BGH,
Beschl. v. 26.4.2001 - 1 StR 109/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 109/01
vom
26. April 2001
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. April 2001
beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag und auf seine Kosten
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung
der Frist zur Begründung der Revision gewährt.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Regensburg vom 18. September 2000 im Ausspruch über
die Vollstreckungsreihenfolge aufgehoben, soweit der Vorwegvollzug
von einem Jahr und zwei Monaten Freiheitsstrafe vor
der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen
Krankenhaus angeordnet worden ist.
Die weiter gehende Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete
Urteil wird als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
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Gründe:
I.
Dem Angeklagten ist Wiedereinsetzung in die Frist zur
Begründung seiner
Revision zu gewähren, weil ihn an deren Versäumung
kein Verschulden
trifft (§ 44 Satz 1, § 45 StPO). Diese beruht
vielmehr auf einem Versehen der
Kanzlei seines Verteidigers. Das ist durch dessen anwaltliche
Versicherung
glaubhaft gemacht.
II.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung
in zwei
Fällen, davon in einem Falle in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung,
unter Einbeziehung der Strafen aus einer anderweitigen Verurteilung zur
Gesamtfreiheitsstrafe
von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Darüber hinaus
hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen
Krankenhaus
angeordnet. Zur Vollstreckungsreihenfolge hat es bestimmt,
daß vor
dem Vollzug der Maßregel zunächst ein Jahr und zwei
Monate der erkannten
Freiheitsstrafe zu vollstrecken sind. Die Revision des Angeklagten
rügt allgemein
die Verletzung sachlichen Rechts. Sie hat Erfolg, soweit das Landgericht
den teilweisen Vorwegvollzug von Freiheitsstrafe vor der Unterbringung
in einem
psychiatrischen Krankenhaus angeordnet hat; im übrigen ist sie
unbegründet
im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die vom Landgericht für die Anordnung des teilweisen
Vorwegvollzuges
von Freiheitsstrafe vor der Unterbringung des Angeklagten in einem
psychiatrischen
Krankenhaus nach § 63 StGB gegebene Begründung
widerstreitet der
vom Gesetzgeber getroffenen Grundentscheidung (§ 67 Abs. 1
StGB). Tragfä-
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hige Gründe dafür, von dieser im Falle des
Angeklagten abzuweichen, führt die
Strafkammer nicht an; solche liegen auch nicht auf der Hand.
1. Richtschnur für die Frage des Vorwegvollzuges der Strafe
ist nach der
ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das
Rehabilitationsinteresse
des Verurteilten. Nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers in
§ 67
Abs. 1 StGB soll möglichst umgehend mit der Behandlung des
süchtigen oder
kranken Rechtsbrechers begonnen werden, da dies am ehesten einen
dauerhaften
Erfolg verspricht. Gerade bei längerer Strafdauer
muß es darum gehen,
den Angeklagten frühzeitig zu heilen und seine
Persönlichkeitsstörung zu behandeln,
damit er im Strafvollzug an der Verwirklichung des Vollzugszieles
arbeiten
kann (vgl. dazu BGHSt 37, 160, 162; BGHR StGB § 67 Abs. 2
Vorwegvollzug,
teilweiser 4, 10, 11, 12; BGH NStZ-RR 1999, 44; NStZ 1999, 613 f.).
Eine Abweichung von der Regelabfolge des Vollzuges bedarf eingehender
Begründung
(BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 10). Will der
Tatrichter darauf stützen, daß der an die
Maßregel anschließende Strafvollzug
den Maßregelerfolg wieder zunichte machen könnte, so
müssen dafür überzeugende
Gründe vorliegen (BGH NStZ 1986, 428; BGHR StGB § 67
Abs. 2
Vorwegvollzug 7, Vorwegvollzug, teilweiser 13).
2. Diesen Anforderungen wird die vom Landgericht bestimmte Ausnahme
nicht gerecht. Das Landgericht führt aus, daß nur
durch den Vorwegvollzug
von Freiheitsstrafe eine ausreichende Konfrontation des Angeklagten mit
den
Folgen seiner Straftat erreicht werden könne; denn aufgrund
seiner Persönlichkeitsstruktur
neige er dazu, die eigenen Straftaten zu bagatellisieren und
Verantwortung auf Dritte abzuschieben. Diese Erwägung erhellt
nicht, inwiefern
eine Konfrontation mit den Folgen seines strafbaren Handelns eher im
Strafvollzug
als bei der Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus erreicht
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werden kann oder die Strafhaft als Vorstufe der Behandlung für
deren Zwecke
erforderlich sein könnte. Dies versteht sich nicht von selbst
und wäre deshalb
näher zu begründen gewesen. Es liegt nahe,
daß der zugrundeliegenden Neigung
des Angeklagten im Vollzug der Maßregel besser begegnet
werden kann.
Gleiches gilt, soweit die Strafkammer hervorhebt, durch den teilweisen
Vorwegvollzug von Freiheitsstrafe werde vermieden, daß der
Angeklagte im
Anschluß an eine erfolgreiche Behandlung im psychiatrischen
Krankenhaus
noch Freiheitsstrafe verbüßen müsse,
wodurch der Therapieerfolg gefährdet
werde. Da das Landgericht damit von der Grundentscheidung des
Gesetzgebers
abweichen will (§ 67 Abs. 1 StGB), hätte es auf den
Einzelfall bezogener
tragfähiger Gründe bedurft, die eine solche
Würdigung konkretisieren und
nachvollziehbar erscheinen lassen.
3. Der bezeichnete Mangel führt zur Aufhebung des Ausspruchs
über
den Vorwegvollzug von Freiheitsstrafe vor der Unterbringung des
Angeklagten
in einem psychiatrischen Krankenhaus. Die zugrunde liegenden
Feststellungen
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können bestehen bleiben, weil lediglich ein Wertungsfehler in
Rede steht. Ergänzende
Feststellungen, die den getroffenen nicht widersprechen, sind statthaft.
Schäfer Nack Schluckebier
Herr RiBGH Schaal ist
wegen Urlaubs an der
Unterschrift gehindert.
Kolz Schäfer |