BGH,
Beschl. v. 24.3.2009 - 5 StR 353/08
5 StR 353/08
(alt: 5 StR 412/03)
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 24. März 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Bankrotts u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. März 2009
beschlossen:
1. Auf Antrag des Generalbundesanwalts wird das Verfahren nach
§ 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte wegen
Bankrotts in vier Fällen und wegen Betrugs zu Lasten der
Arbeitnehmer Ka. und S. sowie zu Lasten des Arbeitnehmers F. verurteilt
worden ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des
Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Rostock vom 30. Oktober 2007 demgemäß nach
§ 349 Abs. 4 StPO dahin abgeändert, dass der
Angeklagte wegen Betrugs und wegen vorsätzlichen
Verstoßes gegen die Konkursantragspflicht zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt ist, deren
Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
3. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
4. Der Angeklagte hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in drei
Fällen, wegen (vorsätzlichen) Verstoßes
gegen die Insolvenzantragspflicht (richtig:
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Konkursantragspflicht) und wegen Bankrotts in vier Fällen zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt
und die Vollstreckung dieser Gesamtfreiheitsstrafe zur
Bewährung ausgesetzt. Dabei waren die der Verurteilung wegen
Betrugs zugrunde liegenden Fälle bereits Gegenstand des
Senatsbeschlusses vom 7. Juli 2004 - 5 StR 412/03 (wistra 2004, 429)
gewesen. Die Vorwürfe der Steuerhinterziehung, die ebenfalls
Gegenstand des vorgenannten Senatsbeschlusses gewesen waren, sind im
neuen Rechtsgang nach § 154 Abs. 2 StPO aus dem Verfahren
ausgeschieden worden. Nach weiterer Teileinstellung im
Revisionsverfahren ist auf die mit Verfahrensrügen und der
Sachrüge geführte Revision des Angeklagten die
Gesamtfreiheitsstrafe auf neun Monate herabzusetzen. Das weitergehende
Rechtsmittel ist aus den Gründen der Antragsschrift des
Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349
Abs. 2 StPO.
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1. Zur Verfahrenseinstellung haben folgende Erwägungen Anlass
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a) Bezüglich der Verurteilung nach § 283 Abs. 1 Nr. 8
StGB teilt der Senat die Bedenken des Generalbundesanwalts, der
insoweit ursprünglich Freispruch beantragt hat, zwar nicht. Um
jedoch eine hier in Betracht zu ziehende Zurückverweisung zu
vermeiden, ist dieser Fall einzustellen.
aa) Es ist durchaus erwägenswert, die
Veräußerung der Geschäftsanteile an der A.
I. K. G. (AIG), die Umfirmierung, die Sitzverlegung und das Abberufen
des Angeklagten vom Amt als Geschäftsführer am 22.
Dezember 1998 unter die Vorschrift des § 283 Abs. 1 Nr. 8
zweite Alternative, gegebenenfalls vorrangig unter § 283 Abs.
1 Nr. 4 StGB zu subsumieren. Der Begriff der
„geschäftlichen Verhältnisse“ ist
bislang vom Bundesgerichtshof nicht ausgelegt worden. Vor allem soll
dieses Tatbestandsmerkmal Umstände erfassen, die für
die Beurteilung der Kreditwürdigkeit (Bonität) des in
der Krise befindlichen Schuldners erheblich sind (Hoyer in SK-StGB 7.
Aufl. [März 2002] § 283 Rdn. 94; Tiede-
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mann in LK 11. Aufl. § 283 Rdn. 172; Radtke in
MünchKomm-StGB § 283 Rdn. 67). Der Auffangtatbestand
des § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB ist jedenfalls mit Blick auf die
Gläubigerinteressen auszulegen: Bei der Tathandlung des
Verheimlichens muss der Täter die Gläubiger oder den
Insolvenzverwalter über Zugriffsmöglichkeiten auf das
Schuldnervermögen in Unkenntnis setzen oder halten; bei der
Tathandlung des Verschleierns geht es um die unrichtige Darstellung
insbesondere der Vermögensverhältnisse.
Hier hat sich der Angeklagte eine Option auf Rückkauf der
Gesellschaftsanteile an der AIG einräumen lassen;
darüber hinaus war er aufgrund einer Vollmacht zur umfassenden
Vertretung der umbenannten GmbH weiterhin befugt. Dies könnte
dafür sprechen, dass es sich bei der Abtretung der Anteile und
dem Wechsel in der Geschäftsführung um
Scheingeschäfte (§ 117 BGB) handelte; solches
würde zumindest die Annahme einer Treuhänderschaft
sowie einer faktischen Geschäftsführung nahe legen.
Sofern der Angeklagte damit tatsächlich weiterhin bestimmenden
Einfluss auf die in I. GmbH umfirmierte AIG nahm, könnte er
die Fremdgläubiger über die tatsächlichen
Beteiligungsverhältnisse und die faktisch ausgeübte
Geschäftsführung einschließlich des
Firmensitzes getäuscht haben. Dies hätte zwar keine
verbesserte Darstellung der Bonität der AIG zur Folge.
