BGH,
Beschl. v. 26.2.2003 - 5 StR 423/02
5 StR 423/02
StPO § 100a
1. Eine Telefonüberwachung nach § 100a Satz 1 Nr. 2
StPO kann dann nicht auf den Verdacht der Geldwäsche
gestützt werden, wenn eine Verurteilung wegen
Geldwäsche aufgrund der Vorrangklausel des § 261 Abs.
9 Satz 2 StGB nicht zu erwarten und die der Geldwäsche
zugrundeliegende Tat keine Katalogtat im Sinne des § 100a StPO
ist.
2. Ein entsprechender Verstoß ist grundsätzlich dann
heilbar und führt nicht zu einem Verwertungsverbot
für die aus der Telefonüberwachung gewonnenen
Erkenntnisse, wenn die zum Zeitpunkt des ermittlungsrichterlichen
Beschlusses bestehende Beweislage den Verdacht einer anderen Katalogtat
des § 100a StPO - insbesondere eines Vergehens der
Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nach § 129
StGB - gerechtfertigt hätte.
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 26. Februar 2003
in der Strafsache gegen
1.
2.
3.
wegen schweren Raubes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat am 26. Februar 2003
beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin
vom 26. März 2002 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten B wegen gewerbs- und
bandenmäßigen Schmuggels in 14 Fällen sowie
wegen schweren Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren, den
Angeklagten C wegen schweren Raubes in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung zu einer
Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten sowie den Angeklagten
L wegen banden- und gewerbsmäßigen Schmuggels in
vier Fällen - unter Einbeziehung einer weiteren
Freiheitsstrafe - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren
verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten, die jeweils sowohl
Verfahrens- als auch Sachrügen erheben, sind aus den
Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der ergänzenden Erörterung bedarf lediglich eine
Rüge, mit der die Angeklagten B und C die Verwertung von
Erkenntnissen aus
Telefonüberwachungen beanstanden.
I.
Diesen Verfahrensrügen liegt folgendes Geschehen zugrunde:
1. Nach dem Vorwurf der Anklage gehörten die Angeklagten zu
einer polnischen Tätergruppe, die im großen Umfang
Zigaretten aus osteuropäischen Staaten nach Deutschland
schmuggelte. Diese polnische Tätergruppe lieferte die
Zigaretten an eine von Vietnamesen beherrschte Organisation, die den
Vertrieb der Zigaretten innerhalb Deutschlands übernahm. Die
vom Angeklagten B maßgeblich geleitete polnische Gruppierung
verkaufte in dem Zeitraum zwischen August und Dezember 2000 in 14
Fällen Zigaretten und verkürzte dadurch jeweils
Eingangsabgaben in Höhe von zwischen 100.000 DM und 450.000
DM. Zusammen mit dem Mitangeklagten
C und weiteren unbekannt gebliebenen Dritten überfiel der
Angeklagte B im Dezember 2000 den vietnamesischen
Zwischenhändler D und raubte diesem einen Koffer mit
für den Aufkauf von Zigaretten bereitgehaltenem Kaufgeld in
Höhe von 290.000 DM.
2. Von sämtlichen Tatvorwürfen hat sich die
Strafkammer - allerdings unter Verwendung weiterer Beweismittel - durch
die Verwertung von Erkenntnissen aus Telefonüberwachungen
überzeugt. Eine Telefonüberwachung war
zunächst Anfang August 2000 für die
Anschlüsse der vietnamesischen Abnehmerseite vom Amtsgericht
Tiergarten in Berlin angeordnet worden, ab Oktober 2000 wurden auch
mehrere Telefonanschlüsse von Personen überwacht, die
im Zusammenhang mit der polnischen Gruppierung standen. Die gegen die
polnischen Telefonanschlußinhaber ergangenen
Beschlüsse nach § 100a StPO waren sämtlich
darauf gestützt, daß der Verdacht der
Geldwäsche bestehe.
II.
Die gegen die Verwertung der Ergebnisse aus der
Telefonüberwachung gerichteten Verfahrensrügen
bleiben ohne Erfolg.
1. Die Rügen sind unzulässig, weil sie nicht
zureichend ausgeführt sind im Sinne des § 344 Abs. 2
Satz 2 StPO. Die Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung
beruhen nämlich zu Teilen auf
Abhörmaßnahmen, die gegen die vietnamesischen
Abnehmer gerichtet waren. Die Verfahrensrügen beanstanden
pauschal die Verwertung der Ergebnisse der Telefonüberwachung.
