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BGH, Beschluss vom 26. August 2003 - 5 StR 145/03


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 26.8.2003 - 5 StR 145/03
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung: ja
StPO § 153 Abs. 2
StGB § 263
1. Strafklageverbrauch nach gerichtlicher Entscheidung gemäß
§ 153 Abs. 2 StPO.
2. Täuschung und Schädigungsvorsatz bei betrügerischer Einwerbung
von Kapitaleinlagen.
BGH, Beschl. v. 26.08.2003 - 5 StR 145/03
LG Berlin -
5 StR 145/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 26.08.2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Betrugs
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26.08.2003
beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Berlin vom 23. April 2002 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO
a) in den Fällen 1 bis 465 der Urteilsgründe aufgehoben;
in diesen Fällen wird das Verfahren gemäß
§ 260 Abs. 3 StPO eingestellt; insoweit trägt die
Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die
notwendigen Auslagen der Angeklagten;
b) in den übrigen Fällen mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
2. Hinsichtlich der Fälle 466 bis 544 wird die Sache zu
neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die
verbleibenden Kosten der Rechtsmittel, an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Betrugs in 544 Fällen
verurteilt. Gegen den Angeklagten N hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe
von fünf Jahren, gegen die Angeklagten B und S jeweils
Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren verhängt. Die hiergegen gerichteten
Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge in dem aus
dem Beschlußtenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
- 3 -
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts haben die drei Angeklagten
im Oktober 1991 die „F S B G
“ (im folgenden: FSBG) gegründet. Gegenstand dieser
erst 1996 ins Handelsregister eingetragenen offenen Handelsgesellschaft
war die Vermittlung von Versicherungen, Bausparverträgen und Darlehen
sowie Maklertätigkeit. Im Laufe der Zeit entwickelten die Angeklagten die
Idee, Immobiliengeschäfte zu betreiben. Um das für den Ankauf von Immobilien
erforderliche Kapital bilden zu können, sollten Kleinanleger veranlaßt
werden, stille Beteiligungen an der FSBG zu erwerben. Entsprechende stille
Beteiligungen, die Renditen von regelmäßig drei Prozentpunkten über dem
üblichen Kapitalmarktzins erbringen sollten, boten die Angeklagten entweder
als monatlich oder zum Ende der Laufzeit rückzahlbare Einlagen über freie
Handelsvertreter an. Die Handelsvertreter wurden von dem Angeklagten
N geschult. In dem der Verurteilung zugrunde gelegten Zeitraum von
März 1996 bis Februar 1999 warben die Angeklagten über Handelsvertreter
in 544 Fällen Einlagen zwischen 2.000 DM und 160.000 DM ein.
Mit Verfügung vom 17. Februar 1999 untersagte das Bundesaufsichtsamt
für das Kreditwesen den Angeklagten die Durchführung der Einlagegeschäfte
und bestellte einen Rechtsanwalt zum Abwickler der FSBG. Zugleich
erfolgte eine Einstellung der Zahlungen an die Anleger. Bis zu diesem
Zeitpunkt hatte die FSBG, die zuletzt über 250 Mitarbeiter verfügte, die Verbindlichkeiten
aus den Ratenzahlungsverträgen bedient. Nach der Untersagungsverfügung
des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen wurden
Einlagen nicht mehr zurückgezahlt; ebensowenig wurden die Ratenzahlungsvereinbarungen
erfüllt. Das zunächst eröffnete Insolvenzverfahren wurde
später mangels Masse eingestellt.
Das Landgericht hat die jeweilige Veranlassung von Einzahlungen der
Anleger als eigenständigen Betrug gemäß § 263 StGB gewertet. Da die
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FSBG über keine Rücklagen verfügt habe, seien die erbrachten Einlagen der
Anleger schon zum Zeitpunkt ihrer Einzahlung erheblich gefährdet gewesen.
Gegen alle drei Angeklagten hatte das Amtsgericht Tiergarten in Berlin
zunächst Strafbefehle wegen eines Vergehens nach dem Kreditwesengesetz
(§ 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG) erlassen. Hierin ist den Angeklagten zur Last gelegt
worden, seit September 1995 durch die FSBG nicht genehmigte Bankgeschäfte
durchgeführt zu haben. Diese Verfahren hat das Amtsgericht in der
Hauptverhandlung vom 4. September 1998 durch Beschluß nach
§ 153 Abs. 2 StPO eingestellt.
II.
Die Revisionen der Angeklagten führen zur Einstellung des Verfahrens
nach § 260 Abs. 3 StPO in den Fällen 1 bis 465 der Urteilsgründe und im
übrigen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
1. Hinsichtlich derjenigen Betrugsfälle, die bis zum 4. September 1998
begangen wurden, ist Strafklageverbrauch eingetreten, weil die das Verfahren
beendende Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO auch die bis zu diesem
Zeitpunkt begangenen Betrugstaten erfaßt.
a) Eine gerichtliche Entscheidung nach § 153 Abs. 2 StPO führt zu einem
beschränkten Strafklageverbrauch.
aa) Ob einer gerichtlichen Entscheidung nach § 153 Abs. 2 StPO
überhaupt strafklageverbrauchende Wirkung zukommen kann, ist in der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - soweit ersichtlich - noch nicht
entschieden. Mit Urteil vom 24. März 1953 hat der 6. Strafsenat lediglich
festgestellt, daß die Einstellung nach § 153 Abs. 3 StPO in der damaligen
Fassung wegen einer Übertretung nicht die Strafklage hinsichtlich eines Vergehens
verbraucht, dessen tatsächlicher Umfang dem Gericht bei Erlaß des
- 5 -
Einstellungsbeschlusses nicht bekannt war (BGH bei Dallinger
MDR 1954, 399). Schon weil sich die gesetzlichen Grundlagen (Übertretung)
ebenso wie der Wortlaut und der Inhalt des § 153 StPO verändert haben,
können dieser Entscheidung maßgebliche Folgerungen für die hier zu beurteilende
Fallgestaltung nicht entnommen werden. Entsprechendes gilt auch
für das Urteil des 3. Strafsenats vom 30. Oktober 1953 (3 StR 776/52), der
ebenfalls für die damalige Regelung des § 153 Abs. 3 StPO einen Strafklageverbrauch
abgelehnt hat, wenn sich die Tat nachträglich als Verbrechen
herausstellte.