Gleichwohl wird durch diese „Firmenbestattung“ die
Position der Gläubiger verschlechtert (vgl. Raik Kilper,
„Firmenbestattung“, Hamburg, 2009). Diese
könnten durch die verschleiernden Maßnahmen davon
abgehalten worden sein, in Vermögensgegenstände der
AIG zu vollstrecken oder gar den Angeklagten wegen der
Konkursverschleppung etwa nach § 826 BGB in Regress zu nehmen.
Die sogenannte Interessentheorie dürfte auf § 283
Abs. 1 Nr. 8 zweite Alternative StGB keine Anwendung finden (vgl.
allerdings BGH wistra 2000, 136 für § 283 Abs. 1 Nr.
8 erste Alternative StGB; vgl. auch Ogiermann, wistra 2000, 250, 251).
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Von § 283 Abs. 1 Nr. 8 zweite Alternative StGB
könnten sogar auch solche im Rahmen der
„Firmenbestattung“ vorgenommenen
Rechtsgeschäfte
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erfasst sein, bei denen die Rechtsfolgen von den Beteiligten
tatsächlich gewollt sind. Die Übertragung der Anteile
und das Abberufen vom Amt des Geschäftsführers
wären dann zwar nicht als Scheingeschäfte (§
117 BGB) zu werten. Gleichwohl könnten die
Rechtsgeschäfte wegen der beabsichtigten
Gläubigerbenachteiligung und der Umgehung der
insolvenzrechtlichen Pflicht zur Antragstellung zivilrechtlich
unwirksam sein (BGHR StGB § 266a Abs. 1 Vorsatz 2, insoweit in
BGHSt 48, 307 nicht abgedruckt; vgl. auch § 15a Abs. 3 InsO
n.F.). Dann hätte der bisherige
Geschäftsführer sein Amt behalten und die
Fremdgläubiger wären über die
tatsächlichen geschäftlichen Verhältnisse
der Gesellschaft getäuscht worden.
bb) Einer Verurteilung könnte indes entgegenstehen, dass -
ungeachtet noch pfändbarer (allerdings geringer) Bankguthaben
- nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe für
Dezember 1998 von Zahlungseinstellung (§ 283 Abs. 6 StGB)
auszugehen sein könnte. Jedenfalls für die Verletzung
der Pflicht zur Aufstellung des Jahresabschlusses ist entschieden, dass
der Tatbestand des Bankrotts nicht mehr verwirklicht werden kann, wenn
- was dann näherer Auklärung bedürfte - die
objektive Bedingung der Strafbarkeit bereits eingetreten ist (BGHR StGB
§ 283 Abs. 1 Nr. 7b Zeit 1 m.w.N.). Entsprechendes
könnte für § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB gelten.
Diese wie auch die vorgenannten Fragen bedürfen wegen der
Verfahrenseinstellung nicht der Vertiefung.
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b) Bei den drei übrigen Bankrottdelikten stehen die
Schuldsprüche in Frage, weil das Landgericht etwaige
Auswirkungen einer Durchsuchung und Beschlagnahme von
Geschäftsunterlagen im Juni 1997 auch mit Blick auf die damals
anhängigen Ermittlungsverfahren nicht weiter
aufgeklärt hat. Zudem fehlt es ebenso wie bei zwei
Betrugsfällen an der nach § 47 Abs. 1 StGB gebotenen
Begründung für die Verhängung kurzer
Freiheitsstrafen. Mit Blick auf die lange Verfahrensdauer erscheint die
Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO als angemessene
Verfahrenserledigung. Dies ermöglicht, das Verfahren nunmehr
rechtskräftig abzuschließen.
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2. Das Urteil hält in dem nach Teileinstellung verbleibenden
Umfang der rechtlichen Nachprüfung stand.
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a) Soweit der Angeklagte wegen Betrugs verurteilt worden ist, werden
die Feststellungen des Landgerichts den Vorgaben aus dem
Senatsbeschluss vom 7. Juli 2004 (vgl. auch BGHSt 1, 262, 264; BGHR
StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 39; BGH wistra
1986, 170) gerecht. Dem Urteil ist hinreichend deutlich zu entnehmen,
dass der geschädigten Arbeitnehmerin R. im Dezember 1998 die
Vollstreckung in ein Bankguthaben in Höhe von rund 11.600 DM
noch möglich gewesen wäre und sie sich - wie auch die
übrigen Arbeitnehmer - nur deswegen von der Beitreibung der
Forderung hat abhalten lassen, weil sie auf die Erfüllung der
Stundungs und Ratenzahlungsvereinbarung vertraute, zumal der Angeklagte
persönlich mit der Bürgschaft einzustehen versprach.
Eines weiteren Eingehens auf die subjektive Tatseite bedurfte es bei
dieser Sachlage nicht.
