BGH,
Beschl. v. 26.2.2003 - 2 StR 492/02
2 StR 492/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 26. Februar 2003
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat am 26. Februar 2003
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts
Koblenz vom 23. Juli 2002, soweit es ihn betrifft, mit den
Feststellungen, mit Ausnahme derjenigen zum Alter des Angeklagten,
aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten J. wird das vorbezeichnete Urteil
a) in dem diesen Angeklagten betreffenden Gesamtstrafausspruch
aufgehoben,
b) dahin geändert, daß das eingezogene Bargeld,
nämlich 3.910,00 Euro, 75,00 Euro, 1,5 Millionen
türkische Lira und 150,00 DM für verfallen
erklärt wird.
3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an eine
andere allgemeine Strafkammer des Landgerichts Koblenz
zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei
Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubter
Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unter
Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichtes Neuwied vom
20. August 2001 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und
sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es ihn wegen
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge in zwölf Fällen und wegen unerlaubten
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und einen
Betrag von 50.000,00 Euro für verfallen erklärt.
Den Angeklagten J. hat das Landgericht wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht
Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in drei Fällen verurteilt. Die
Gesamtfreiheitsstrafe beträgt nach der Urteilsformel sieben
Jahre, während sie ausweislich der Urteilsgründe in
Höhe von sechs Jahren tat- und schuldangemessen ist. Das
Landgericht hat außerdem einen Betrag von 15.000,00 Euro
für verfallen erklärt sowie 3.910,00 Euro, 75,00
Euro, 1,5 Millionen türkische Lira und 150,00 DM Bargeld
eingezogen.
Mit ihren Revisionen rügen beide Angeklagte die Verletzung
materiellen Rechts; die Revision des Angeklagten K. erhebt
außerdem eine Verfahrensrüge.
II.
Die Revision des Angeklagten K. hat mit der geltend gemachten
Verletzung des § 338 Nr. 5 StPO Erfolg.
1. Der Beschwerdeführer beanstandet zu Recht einen
Verstoß gegen § 247 StPO bei der Vernehmung des
Zeugen S. ( ).
a) Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde: Am 4. Verhandlungstag,
dem 20. Juni 2002, wurde der Zeuge S. vernommen. Der Zeuge machte
Angaben zur Person und zur Sache und wurde dann
gemäß § 55 StPO belehrt. Danach sagte er
weiter zur Sache aus. Zu den nachfolgenden Verfahrensvorgängen
heißt es im Protokoll: "Nach Erörterung mit den VB
und im allseitigen Einvernehmen erfolgte Kammerbeschluß:
Für die Dauer der Vernehmung des Zeugen S. sollen die
Angeklagten aus dem Gerichtssaal geführt werden. Der
Beschluß wurde ausgeführt." Der Zeuge machte sodann
auf Fragen des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten weitere Angaben
zur Sache. Nach der Vernehmung des Zeugen wurde die Abwesenheit der
Angeklagten aufgehoben und die Angeklagten wurden wieder in den
Gerichtssaal geführt. Sie wurden durch den Vorsitzenden
über den wesentlichen Inhalt der Aussage des Zeugen
während ihrer Abwesenheit unterrichtet und erhielten
Gelegenheit zu Fragen an den Zeugen. Der Angeklagte J. drohte dem
Zeugen, daß es mit dieser seiner Aussage nicht zu Ende sei.
b) Die Rüge ist begründet. Nach der
ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist der
zeitweise Ausschluß des Angeklagten stets durch
förmlichen Gerichtsbeschluß anzuordnen, der zu
begründen und zu verkünden ist (BGHR StPO §
247 Ausschließungsgrund 1; BGHSt 22, 18, 20). Die
Begründung muß zweifelsfrei ergeben, daß
das Gericht von zulässigen Erwägungen ausgegangen ist
(BGH NStZ 1999, 419, 420; Diemer in KK 4. Aufl. § 247 Rdn.
13). Eine nähere Begründung ist auch dann nicht
entbehrlich, wenn sämtliche Beteiligten mit der Anordnung
einverstanden waren. Der Angeklagte kann nicht wirksam auf seine vom
Gesetz vorgeschriebene Anwesenheit verzichten (BGHR StPO § 247
Satz 1 Begründungserfordernis 5; offengelassen in BGHR a.a.O.