In der Literatur ist das Meinungsbild uneinheitlich. In der älteren Literatur
wird teilweise ein Strafklageverbrauch abgelehnt, teilweise die Auffassung
vertreten, daß ein Strafklageverbrauch dann ausscheide, wenn die Tat
sich aufgrund neuer Tatsachen und Beweismittel unter einem neuen rechtlichen
Gesichtspunkt darstellt (Kohlhaas in Löwe/Rosenberg, StPO
20. Aufl. § 153 Anm. 11 mit weiteren Nachweisen zum damaligen Meinungsstand).
In der neueren Literatur herrscht zumindest Übereinstimmung, bei
Vorliegen eines Verbrechens keinen Strafklageverbrauch anzunehmen
(Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 153 Rdn. 37). Im übrigen wird im wesentlichen
darüber gestritten, ob und inwieweit neue Tatsachen den Strafklageverbrauch
entfallen lassen (grundsätzlich bejahend: Pfeiffer, StPO 4. Aufl.
§ 153 Rdn. 9; Meyer-Goßner aaO § 153 Rdn. 38; Beulke in Löwe/
Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 153 Rdn. 91; Weßlau in SK-StPO [Stand:
Dezember 2002] § 153 Rdn. 57; grundsätzlich verneinend: Krehl in
HK-StPO 3. Aufl. § 153 Rdn. 28; Plöd in KMR [Stand: 28. Juli 2001] § 153
Rdn. 37; Schoreit in KK 5. Aufl. § 153 Rdn. 63 ff.; Schöch in
AK-StPO 2. Aufl. § 153 Rdn. 56 ff.). Hinsichtlich der Einstellungsvorschrift
des § 47 Abs. 2 OWiG für das gerichtliche Bußgeldverfahren nimmt die
Kommentarliteratur allenfalls eine gewisse Sperrwirkung an (vgl. Seitz in
Göhler, OWiG 13. Aufl. § 47 Rdn. 61; § 84 Rdn. 16; Bohnert in KK-OWiG
2. Aufl. § 47 Rdn. 35; Steindorf in KK-OWiG 2. Aufl. § 84 Rdn. 16).
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bb) Der Senat bejaht einen jedenfalls beschränkten Strafklageverbrauch
bei einer gerichtlichen Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO. Dies erfordert
schon der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergebende
Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes. Die Verfassungsnorm des
Art. 20 Abs. 3 GG schützt grundsätzlich das Vertrauen darauf, daß die mit
abgeschlossenen Tatbeständen verknüpften gesetzlichen Rechtsfolgen anerkannt
bleiben (BVerfGE 63, 215, 223 f.; 30, 367, 386). Damit wäre es
- auch jenseits von Art. 103 Abs. 3 GG - unvereinbar, wenn ein Sachverhalt,
der richterlicher Würdigung unterzogen wurde, jederzeit in einem erneuten
Verfahren wiederum zum Gegenstand richterlicher Entscheidung gemacht
werden könnte.
Einer solchen unbeschränkten Möglichkeit des Wiederaufgreifens des
Verfahrens stünde auch die Regelung des § 153 Abs. 2 Satz 4 StPO entgegen,
die eine Unanfechtbarkeit des Einstellungsbeschlusses vorsieht. Diese
Bestimmung würde ausgehöhlt, wenn zwar keine Anfechtung stattfinden
könnte, die Staatsanwaltschaft aber nicht gehindert wäre, durch eine neue
Anklageerhebung die verfahrensbeendende Wirkung der Einstellung nach
§ 153 Abs. 2 StPO zu umgehen. Der Sinn der gesetzlichen Regelung, die
den Einstellungsbeschluß im Hinblick auf das Zustimmungserfordernis sowohl
seitens der Staatsanwaltschaft als auch des Angeklagten für unanfechtbar
erklärt, macht es notwendig, dieser Entscheidung jedenfalls einen
der beschränkten Rechtskraftwirkung folgenden gewissen Strafklageverbrauch
zuzubilligen.
cc) Fraglich kann deshalb nicht sein, ob der Einstellungsentscheidung
nach § 153 Abs. 2 StPO überhaupt eine strafklageverbrauchende Wirkung
zukommt, sondern nur die Bestimmung von deren Grenzen. Insoweit bildet
die Regelung des § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO eine maßgebliche Schranke.
Wenn sogar für die Einstellung unter einer Auflage die spätere Verfolgung
der Tat als Verbrechen noch möglich bleibt, können für die Einstellung nach
§ 153 StPO, die dem Beschuldigten kein Opfer abverlangt, keine weiteren
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Anforderungen gelten. Deshalb wird ein erhöhter Schuldgehalt immer dann
ein erneutes Aufgreifen des Verfahrens rechtfertigen, wenn sich die Tat
nachträglich als Verbrechen darstellt (vgl. auch BGH, Urt. vom
30. Oktober 1953 - 3 StR 776/52). Ob sich der schwerere Vorwurf des Verbrechens
auf neue Tatsachen oder nur auf eine andere rechtliche Bewertung
stützt, ist dabei unerheblich (allgemeine Meinung mit im einzelnen unterschiedlicher
Begründung - vgl. Beulke in Löwe/Rosenberg, StPO
25. Aufl. § 153 Rdn. 90 m.w.N.).
dd) Im übrigen sieht der Senat grundsätzlich keinen Anlaß, bei gerichtlichen
Einstellungsentscheidungen nach § 153 Abs. 2 StPO zusätzliche
- über § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO und die Wiederaufnahmevorschriften
(§ 362 StPO) hinausgehende - Beschränkungen des Strafklageverbrauchs
anzunehmen.
(1) In der Literatur wird als Gesichtspunkt für eine Auslegung des
Umfangs des Strafklageverbrauchs bei § 153 Abs. 2 StPO eine Übertragung
des Rechtsgedankens der § 47 Abs. 3 JGG und § 211 StPO diskutiert (vgl.