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b) Im Rahmen der Konkursverschleppung (§ 84 Abs. 1 Nr. 2, 64
Abs. 1 GmbHG a.F.; jetzt, insoweit ohne inhaltliche
Änderungen, § 15a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 InsO n.F.,
§ 2 Abs. 2, Abs. 3 StGB), die nicht verjährt ist
(vgl. dazu insbesondere BGH wistra 2009, 117, 119, zur
Veröffentlichung in BGHSt bestimmt), belegen die
Feststellungen sowohl die Überschuldung als auch die
Zahlungsunfähigkeit der AIG. Insoweit bemerkt der Senat
ergänzend zu den Ausführungen des
Generalbundesanwalts zur Aufklärungsrüge des
Beschwerdeführers, die den etwaigen, angeblich vom
Sachverständigen nicht berücksichtigten
Rangrücktritt des Angeklagten zum Gegenstand hat (S. 25 bis 41
aus der Revisionsbegründung vom 12. Februar 2008):
Die - auch in der Sache insbesondere hinsichtlich des Konkursgrundes
der Zahlungsunfähigkeit ersichtlich aussichtslose -
Aufklärungsrüge ist bereits deswegen
unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil sie keine
konkret bestimmten aufklärungsbedürftigen Tatsachen
bezeichnet. Es wird nur in
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den Raum gestellt, dass der Angeklagte in Höhe seiner
Gesellschafterforderung von rund 11,6 Mio. DM einen
Rangrücktritt erklärt habe, ohne dies nach Ort, Zeit
und den weiteren Umständen zu konkretisieren. Einer solchen
Präzisierung hätte es insbesondere auch deswegen
bedurft, weil die AIG Zinszahlungen auf das Gesellschafterdarlehen
leistete, was eindeutig gegen einen Rangrücktritt spricht.
c) Der Senat schließt aus, dass die für die
Konkursverschleppung verhängte Einzelfreiheitsstrafe von acht
Monaten und die für den Betrugsfall zu Lasten der
Arbeitnehmerin R. verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sechs
Monaten durch die Straffindung in den übrigen Fällen
beeinflusst worden sein könnten. Auch führt der
Umstand, dass das Landgericht Art und Ausmaß der von ihm
festgestellten rechtsstaatswidrigen Verzögerung
rechtsfehlerhaft nicht bestimmt hat, hier zu keinem durchgreifenden
Strafzumessungsfehler. Noch mildere Einzelfreiheitsstrafen
hätte das Landgericht angesichts des Umstandes, dass der
Angeklagte im Dezember 1998 die eine
„Firmenbestattung“ betrieb und die
Geschädigte R. als langjährige vertraute Angestellte
über Jahre hinweg von dem Einfordern ihrer Lohnforderungen
abhielt, ersichtlich nicht verhängt. Dass es die Einzelstrafen
nach der so genannten mittlerweile überholten (BGHSt [GS] 52,
124) Strafabschlagslösung gemindert hat, beschwert den
Angeklagten nicht (vgl. BGH wistra 2008, 348, 349).
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3. Der Senat hat - entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts -
die erneut erforderliche Gesamtstrafenbildung selbst vorgenommen, indem
er die Einsatzstrafe um einen Monat erhöht hat. Eine noch
geringere Erhöhung nach Wochen kam ersichtlich nicht in
Betracht. Die so gebildete Gesamtfreiheitsstrafe
berücksichtigt unter Beachtung der einer
Verfahrensrüge zu entnehmenden für die
Verfahrensverzögerung maßgeblichen
Anknüpfungstatsachen und angesichts der bereits vom
Landgericht gewährten Strafabschläge sowie der
Verfahrenseinstellungen in weit ausreichendem Maße die
rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung. Ein
„echter“ Härte-
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ausgleich mit Blick auf die Erledigung der Geldstrafe aus dem Urteil
des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 17. September 1998 war
bereits deswegen nicht zu gewähren, weil insoweit für
die verbliebenen abgeurteilten Taten zu keinem Zeitpunkt, insbesondere
nicht im hierfür maßgeblichen ersten Urteil vom 23.
Dezember 2002, eine Gesamtstrafenkonstellation (§ 55 Abs. 1
Sätze 1 und 2 StGB) vorlag. Die Konkursverschleppung war
jedenfalls nicht vor dem 22. Dezember 1998 beendet (vgl. BGHR StGB
§ 55 Abs. 1 Begehung 1; BGH NJW 1997, 750, 751, insoweit in
BGHSt 42, 268 nicht abgedruckt; BGH wistra 1996, 144, 145); der Betrug
zu Lasten der Arbeitnehmerin R. begann sogar erst Ende Oktober 1998.
Das Tatgericht wird über den gegenstandslos gewordenen
Bewährungszeit- und Pflichtenbeschluss (§ 268a StPO)
neu zu befinden haben.
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Basdorf Raum Brause
Schaal Dölp |