BGH,
Beschl. v. 25.9.2001 - 1 StR 355/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 355/01
vom
25. September 2001
in der Strafsache gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. September 2001
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Weiden vom 17. April 2001
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß die
tateinheitlich erfolgte Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von
Betäubungsmitteln entfällt,
b) im Ausspruch über die Vollstreckungsreihenfolge aufgehoben,
soweit der Vorwegvollzug von drei Jahren Freiheitsstrafe vor der
Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet
worden ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen,
jedoch wird die Gebühr um ein Drittel
ermäßigt. Die notwendigen Auslagen des
Beschwerdeführers im Revisionsverfahren hat zu einem Drittel
die Staatskasse zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln und anderer Straftaten zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Außerdem
hat es angeordnet, den Angeklagten in einer Entziehungsanstalt
unterzubringen und drei Jahre der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung
zu vollziehen.
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge teilweise
Erfolg. Im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des
§ 349 Abs. 2 StPO.
a) Das Landgericht hat den Angeklagten in sechs Fällen (B. I.
1. der Urteilsgründe) wegen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb und
unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln verurteilt.
Da der Angeklagte in diesen Fällen jeweils
Betäubungsmittel in einer Menge eingeführt und damit
Handel getrieben hat, die nicht die Größenordnung
einer nicht geringen Menge im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG
erreicht, geht die Einfuhr als unselbständiges
Teilstück des Handeltreibens in dieser Tatform des §
29 Abs. 1 BtMG als Teil des Gesamtgeschehens auf (vgl. BGHSt 30, 28,
30; BGH NStZ 1998, 628; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1
Konkurrenzen 2; BGH, Beschl. vom 08. Oktober 1999 - 4 StR 364/99), so
daß der Angeklagte sich in diesen Fällen jeweils
lediglich des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in Tateinheit mit deren unerlaubtem Erwerb schuldig gemacht hat. Der
Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert.
Der Strafausspruch wird hierdurch nicht berührt, da auf der
Grundlage der Strafzumessungserwägungen
auszuschließen ist, daß die Strafkammer bei
zutreffender Bewertung der Konkurrenzen in den Fällen B. I. 1.
der Urteilsgründe geringere Einzelstrafen verhängt
hätte.
b) Nach den Urteilsfeststellungen leidet der Angeklagte unter einer
Drogensucht. Bei Begehung aller Taten war er infolge seiner
Drogenabhängigkeit nicht ausschließbar in seiner
Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Er hat
sich bereits vor seiner Inhaftierung zur Therapie im Bezirksklinikum
Regensburg angemeldet und ist nach wie vor krankheitseinsichtig und
therapiemotiviert, so daß eine Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt nach Einschätzung des Landgerichts sinnvoll
ist.
Die Anordnung des Vorwegvollzuges von Freiheitsstrafe vor der
Unterbringung des Angeklagten im Vollzug der Maßregel nach
§ 64 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht
stand. Tragfähige Gründe dafür, von der
gesetzlich vorgesehenen Vollstreckungsreihenfolge im Falle des
Angeklagten abzuweichen, führt die Strafkammer nicht an;
solche liegen auch nicht auf der Hand.
Richtschnur für die Frage des Vorwegvollzuges der Strafe ist
nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes das
Rehabilitationsinteresse des Verurteilten. Nach der Grundentscheidung
des Gesetzgebers in § 67 Abs. 1 StGB soll möglichst
umgehend mit der Behandlung des süchtigen oder kranken
Rechtsbrechers begonnen werden, weil dies am ehesten einen dauerhaften
Erfolg verspricht. Gerade bei längerer Strafdauer
muß es darum gehen, den Angeklagten frühzeitig von
seinem Hang zu befreien, damit er im Strafvollzug an der Verwirklichung
des Vollzugszieles arbeiten kann. Eine Abweichung von der Regelabfolge
des Vollzuges bedarf eingehender Begründung. Steht zu
besorgen, daß der an die Maßregel
anschließende Strafvollzug den Maßregelerfolg
wieder zunichte machen könnte, so müssen
dafür überzeugende Gründe vorliegen (vgl.
Senat, Beschl. vom 30. Januar 2001 - 1 StR 481/00 - m.w.N.).
Diesen Anforderungen wird die vom Landgericht bestimmte Ausnahme nicht
gerecht. Es fehlt eine auf die Person des Angeklagten bezogene
Würdigung der Umstände des Einzelfalles. Die
Strafkammer begründet die nach ihrer Ansicht hier leichtere
Erreichbarkeit des Zwecks der Maßregel nach § 64
StGB mit der allgemeinen Erwägung, daß es bei einer
möglichen Therapiemaßnahme wichtig sei, den
Angeklagten in die Freiheit entlassen zu können. Es sollte
eine "abgefederte Entlassung" stattfinden können, d.h. im
letzten halben Jahr vor der Entlassung sollten
Resozialisierungsmaßnahmen greifen können (UA S. 73).
Diese allgemeinen Erwägungen stehen im Widerspruch zu der
gesetzlichen Wertung in § 67 Abs. 1 StGB, wonach im Regelfall
zunächst die Maßregel zu vollziehen ist. Will der
Tatrichter von der der gesetzlichen Wertung entsprechenden Reihenfolge
aufgrund des § 67 Abs. 2 StGB abweichen, so muß er
dies mit auf den Einzelfall bezogenen, tragfähigen
Erwägungen begründen.
Aufgrund der bisher verbüßten Haft des Angeklagten
sieht der Senat von einer Zurückverweisung der Sache ab und
läßt statt dessen die Anordnung des Vorwegvollzuges
entfallen (§ 354 Abs. 1 StPO).
c) Die Kosten- und Auslagenentscheidung trägt dem Umstand
Rechnung, daß der Angeklagte mit seinem Rechtsmittel einen
Teilerfolg erzielt hat.
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