Beulke und Weßlau aaO). Danach soll eine Neuaufnahme des Verfahrens
jedenfalls dann in Betracht kommen, wenn neue Tatsachen gegeben sind
(§ 211 StPO). Als neu im Sinne dieser Bestimmung hat die Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs nur solche Tatsachen angesehen, die der Richter
nicht kennt, auch wenn er sie im Zeitpunkt der Nichteröffnung des Hauptverfahrens
hätte kennen können (BGHSt 18, 225, 226; 7, 64, 66). Dieses Erfordernis
hat die Rechtsprechung aber insoweit einschränkend ausgelegt, als
nicht prinzipiell jede neue Tatsache den gerichtlichen Beschluß über die Ablehnung
der Eröffnung hinfällig werden läßt. Verlangt wird grundsätzlich eine
- unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Ursprungsgerichts
(BGHSt 18, 225, 226 f.) - gewisse Erheblichkeit der neu bekanntgewordenen
Tatsache. Maßgeblich sind nur solche Tatsachen, die auf die Nachweisbarkeit
der Tat Einfluß gewinnen können. Für die Auslegung des
§ 47 Abs. 3 JGG wird im wesentlichen - wenngleich hier auch für die
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Rechtsfolgen relevante Tatsachen bedeutsam sind - auf die Rechtsprechung
zu § 211 StPO Bezug genommen (Eisenberg, JGG 9. Aufl. § 47 Rdn. 24;
Diemer in Diemer/Schoreit/Sonnen, JGG 4. Aufl. § 47 Rdn. 15).
(2) Es ist schon zweifelhaft, inwieweit solche vergleichenden Betrachtungen
für die Auslegung des § 153 Abs. 2 StPO herangezogen werden können.
Die Regelung des § 47 Abs. 3 JGG kann schon deshalb für andere Prozeßordnungen
nur bedingt fruchtbar gemacht werden, weil diese Norm im
Gesamtzusammenhang des Jugendstrafrechts steht. Dieses ist geprägt vom
Erziehungsgedanken. Es liegt auf der Hand, daß hiernach in Bezug auf die
Tat später bekannt werdende Tatsachen bei dem Jugendlichen einen besonderen
Erziehungsbedarf auslösen können und aufgrund der sich rückwirkend
anders darstellenden Entwicklung eine jugendrichterliche Sanktion aus erzieherischen
Gründen notwendig werden könnte.
Die Regelung des § 211 StPO ist mit derjenigen nach § 153
Abs. 2 StPO gleichfalls nur sehr eingeschränkt vergleichbar. Die darauf bezogene
Vorschrift des § 204 StPO enthält eine bloße Verdachtsprüfung, die
außerhalb einer Hauptverhandlung im schriftlichen Verfahren getroffen wird.
Dagegen stellt die Regelung des § 153 Abs. 2 StPO ihrer Struktur nach eine
verfahrensbeendende Entscheidung dar, die grundsätzlich nach umfassender
Sachprüfung ergeht. Die Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO kann auch
- wie hier - nach mündlicher Verhandlung erfolgen. Sie setzt zudem die Zustimmung
sowohl der Staatsanwaltschaft als auch des Angeschuldigten voraus.
(3) Diese verfahrensrechtliche Ausgestaltung der gerichtlichen Einstellung
nach § 153 Abs. 2 StPO bildet auch den entscheidenden Maßstab
für die Bestimmung des Umfangs des Strafklageverbrauchs. Je umfangreicher
die Möglichkeiten für eine sachgerechte Ermittlung des Schuldvorwurfs
und je ausgeprägter die Sicherungen für eine sachgerechte Entscheidung
waren, desto größeres Vertrauen darf der Angeklagte in die Endgültigkeit der
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getroffenen Entscheidung setzen. Insoweit korrespondiert das durch das
Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) geschützte Vertrauen des Bürgers in
den Bestand staatlicher Entscheidungen mit der verfahrensrechtlichen Möglichkeit,
die der Staat zur Sachverhaltsermittlung hat. Diese muß wiederum
Auswirkungen auf die Frage haben, welche Verläßlichkeit der staatlichen
Entscheidung zuzumessen ist. Dient nämlich das Verfahren der umfassenden
Sachverhaltsaufklärung, widerspräche es der Rechtssicherheit, wenn
der Staat Ermittlungsdefizite uneingeschränkt dadurch auszugleichen sucht,
daß er das Verfahren jeweils von neuem aufrollt. Der aus dem Rechtsstaatsgebot
zu entwickelnde Vertrauensschutz erhält noch stärkeres Gewicht bei
solchen Entscheidungen, die auf der Grundlage einer eigenständigen Verfahrensordnung
durch einen unabhängigen Richter ergehen.
Vor diesem Hintergrund ist auch die gerichtliche Entscheidung nach
§ 153 Abs. 2 StPO zu sehen. Im zugrundeliegenden Verfahren ist dem
Richter eine Sachverhaltsaufklärung möglich, deren Maß dasjenige erreicht,
was auch für den Urteilserlaß gilt. Die gerichtliche Entscheidung hängt zudem
von der Zustimmung der Strafverfolgungsbehörde ab. Dies setzt eine
doppelte Prüfung voraus und gewährleistet eine wechselseitige Kontrolle.
Damit muß aber andererseits die in den Einstellungsbeschluß einfließende
übereinstimmende Beurteilung von Gericht und Strafverfolgungsbehörde
wieder Rückwirkung auf die Bindungswirkung dieser Entscheidung gewinnen.
(4) Die Möglichkeit, das Verfahren wegen neuer Tatsachen ohne weiteres
wieder aufnehmen bzw. neu eröffnen zu können, wäre mit der systematischen
Einordnung der gerichtlichen Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO
nicht in Einklang zu bringen. Wenn der Richter den Sachverhalt umfassend
ermitteln kann, rechtfertigt dies regelmäßig nicht, zu Lasten des Betroffenen
eine Durchbrechung der Rechtssicherheit zuzulassen, sofern sich neue Tatsachen
ergeben. Die gerichtliche Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO ist dem
Urteilsverfahren ähnlich. Nach Urteilserlaß ermöglicht § 362 StPO allein we-
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gen neuer Tatsachen keine Wiederaufnahme zu Lasten des Angeklagten
und damit auch keine Durchbrechung der Rechtskraft zuungunsten des Angeklagten.
Kommt das Gericht, dem im Vorfeld der Einstellung nach
§ 153 Abs. 2 StPO dasselbe Aufklärungspotential zur Verfügung steht, zu
dem Ergebnis, anstelle eines Urteilsspruches das Verfahren nach
§ 153 Abs. 2 StPO einzustellen, wäre schwerlich nachvollziehbar, warum die
richterliche Entscheidung in diesem Falle bei Auftreten neuer Tatsachen
durch eine Neueröffnung des Verfahrens faktisch gegenstandslos werden
sollte.
