BGH,
Beschl. v. 25.9.2006 - 4 StR 322/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 322/06
vom
25.9.2006
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 25.09.2006
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Konstanz vom 10. April 2006 mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden
ist,
b) in den Aussprüchen über die Gesamtstrafe und die
Maßregeln.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei
rechtlich zusammentreffenden Fällen und wegen
(vorsätzlicher) Trunkenheit im Verkehr zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zwei Wochen verurteilt;
ferner hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen
Führerschein eingezogen und bestimmt, dass ihm vor Ablauf von
einem Jahr keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Gegen dieses
Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit
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der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts
rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel
ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen
durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben,
soweit das Landgericht ihn wegen versuchten Totschlags in Tateinheit
mit gefährlicher Körperverletzung zu der
Einsatzstrafe von sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt hat. Insoweit
nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in der
Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 14.08.2006.
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2. Dagegen kann die Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr
(§ 316 Abs. 1 StGB) nicht bestehen bleiben. Die Annahme des
Landgerichts, der Angeklagte sei, als er nach der zum Nachteil der
Zeugen B. und M. begangenen Gewalttat mit seinem eigenen Pkw geflohen
sei, fahruntüchtig im Sinne des § 316 StGB gewesen,
ist nicht hinreichend belegt.
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Das Landgericht hat weder die seiner rechtlichen Wertung zu Grunde
liegende Tatzeitblutalkoholkonzentration ermittelt noch die
für die Berechnung erforderlichen Daten in ausreichendem
Umfang mitgeteilt. Vielmehr ist dem Urteil allein zu entnehmen, dass
die dem Angeklagten angelastete Fahrt mit seinem Pkw
frühestens um 4.30 Uhr begann und ihm am selben Tag um 13.58
Uhr eine Blutprobe entnommen wurde, die eine Blutalkoholkonzentration
von 0,01‰ ergab. Dagegen fehlt jede Angabe zum Trinkverlauf
und insbesondere zum Trinkende. Diese Angaben sind
grundsätzlich nicht entbehrlich, um bestimmen zu
können, wann die Resorption des aufgenommenen Alkohols
abgeschlossen ist. Darauf kommt es nach der Rechtsprechung an, weil die
Re-
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sorption bis zu zwei Stunden dauern kann und deshalb die ersten zwei
Stunden nach Trinkende grundsätzlich von einer
Rückrechnung auszunehmen sind (BGHSt 25, 246;
Janiszewski/Jagow/Burmann Straßenverkehrsrecht 19. Aufl.
§ 316 StGB Rdn. 7 und 14 m.w.N.).
Selbst wenn davon auszugehen sein sollte, dass im Zeitpunkt des
Fahrtantritts um 4.30 Uhr bei dem Angeklagten die Alkoholresorption
bereits vollständig abgeschlossen war, wäre zumindest
die Annahme alkoholbedingter "absoluter" Fahruntüchtigkeit
nicht belegt. Denn ausgehend von dem Ergebnis der Blutprobe
ergäbe die Rückrechnung mit dem zu Grunde zu legenden
stündlichen Abbauwert von 0,1 ‰ eine max.
Tatzeitblutalkoholkonzentration von 0,01 ‰ plus (9,5 Stunden
mal 0,1 =) 0,95 ‰ = 0,96 ‰ und damit einen Wert
unterhalb der Grenze der absoluten Fahruntauglichkeit von 1,1
‰ (BGHSt 37, 89). Fahrfehler oder sonstige
Ausfallerscheinungen in der Person des Angeklagten, die die Annahme
"relativer" Fahruntüchtigkeit tragen könnten, sind
nicht festgestellt. Dafür genügt insbesondere auch
nicht die von der Strafkammer in diesem Zusammenhang herangezogene
"Erregung" (UA 26). Dass der Angeklagte selbst seine Alkoholisierung
erkannte und deshalb zunächst auf die Benutzung seines
Fahrzeugs verzichtet hatte, mag für eine versuchte
Trunkenheitsfahrt sprechen, die in § 316 StGB aber nicht unter
Strafe gestellt ist; für die Annahme einer vollendeten Tat
genügt diese bloße Einschätzung des
Angeklagten dagegen nicht.
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3. Über den Vorwurf der Trunkenheitsfahrt nach § 316
StGB ist deshalb neu zu befinden. Die Aufhebung der Verurteilung nach
§ 316 StGB erfasst auch die insoweit erkannte Einzelstrafe von
einem Monat Freiheitsstrafe und zieht die Aufhebung des
Gesamtstrafenausspruchs und ebenfalls des Maßregelausspruchs
nach §§ 69, 69 a StGB nach sich.
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Sofern der neue Tatrichter nicht zur Annahme zumindest "relativer"
Fahruntüchtigkeit und deshalb nicht erneut zur Verurteilung
des Angeklagten nach § 316 StGB gelangt, wird er die Tat
gemäß § 82 Abs. 2 OWiG auch unter dem
rechtlichen Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit nach § 24 a
Abs. 1 StVG zu beurteilen haben.
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VRi'inBGH Dr. Tepperwien Maatz Athing
ist krankheitsbedingt an der Unterschrift, RiBGH Maatz urlaubsbedingt
an der Anbringung des Verhinderungsvermerks gehindert.
Athing
Solin-Stojanović Sost-Scheible |