In den Fällen 1 bis 5 beruhte der Tatnachweis allein auf der
Überwachung der Anschlüsse des vietnamesischen
Abnehmerkreises, wobei die Erkenntnisse hieraus zugleich aber auch zu
den Telefonüberwachungen bei den polnischen Lieferanten um den
Angeklagten B führten. Die ermittlungsrichterlichen
Beschlüsse über die Anordnung der
Telefonüberwachung gegen die vietnamesischen Abnehmer werden
von den Revisionen nicht mitgeteilt.
Dieser Vortragsmangel berührt nicht nur diejenigen Taten, bei
denen sich der Tatnachweis allein auf die gegen die vietnamesischen
Abnehmer gerichtete Telefonüberwachung gestützt hat.
Da nach den Feststellungen des landgerichtlichen Urteils durch die
Telefonüberwachung gegen diesen Abnehmerkreis auch die
Verbindung zur Tätergruppe um die Angeklagten aufgezeigt
wurde, bestand ein untrennbarer Zusammenhang zwischen beiden
Telefonüberwachungsmaßnahmen. Die zeitlich
vorgelagerte Telefonüberwachung gegen die vietnamesische
Tätergruppe war zudem nach dem Gang der Ermittlungen
Voraussetzung für die zeitlich nachfolgende
Telefonüberwachung gegen die Personen aus dem Umfeld der
Angeklagten. Wegen dieser Zusammenhänge hätte die
Verteidigung im Rahmen dieser Rüge auch jedenfalls die
ermittlungsrichterlichen Beschlüsse über die
Anordnung der Telefonüberwachung gegen die vietnamesischen
Abnehmer mitteilen müssen.
Der Senat kann in diesem Zusammenhang dahinstehen lassen, ob der
Auffassung des 3. Strafsenats zu folgen ist, wonach diejenigen
Verfahrenstatsachen nicht mitgeteilt werden müssen, die
für die Beurteilung der Verwertbarkeit der
Überwachungsergebnisse maßgebend sind (BGH, Beschl.
vom 1. August 2002 - 3 StR 122/02, zur Veröffentlichung in
BGHSt bestimmt, NJW 2003, 368, 370). Dies erscheint jedenfalls
für die staatsanwaltliche Antragsschrift zweifelhaft, die
regelmäßig eine geraffte Darstellung der
tatsächlichen Grundlagen der die Maßnahme nach
§ 100a StPO rechtfertigenden Verdachtsmomente enthalten
muß. Aufgrund der dort enthaltenen Begründung der
Anordnungsvoraussetzungen bilden die staatsanwaltlichen
Antragsschriften eine wesentliche Beurteilungsgrundlage für
die Überprüfung der Rechtmäßigkeit
der Telefonüberwachungen; sie dürften deshalb
grundsätzlich ebenfalls nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO
mitzuteilen sein. Jedenfalls erfaßt das Vortragserfordernis
nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO sämtliche
ermittlungsrichterlichen Beschlüsse, die
Telefonüberwachungsmaßnahmen anordnen, auf deren
Ergebnis sich das Urteil unmittelbar stützt, aber auch
diejenigen, die Grundlage für weitere
Telefonüberwachungsmaßnahmen gewesen sind, die
wiederum in die Beweisführung des Landgerichts eingeflossen
sind. Eine Mitteilung zumindest auch dieser ermittlungsrichterlichen
Beschlüsse wäre hier notwendig gewesen, weil ohne sie
der Verfahrensverstoß nicht erschöpfend
geprüft werden kann. Insoweit unterscheidet sich die hier
gegebene Verfahrensgestaltung auch von der Konstellation, die der
genannten Entscheidung des 3. Strafsenats zugrundelag. Dort waren
jedenfalls in den Revisionsbegründungen die
maßgebenden Beschlüsse vollständig
mitgeteilt worden (BGH aaO, NJW 2003, 368, 369).
2. Die Verfahrensrügen wären - jedenfalls soweit sie
isoliert nur die Verwertung der gegen die polnischen Lieferanten
angeordneten Telefonüberwachungen betreffen - im Ergebnis auch
unbegründet.
a) Allerdings lagen nach Maßgabe der ermittlungsrichterlichen
Beschlüsse die Voraussetzungen für eine Anordnung der
Telefonüberwachung nach § 100a StPO nicht vor; denn
eine Telefonüberwachung nach § 100a Satz 1 Nr. 2 StPO
kann dann nicht auf den Verdacht der Geldwäsche
gestützt werden, wenn eine Verurteilung wegen
Geldwäsche aufgrund der Vorrangklausel des § 261 Abs.