Abwesenheit 25; BGHSt 22, 18, 20).
Diesen rechtlichen Anforderungen wird der Beschluß des
Landgerichts nicht gerecht. Den protokollierten
Verfahrensvorgängen läßt sich nicht
entnehmen, ob die Kammer ihrem Beschluß einen der in
§ 247 StPO abschließend aufgezählten
Ausschließungsgründe zugrunde gelegt hat. Der
Beschluß selbst enthält keinerlei
Begründung. Auch aus dem Ablauf der Hauptverhandlung vor der
Entfernung der Angeklagten läßt sich kein
gesetzlicher Grund für den Ausschluß entnehmen. Die
Bedrohung des Zeugen durch den Angeklagten J. erfolgte erst, nachdem
der Zeuge seine Aussage beendet und die Angeklagten wieder in den
Gerichtssaal geführt worden waren.
2. Auch bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes muß
ein Urteil lediglich in dem Umfang aufgehoben werden, in dem dieser
Revisionsgrund sich auswirken konnte (vgl. BGH StraFo 2003, 57). Von
dem Verfahrensfehler sind hier die Feststellungen des Landgerichts zum
Alter des Angeklagten K. nicht betroffen. Der Senat hat deshalb die
entsprechenden Feststellungen aufrecht erhalten und die Sache an eine
allgemeine Strafkammer zurückverwiesen.
3. Vorsorglich weist der Senat auf folgendes hin: Im Fall einer
erneuten Verurteilung wird der neue Tatrichter zu begründen
haben, weshalb es sich bei den in den Fällen 10, 12 und 13 der
Urteilsgründe beschriebenen Käufen von
Betäubungsmitteln im Oktober 2001 nicht um Teilmengen der dem
Angeklagten im Fall 3 der Urteilsgründe zur Last gelegten
Betäubungsmittelmenge handelt, wie dies im angefochtenen
Urteil für den Fall 9 angenommen worden ist.
III.
Die sachlich-rechtliche Nachprüfung des Urteils auf die
Revision des Angeklagten J. führt zur Aufhebung des Ausspruchs
über die Gesamtfreiheitsstrafe und zur Änderung der
Einziehungsanordnung.
1. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe von sieben Jahren kann
nicht bestehen bleiben. Sie wird von den Erwägungen zur
Strafzumessung nicht getragen, die - für sich betrachtet -
rechtsfehlerfrei sind und in den Urteilsgründen zu einer
solchen von sechs Jahren als tat- und schuldangemessen führen.
Es liegt keine Fallgestaltung vor, bei der aus dem Urteil selbst ohne
weiteres deutlich wird, daß der Tatrichter seine
Ausführungen zur Strafzumessung in Wirklichkeit nicht auf die
in den Urteilsgründen, sondern auf die in der Urteilsformel
bezeichnete Strafe bezogen hat und daß diese Strafe trotz der
anderslautenden Urteilsgründe dem Beratungsergebnis entspricht
(vgl. BGHR StPO § 260 Abs. 1 Urteilstenor 1 und 2; BGH
Beschluß vom 25. Juni 1992 - 1 StR 631/91).
2. Die auf § 33 Abs. 2 BtMG gestützte Einziehung des
bei dem Angeklagten J. sichergestellten Bargeldes kann keinen Bestand
haben; sie ist durch eine Verfallsentscheidung nach § 73 Abs.
1 StGB zu ersetzen. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich
der Beschwerdeführer ersichtlich nicht anders hätte
verteidigen können. Ist Geld - wie im vorliegenden Falle - als
Bezahlung für ein bereits durchgeführtes
Rauschgiftgeschäft an den Verkäufer
übergeben worden, ist es als durch die Tat Erworbenes kein
Gegenstand im Sinne von § 33 Abs. 2 BtMG, der
gemäß § 74 Abs. 1 StGB durch die Straftat
hervorgebracht worden wäre (BGHR StGB § 74 Tatmittel
2); eine Einziehung nach § 74 Abs. 1 StGB kommt in solchen
Fällen nur in Betracht, wenn der konkrete Geldbetrag bereits
wieder zur Durchführung weiterer
Betäubungsmittelgeschäfte bestimmt war und diese
Geschäfte ebenfalls Gegenstand der Anklage sind. Diese
Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
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