Dem läßt sich schließlich nicht entgegenhalten, daß ein Urteil, das
nach Art. 103 Abs. 3 GG schon von Verfassung wegen einen besonderen
Schutz genießt, mit Rechtsmitteln angefochten und von einem Obergericht
überprüft werden kann. Bei der gerichtlichen Einstellung ist Wirksamkeitsvoraussetzung,
daß die maßgeblichen Rechtsmittelberechtigten der gerichtlichen
Einstellung zustimmen (§ 153 Abs. 2 StPO). Im Falle einer solchen Zustimmung
zur Einstellung besteht jedenfalls kein wesentlicher Unterschied zu
einem Urteilsspruch, hinsichtlich dessen von keinem Beteiligten Rechtsmittel
durchgeführt werden. In beiden Fällen ist das Ergebnis die Billigung einer
verfahrensabschließenden richterlichen Entscheidung durch die Verfahrensbeteiligten.
(5) Wenn auch der Blick auf andere Verfahrensgestaltungen oder gar
Verfahrensordnungen für die Auslegung des § 153 Abs. 2 StPO nur beschränkt
aussagekräftig sein kann, sieht der Senat jedenfalls eine gewisse
Stütze für das gefundene Ergebnis in den Regelungen des § 373a StPO sowie
der §§ 84, 85 Abs. 3 OWiG (s. zu ähnlichen Vergleichsüberlegungen für
die frühere Rechtslage bei der beschränkten Rechtskraft des Strafbefehls
BVerfGE 65, 377; vgl. im übrigen zu weitgehenden Strafklageverbrauchswirkungen
nach Art. 54 SDÜ EuGH NJW 2003, 1173; Strafgericht Eupen wistra
1999, 479; Meyer-Goßner aaO Einl. Rdn. 177 m.w.N.).
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(a) Nach § 373a StPO darf ein durch einen rechtskräftigen Strafbefehl
abgeschlossenes Verfahren, das lediglich eine summarische Prüfung vorsieht,
nur dann wiederaufgenommen werden, wenn die neuen Tatsachen
den Vorwurf eines Verbrechens begründen können. Dagegen kann die Einstellung
nach § 153 Abs. 2 StPO aufgrund einer vorherigen umfassenden
Sachprüfung erfolgen. Es ist nicht ohne weiteres einzusehen, weshalb der
Strafbefehl trotz geringerer Prüfungsdichte einen höheren „Bestandsschutz“
genießen soll als die gerichtliche Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO.
Dabei kann es keinen entscheidenden Unterschied machen, daß es in
dem Strafbefehlsverfahren zur Festsetzung einer Strafe gekommen ist, während
die Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO den Angeklagten ohne Ahndung
läßt. Der Umfang des Strafklageverbrauchs ist nämlich vom Gesichtspunkt
des Vertrauensschutzes her zu bestimmen. Dieser hängt aber nicht
von der Strafhöhe ab, sondern davon, welche Richtigkeitsgewähr das zugrunde
liegende Verfahren hat, mithin also wie verläßlich die dort gefundenen
Entscheidungen sind.
(b) Dies wird im übrigen auch im Hinblick auf die Ausgestaltung des
Strafklageverbrauchs und der Wiederaufnahme im Ordnungswidrigkeitenrecht
nach einem gerichtlichen Urteil oder einer gerichtlichen Sachentscheidung
durch Beschluß (§ 84 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. §§ 72, 79 Abs. 6 OWiG)
deutlich (dagegen entfaltet der rechtskräftige Bußgeldbescheid keinen Strafklageverbrauch
- vgl. Seitz in Göhler, OWiG 13. Aufl. § 84 Rdn. 4; Steindorf
in KK-OWiG 2. Aufl. § 84 Rdn. 2 ff.). Auch insoweit wird, nicht anders als
beim Strafurteil, nicht danach differenziert, ob es zur Verhängung einer
Geldbuße oder zu einem Freispruch gekommen ist (vgl. Seitz aaO § 84
Rdn. 15; vgl. auch zu Art. 54 SDÜ BGHSt 46, 307). Eine Wiederaufnahme
des Verfahrens ist - abgesehen von den Möglichkeiten nach § 362 StPO -
nur zulässig, wenn auf der Grundlage neuer Beweismittel eine Verurteilung
wegen eines Verbrechens in Betracht kommt (§ 85 Abs. 3 Satz 2 OWiG).
Diese Regelung verdeutlicht, welch erhebliche Reichweite der Strafklagever-
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brauch bei gerichtlichen Verfahren in Bußgeldsachen hat. Dies gilt ungeachtet
dessen, daß in Bußgeldsachen auch im gerichtlichen Verfahren (§§ 71 -
78 OWiG) verfahrensrechtliche Vereinfachungen im Vergleich zum Strafverfahren
bestehen, die unter Umständen die Zuverlässigkeit des Beweisergebnisses
beeinflussen können.
Insoweit findet sich im Hinblick auf die Reichweite des Strafklageverbrauchs
in der Regelung des § 85 Abs. 3 Satz 2 OWiG eine Stütze für die
hier vorgenommene Auslegung des § 153 Abs. 2 StPO. Es wäre nämlich im
Blick auf die Bestimmung des § 85 Abs. 3 Satz 2 OWiG ein gewisser Wertungswiderspruch,
wenn dem gerichtlichen Bußgeldverfahren trotz seines
verringerten Aufklärungsstandards eine ungleich stärkere strafklageverbrauchende
Rechtskraftwirkung zukäme als der gerichtlichen Einstellung nach
§ 153 Abs. 2 StPO, die in einem Strafverfahren erfolgt ist. Auch dies kann
grundsätzlich ein Argument dafür sein, bei der gerichtlichen Entscheidung
nach § 153 Abs. 2 StPO nicht jede neue Tatsache für eine Neuaufnahme des
Verfahrens genügen zu lassen.
(6) Neben diesen rechtssystematischen Erwägungen sprechen auch
Gründe der Praktikabilität gegen eine Neueröffnung des Verfahrens bei Vorliegen
neuer Tatsachen. Welche Tatsachen bekannt waren oder nicht, wird
sich im Einzelfall nur schwerlich feststellen lassen. Es werden sich häufig
Wertungen und Tatsachen nicht mehr zweifelsfrei voneinander trennen lassen,
zumal die Art der Bewertung des Gesamtvorgangs wiederum Auswirkungen
darauf haben kann, welche Tatsachen im Blick gestanden haben.
