweit er dabei neue Einzelstrafen hinsichtlich der
zu einer Tat zusammengezogenen gleichzeitigen Beitragsvorenthaltung
gegenüber derselben Einzugsstelle festzusetzen hat, ist er
durch das Verschlechterungsverbot nur gehindert, eine die Summe aus den
bisherigen Einzelstrafen übersteigende neue Einzelstrafe zu
verhängen (vgl. BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12;
BGH, Beschl. v. 8. Juni 2004 - 4 StR 150/04 in NStZ-RR 2004, 294
insoweit nicht abgedruckt).
Nack Wahl Kolz
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