Oftmals wird es dem - im Nachhinein kaum rekonstruierbaren - Verständnis
des jeweiligen Sachbearbeiters überlassen bleiben müssen, den zugrundegelegten
Tatsachenstoff zu bestimmen. Die Grenzen zwischen bekannten
Tatsachen, Tatsachen, die sich hätten aufdrängen müssen, und schließlich
Tatsachen, die man hätte erkennen können, sind fließend. Erst recht gilt das
für solche Informationen, die in der mündlichen Verhandlung bekannt werden,
ohne entsprechend präzise dokumentiert werden zu müssen. Eine Re-
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konstruktion dessen, was seinerzeit Verfahrensstoff war, wird deshalb häufig
auf erhebliche praktische Schwierigkeiten stoßen.
Eine im Interesse einer effektiven Strafverfolgung bestehende Notwendigkeit
für den unter Umständen allein zur Frage der Bekanntheit der
Tatsachen zu leistenden Ermittlungsaufwand vermag der Senat nicht zu erkennen.
Diejenigen Fälle, in denen sich die Sachbehandlung nach
§ 153 StPO als unvertretbar darstellt, sind weitestgehend durch die oben genannte
Grenze abgedeckt, wonach ein Strafklageverbrauch - ungeachtet
etwaiger neuer Tatsachen - dann nicht eintritt, wenn die Tat sich als Verbrechen
darstellt. Ob daneben als weitere Ausnahme eines Strafklageverbrauchs
eine solche Konstellation anzuerkennen sein wird, in welcher der
Tatrichter bei der Einstellung einer Einzeltat nach § 153 Abs. 2 StPO übersehen
oder nicht erkannt hat, daß es sich hierbei um einen Teilakt einer Dauerstraftat
oder einer Bewertungseinheit gehandelt hat (so Schoreit in KK
5. Aufl. § 153 Rdn. 63; vgl. zur entsprechenden Problematik beim Strafurteil
nur Meyer-Goßner aaO Einl. Rdn. 175, 175a), braucht der Senat im vorliegenden
Fall nicht zu entscheiden.
b) Hinsichtlich sämtlicher Betrugsfälle, die bis zum Einstellungsbeschluß
des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 4. September 1998 begangen
worden sind, ist Strafklageverbrauch eingetreten.
aa) Gegenstand in dem Verfahren vor dem Amtsgericht war hinsichtlich
aller drei Angeklagter der Vorwurf, als Mitgesellschafter der FSBG Einlagegeschäfte
getätigt zu haben, ohne im Besitz einer erforderlichen Erlaubnis
im Sinne des § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG gewesen zu sein. Dieser Vorwurf war
- rechtlich zutreffend - als einheitliches Organisationsdelikt dem Strafbefehlsverfahren
zugrundegelegt worden. Obwohl - ersichtlich exemplarisch -
sieben Einzelfälle angeführt waren, ergibt sich aus der Fassung des Strafbefehlsantrags,
daß der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft auf ein einheitliches
Organisationsdelikt bezogen war. So ist der Anfangszeitpunkt be-
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nannt (seit September 1995), die Fallzahl mit „mindestens 7“ angegeben und
schließlich nur eine einheitliche Geldstrafe vorgesehen. Steht aber ein solches
Organisationsdelikt zur Aburteilung, das sich auf wiederkehrende
gleichartige Einzelakte bezieht, umfaßt es - ebenso wie ein Dauerdelikt -
sämtliche Einzelakte bis zur letzten Tatsachenverhandlung zum Schuldspruch
(vgl. BGHSt 9, 324), ungeachtet dessen, ob die Einzelakte in der Anklage
bzw. dem Strafbefehl im einzelnen aufgeführt sind (vgl. BGHR StPO
§ 264 Abs. 1 Tatidentität 21 m.w.N.). Erfaßt unter dem Gesichtspunkt einer
Straftat nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG waren deshalb sämtliche Kapitaleinwerbungen,
die bis zum 4. September 1998 erfolgt sind.
bb) Hinsichtlich der Betrugshandlungen ist das Landgericht zu Unrecht
von einzelnen in Tatmehrheit stehenden Einzelhandlungen ausgegangen.
Auch insoweit lag auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts ein
einheitliches Organisationsdelikt bei allen drei Angeklagten vor.
(1) Einer vom Landgericht angenommenen mittäterschaftlichen Begehung
jeweils hinsichtlich der Einzeltaten des Betrugs steht schon entgegen,
daß die Angeklagten selbst keinen Kontakt zu den Anlegern hatten. Der Vertrieb
der Beteiligungen erfolgte über freie Handelsvertreter, die nach den
Feststellungen des Landgerichts gutgläubig waren. Allein der Umstand, daß
die Angeklagte B die von den Handelsvertretern akquirierten Einlagenkontrakte
zeichnete, nötigt zu keiner anderen Beurteilung. Abgesehen
davon, daß dies allenfalls eine unmittelbare Begehung nur durch diese Angeklagte
begründen könnte, reicht dieser Umstand für die Annahme einer
eigenhändigen Tatbegehung nicht aus. Vielmehr war zu diesem Zeitpunkt
(nach den Feststellungen des Landgerichts) die Täuschung der Einleger bereits
vollzogen; gegenüber dem Einleger wurde die Angeklagte B
nicht mehr tätig. Ihre Zeichnung stand vielmehr ersichtlich im Zusammenhang
mit ihrer Kontrollfunktion, die sie im Hinblick auf die Verwaltung und
Buchhaltung des Unternehmens ausübte. Konkrete Handlungen der Ange-
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klagten gegenüber den Einlegern hat das Landgericht in keinem Einzelfall
festgestellt.
(2) In Betracht kommt bei dieser Fallgestaltung nur eine mittelbare
Täterschaft kraft Organisationsherrschaft. Eine solche mittelbare Täterschaft
liegt vor, wenn die Tat durch einen Hintermann gelenkt wird. Dieser Hintermann
besitzt Tatherrschaft, wenn er mit den durch die Organisationsstrukturen
geschaffenen Rahmenbedingungen das deliktische Geschehen maßgeblich
beeinflussen kann (vgl. BGHSt 40, 218, 236 ff.; 45, 270, 296 ff.).
Dabei ist es unerheblich, ob der Tatmittler seinerseits dolos handelt
oder gutgläubig ist. Hier vermittelte sich die Leitungsmacht der Angeklagten
durch die vom Angeklagten N durchgeführten Schulungen. Durch die
Schulungen gab er nicht nur die Rahmendaten hinsichtlich der abzuschließenden
Verträge vor, sondern er prägte dadurch auch das Verkaufsverhalten
und die Art und Weise des Umgangs mit dem Kunden. Verstärkt wurde seine
beherrschende Position schließlich noch dadurch, daß er die Handelsvertreter
im guten Glauben hielt. Damit konnte er nicht nur ihr Verhalten positiv
beeinflussen, er ersparte sich auch besondere Sicherungsmaßnahmen, die
ansonsten in einer dolosen Organisationsstruktur notwendig gewesen wären.
Gemeinsam mit den beiden Mitangeklagten B und S
hat der Angeklagte N den Betrieb der FSBG arbeitsteilig organisiert.
Auch wenn allein ihm die Steuerung der Handelsvertreter oblag, sind
auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts die Mitangeklagten
jedenfalls deshalb Mittäterinnen gemäß § 25 Abs. 2 StGB, weil sie mit unterschiedlichen
Tatbeiträgen den Erfolg gemeinsam herbeiführen wollten.
cc) Die Einzelhandlungen der Angeklagten beruhten auf einem einheitlichen
Gründungsakt. Nach den Feststellungen des Landgerichts sind
Einlagen ab März 1996 in betrügerischer Absicht eingeworben worden.
Sämtliche im Zusammenhang mit der organisatorischen Fortführung der
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FSBG stehenden Einzelbetrugstaten werden dann zu einer einheitlichen
Handlung im Sinne des § 52 StGB verknüpft (BGHR StGB § 263 Täterschaft
1; BGH NStZ 1996, 296).
Damit liegen sowohl bezogen auf den Vorwurf des Verstoßes gegen
das Kreditwesengesetz (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG) als auch im Hinblick auf die
betrügerischen Handlungen jeweils Organisationsdelikte vor. Beide Organisationsdelikte
stehen im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 StGB) zueinander.
Das nach dem Kreditwesengesetz verbotene Geschäft (Einwerben von Einlagen
ohne Genehmigung) stellt zugleich den Betrug dar, weil das Einwerben
der Einlagen mit der Täuschungshandlung einhergeht. Die organisatorische
Steuerung durch die Angeklagten betraf naturgemäß beides gleichermaßen.
Dies begründet einen einheitlichen und untrennbar verbundenen Sachverhalt
und damit eine prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO.
dd) Da die Verfahrenseinstellung nach § 153 Abs. 2 StPO die gesamte
prozessuale Tat erfaßt, ist zugleich für das tateinheitlich zusammentreffende
Organisationsvergehen des Betrugs Strafklageverbrauch eingetreten. Dies
gilt unabhängig davon, ob der den Beschluß nach § 153 Abs. 2 StPO treffende
Richter Kenntnis von den Betrugsvorwürfen oder jedenfalls von den sie
begründenden, mit der Einwerbung einhergehenden Begleitumständen hatte.
Er wußte jedenfalls, daß es sich bei dem Verstoß gegen
§ 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG um eine aus mehreren Einzelakten bestehende Dauerstraftat
handelte; der oben offengelassene Ausnahmefall, wonach nur eine
Einzeltat einer nicht erkannten Serie nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt wird,
liegt hier mithin nicht vor.
2. Hinsichtlich der Fälle 466 bis 544 tragen die bislang getroffenen
Feststellungen die Verurteilung wegen Betrugs nicht. Der Senat ist deshalb
daran gehindert, hinsichtlich der verbliebenen Fälle bei den Angeklagten jeweils
auf ein einheitliches Vergehen des Betrugs zu erkennen.
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a) Die Urteilsgründe belegen das Vorliegen einer Täuschungshandlung
nicht im ausreichenden Maße.
aa) Eine Täuschungshandlung besteht nach dem Wortlaut des Gesetzes
in der Vorspiegelung falscher oder in der Entstellung oder Unterdrückung
wahrer Tatsachen. Als Tatsache in diesem Sinne ist nicht nur das tatsächlich,
sondern auch das angeblich Geschehene oder Bestehende anzusehen,
sofern ihm das Merkmal der objektiven Bestimmtheit und Gewißheit eigen ist.
Dabei kann die Täuschung außer durch bewußt unwahre Behauptungen
auch konkludent erfolgen, wenn dem irreführenden Verhalten nach der
Verkehrsanschauung ein gewisser Erklärungswert beizumessen ist
(BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 20). Dagegen sind bloße Werturteile,
seien es Rechtsauffassungen, Meinungsäußerungen oder reklamehafte Anpreisungen
grundsätzlich keine Tatsachen im Sinne des § 263 StGB. Etwas
anderes gilt allerdings dann, wenn sie zugleich einen Tatsachenkern enthalten
(vgl. Cramer in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 263 Rdn. 9). Dies ist
auf der Grundlage der Gesamtumstände zu ermitteln.
bb) Im vorliegenden Fall hätte die Annahme einer Täuschungshandlung
einer genaueren Darlegung der Umstände bedurft. Dies gilt insbesondere
für die Zeit (nach den Urteilsgründen ab Herbst 1998), in der die Anleger
am Gewinn und Verlust beteiligt wurden. Hier hätte in einer die revisionsgerichtliche
Kontrolle ermöglichenden Form dargestellt werden müssen, welche
Informationen die Anleger im einzelnen erhalten haben. Dies betrifft die Frage,
was den Anlegern über die Kapitalsituation, die Kostenstruktur oder die
konkret in Aussicht genommenen Projekte mitgeteilt wurde. Je mehr konkrete
Tatsachen über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens den
jeweiligen Anlegern gegeben wurden, umso mehr treten die hierauf bezogenen
Beurteilungen in den Hintergrund. Das Werturteil bezieht sich nämlich
dann auf das vorgelegte Tatsachenmaterial; ihm selbst kommt kein eigenständiger
Tatsachenkern zu. Enthält dagegen das Angebot selbst wenig Tatsachenmaterial,
dann kann nach den Umständen auch Äußerungen, die in
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die Form eines Werturteils gekleidet sind, der Charakter einer Tatsachenbehauptung
zukommen. Erschöpft sich das Angebot nur in allgemeinen Bewertungen
und allenfalls substanzarmen tatsächlichen Informationen, dann
wird der ihrem Wortlaut nach als Werturteil aufzufassenden Äußerung dasjenige
als Tatsachenkern beizumessen sein, was nach der Verkehrsanschauung
üblicherweise eine solche Beurteilung rechtfertigt.
Die vom Landgericht festgestellte Bezeichnung der Anlage als „sicher“
hätte deshalb in den Kontext gestellt werden müssen, in dem sie in dem Zusammenhang
des Angebots gegenüber den potentiellen Anlegern gestanden
hat. Sind nämlich die potentiellen Anleger über die wesentlichen betriebswirtschaftlichen
Rahmendaten in Kenntnis gesetzt worden, dann kann eine allgemein
gehaltene Bemerkung, wie „sicher“ oder „risikolos“ nur als pauschale
Anpreisung verstanden werden. Fehlen dagegen wirtschaftlich konkrete Informationen,
kann der gleichen Aussage ein tatsächlicher Hintergrund zukommen.
Die nicht näher mit Tatsachenmaterial unterfütterte Bezeichnung
als „sicher“ oder „risikolos“ legt dann nämlich nahe, daß ein Maß an Forderungsabsicherung
vorhanden ist, welches im Verkehr üblicherweise als sicher
verstanden wird, wobei insoweit die mündelsicheren Anlagen
(§§ 1806 ff. BGB) und der dort vorgesehene Sicherheitsstandard einen Anhalt
bieten könnten.
cc) Die Urteilsgründe beschränken sich auf die allgemein gehaltene
Feststellung, daß den Anlegern mitgeteilt wurde, die Gelder würden in eigene
Immobilien und partiarische Beteiligungen investiert werden, ohne daß allerdings
dargelegt wird, ob sich die Informationen auf bereits erfolgte oder erst
beabsichtigte Investitionen bezogen und welche konkreten Objekte benannt
wurden. Dies läßt nicht zwangsläufig den Schluß auf eine Täuschungshandlung
zu, solange die wesentlichen Umstände der Einwerbung im übrigen
nicht dargelegt werden. Auch insoweit kommt es darauf an, ob hinsichtlich
der Investitionsobjekte konkrete Informationen oder ebenfalls bloße Anpreisungen
gemacht wurden. Es hätte deshalb genauer ausgeführt werden müs-
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sen, in welchem zeitlichen Rahmen die Angeklagten welche Informationen im
einzelnen über ihre Handelsvertreter verbreitet haben.
b) Gleichermaßen halten die Ausführungen zur subjektiven Tatseite
rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar hat das Landgericht rechtsfehlerfrei
angenommen, daß ein Vermögensschaden in Form einer schadensgleichen
Vermögensgefährdung bereits dann eingetreten ist, wenn im Zeitpunkt
der Vermögensverfügung dem Leistenden ein Rückzahlungsanspruch erwächst,
der infolge der Unsicherheit seiner Realisierung wirtschaftlich nicht
gleichwertig ist. Für die Begründung des sich hierauf beziehenden Vorsatzes
sind jedoch gleichfalls eingehende Feststellungen erforderlich. Ohne sie sind
Rückschlüsse auf den Vorsatz nicht möglich (BGHSt 46, 30, 34;
BGH NJW 1979, 1512).
aa) Bei der hier allein in Betracht zu ziehenden Form des bedingten
Vorsatzes muß die Prüfung sowohl das Wissens- als auch das Wollenselement
umfassen.
(1) Das Wissenselement bezieht sich auf diejenigen tatsächlichen
Umstände, welche die Vermögensgefährdung begründen. Dies schließt auch
die Kenntnis des Täters ein, daß die Forderung nach allgemeinen Bewertungsmaßstäben
nicht als gleichwertig angesehen wird, selbst wenn er sie
persönlich anders bewerten mag (BGHSt 47, 148, 157). Hofft oder glaubt der
Täter, den endgültigen Schaden abwenden zu können, beseitigt dies deshalb
nicht ohne weiteres seine Kenntnis von der zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung
bestehenden geringeren Werthaltigkeit der Rückzahlungsforderung
des jeweiligen Einlegers.
(2) Gründet sich der Vermögensschaden im Sinne des § 263
Abs. 1 StGB auf eine Gefährdung des erlangten Rückzahlungsanspruchs
des Anlegers, ist diese Gefährdungslage auch für die Prüfung des Wollenselements
maßgebend. Zu fragen ist nur, ob die bloße Gefährdung des
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Rückzahlungsanspruchs des Anlegers, nicht, ob ihr endgültiger Verlust vom
Willen des Täters umfaßt ist. Je größer und je offensichtlicher sich die Gefährdung
des Rückzahlungsanspruchs für den Täter darstellt, desto mehr
wird grundsätzlich der Schluß naheliegen, daß er diese Gefährdung auch
gebilligt hat.
Allerdings darf der Grad der Wahrscheinlichkeit nicht allein das Kriterium
für die Frage sein, ob die Angeklagten mit dem Erfolg in Gestalt der bloßen
Gefährdung einverstanden waren. Der Bundesgerichtshof hat mehrfach
entschieden, daß ein zwingender Schluß von einem bestimmten Gefährdungspotential
auf ein entsprechendes Wollen des Täters nicht möglich ist.
Gerade bei solchen komplexen und mehrdeutigen Strukturen, wie sie in Wirtschaftsstrafsachen
häufig gegeben sind, kann das Wollenselement nicht
ausschließlich aus der Perspektive der Schadenswahrscheinlichkeit betrachtet
werden. Erforderlich ist vielmehr immer eine Gesamtwürdigung des
Einzelfalls, bei der auch die Motive und die Interessenlage des Täters ebenso
zu berücksichtigen sind wie der konkrete Zuschnitt der zu beurteilenden
Geschäfte (BGHSt 46, 30, 35; vgl. auch BGHSt 47, 148, 157).
bb) Die Ausführungen des Landgerichts zur subjektiven Tatseite genügen
diesen Anforderungen nicht. Die Darlegungen erschöpfen sich im wesentlichen
in der nicht näher belegten Feststellung, die Angeklagten hätten
billigend in Kauf genommen, daß die Anleger im Falle einer wirtschaftlichen
Krise ihr Beteiligungskapital verlieren würden.
Dies wird den Besonderheiten des hier zu beurteilenden Falls nicht
gerecht. Maßstab für die Prüfung eines in Kauf genommenen Gefährdungsschadens
hat zu sein, welches Risiko nach den vertraglichen Vereinbarungen
der Anlage immanent war. Insoweit hängen die Merkmale der Täuschung
und des Vermögensschadens unmittelbar zusammen. Bei keinem
Anlagegeschäft ist ein gewisses Restrisiko auszuschließen; ein bestimmtes
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Risikopotential des Geschäfts kann aber der jeweils konkreten Vertragsgestaltung
immanent sein.
Dies ist auch für die Beurteilung der subjektiven Tatseite zu beachten.
Nur wenn der Täter in Kauf nimmt, daß über das vertraglich vorausgesetzte
Risiko hinaus die Rückzahlung der Einlage des Anlegers gefährdet ist,
kommt subjektiv die Annahme eines auf einen Vermögensschaden im Sinne
des § 263 Abs. 1 StGB bezogenen Vorsatzes in Betracht. Im Falle eines nur
bedingten Vorsatzes müssen sich sowohl das Wissens- als auch das Wollenselement
auf diese Gefahrerhöhung im Hinblick auf die Rückzahlungsfähigkeit
der angelegten Gelder beziehen.
(1) Schon hinsichtlich des Wissenselements des bedingten Vorsatzes
reichen bei der hier gegebenen Fallkonstellation die Feststellungen nicht aus.
Es fehlt an einer Erörterung, wann die Angeklagten aufgrund welcher Hinweise
eine entsprechende Gefährdung der Rückzahlungsansprüche erkannt
haben sollen. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil das Landgericht
selbst die Konzeption der Angeklagten grundsätzlich als wirtschaftlich tragfähig
angesehen hat. Infolgedessen konnten jedenfalls aus der Sicht der Angeklagten
einzukalkulierende Anfangsverluste nicht zwangsläufig sogleich
ein entsprechendes Bewußtsein der Gefährdung der Anleger entstehen lassen.
(2) Im Blick auf die Feststellung des Wollenselements hätte es einer
Gesamtwürdigung bedurft. Diese hätte neben einer Feststellung von Krisenanzeichen
und ihrer exakten zeitlichen Einordnung auch eine Prüfung vorausgesetzt,
inwieweit die Investitionsobjekte für die Angeklagten als gewinnbringend
erscheinen konnten. Ein entsprechender Schädigungsvorsatz kann
nämlich dann zweifelhaft sein, wenn die Angeklagten aufgrund der Marktlage
erwarten konnten, ausscheidende Anleger durch neu gewonnene zu ersetzen
und jedenfalls in absehbarer Zeit mit den Erträgen aus dem investierten
Vermögen die Aufwendungen für das Unternehmen zu decken. In diesem
Zusammenhang muß Berücksichtigung finden, daß die Angeklagten die Ver-
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pflichtungen aus den stillen Beteiligungen bedient haben und die Entnahmen
der Angeklagten jedenfalls in ihrer Größenordnung nicht signifikant waren.
Andererseits kann das Vorliegen schwerwiegender Pflichtverletzungen
nahelegen, die subjektive Tatseite des Vermögensschadens zu bejahen.
Wird gegen Rechtsvorschriften gravierend verstoßen, die gerade dem Schutz
der Anleger dienen und die dem Täter bekannt sind, ist dies regelmäßig ein
gewichtiger Hinweis darauf, daß die Angeklagten mit einer Gefährdung des
Vermögens einverstanden sind (BGHSt 47, 148, 157). Hier kommt nach den
Urteilsfeststellungen insbesondere eine nicht ausreichende Bilanzierung der
Vermögensverhältnisse der FSBG in Betracht. Soweit hierdurch die Transparenz
über die Vermögensverhältnisse erschwert wurde, kann dies einen ganz
wesentlichen Anhalt dafür darstellen, daß zumindest eine Vermögensgefährdung
der Anleger in Kauf genommen worden ist.
Gleiches gilt im übrigen auch im Hinblick auf mögliche Verstöße gegen
das Kreditwesengesetz. Falls solche - vom neuen Tatrichter aufzuklärende -
Verletzungen nicht ausschließlich rein formeller Natur waren, sondern es
auch um Verstöße gegen Regelungen des Anlegerschutzes ging, wird dies
im Rahmen der Beurteilung des Wollenselements Gewicht erlangen müssen.
Aus den Urteilsgründen läßt sich entnehmen, daß es zwischen den Angeklagten
und dem Bundesamt für das Kreditwesen seit Jahren Auseinandersetzungen
gab. Falls diese Beanstandungen auch mangelnde Sicherungen
der eingelegten Gelder betroffen haben sollten, kann hierin ein Hinweis gesehen
werden, daß die Angeklagten, die eine solche Gefährdungslage trotz
Beanstandung unverändert ließen, diese dann möglicherweise auch gebilligt
haben.
c) Das letztgenannte versteht sich indes auch für die hier maßgebliche
Zeit nach dem Abschluß des Strafverfahrens durch das Amtsgericht nicht in
einer Weise von selbst, daß sich der Senat hinsichtlich der nicht eingestellten
Einzeltaten (vgl. zu deren konkurrenzrechtlichem Verhältnis die obigen Ausführungen
unter II 1. b) trotz der aufgezeigten Darstellungsmängel in der La-
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ge sähe, die Revisionen zum Schuldspruch zu verwerfen. Auch die im Urteil
enthaltenen Hinweise zur Insolvenzentwicklung sind zu vage, um hierauf
Schuldsprüche wegen Betrugs stützen zu können.
Der Senat weist darauf hin, daß im vorliegenden Fall - sollten sich die
Betrugsvorwürfe nicht bestätigen - eine Strafbarkeit wegen Kapitalanlagebetrugs
(§ 264a StGB) zu prüfen sein wird. Weiterhin wird der neue Tatrichter
zu bedenken haben, daß in dem Verhalten der Angeklagten auch in den
Fällen 466 bis 544 ein Verstoß gegen das Kreditwesengesetz (§ 54 Abs. 1
Nr. 2) zu sehen sein könnte.
Basdorf Gerhardt Raum
Brause RiBGH Schaal ist
infolge Urlaubs an
der Unterschrift gehindert
Basdorf



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