9 Satz 2 StGB nicht zu erwarten und die der Geldwäsche
zugrundeliegende Tat keine Katalogtat im Sinne des § 100a StPO
ist.
aa) Mit Recht weisen die Revisionen darauf hin, daß ein
Wertungswiderspruch bestünde, sofern der Verdacht der
Geldwäsche nach § 261 StGB auch dann eine
Telefonüberwachung rechtfertigte, wenn die der
Geldwäsche zugrundeliegende Vortat nicht so schwerwiegend ist,
daß deren Verdacht seinerseits eine
Telefonüberwachung erlaubte. Da der Tatbestand der
Geldwäsche so weit gefaßt ist, daß eine
Vielzahl nach anderen Strafgesetzen pönalisierter Handlungen
zugleich den Geldwäschetatbestand erfüllte, liefe das
im Ergebnis darauf hinaus, daß wegen des Verdachts nahezu
einer jeden Katalogtat des § 261 Abs. 1 StGB die
Telefonüberwachung angeordnet werden könnte. Damit
würde der vom Gesetzgeber mit Rücksicht auf die
Bedeutung des Schutzes des Fernmeldegeheimnisses durch den
gegenüber § 261 Abs. 1 StGB augenfällig
engeren Katalog des § 100a StPO zum Ausdruck gebrachte Wille,
nur für bestimmte, besonders schwerwiegende Straftaten
überhaupt die Telefonüberwachung zuzulassen, in einer
unabsehbaren Anzahl von Fällen unterlaufen.
Die hier zur Entscheidung stehende Konstellation verdeutlicht diese
Problematik. Nach dem Ermittlungsstand waren die Angeklagten B
und L verdächtig, banden- und gewerbsmäßig
Zigaretten nach
Deutschland zu schmuggeln. Nach der damals gegebenen Rechtslage bestand
gegen die Angeklagten damit der Verdacht des gewerbs- und
bandenmäßigen Schmuggels nach § 373 AO.
Diese Strafbestimmung ist keine Katalogtat nach § 100a StPO.
Dagegen ist der Schmuggel Katalogtat nach § 261 Abs. 1 Nr. 3
StGB im Rahmen des Geldwäschetatbestandes. Da mit dem
Schmuggel regelmäßig eine
Geldwäschehandlung verbunden sein wird, weil die Schmuggler
Schmuggelgüter und -erlöse grundsätzlich
verbergen werden, um deren Sicherstellung zu vereiteln, ginge der
Verdacht einer Beteiligung am Schmuggel an sich mit dem Verdacht der
Beteiligung an einer tatbestandlichen Geldwäschehandlung
einher. Dies könnte zwar die Telefonüberwachung
rechtfertigen, eine Bestrafung nach dem Geldwäschetatbestand
wäre aber - schon bei Anordnung klar absehbar - nach der
Subsidiaritätsklausel des § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB
ausgeschlossen. Eine nahezu identische Problemlage würde im
übrigen bestehen, wenn der Verdacht eines
gewerbsmäßigen Betruges (§ 263 Abs. 3 Satz
2 Nr. 1 StGB), eines gewerbsmäßigen Diebstahls
(§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB) oder der Bestechlichkeit
(§ 332 Abs. 1 und Abs. 3 StGB) bestünde. Ohne
daß diese Aufzählung abschließend ist,
wäre allen diesen Sachverhaltskonstellationen gemeinsam,
daß zwar für den Verdacht der Vortat der
Geldwäsche eine Telefonüberwachung nicht in Betracht
käme, weil die entsprechenden Delikte keine Katalogtaten im
Sinne des § 100a StPO sind. Da jedoch
regelmäßig
- schon wegen der Verschleierung der Tatbeute - gleichzeitig eine
Geldwäsche gegeben wäre, könnte
über diesen Umweg eine Telefonüberwachung wegen des
Verdachts der Geldwäsche angeordnet werden, obwohl - wie bei
Anordnung bereits absehbar - im Ergebnis später wegen der
Subsidiaritätsregelung nach § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB
eine Verurteilung wegen Geldwäsche ausschiede.
bb) Dieses Spannungsverhältnis kann nicht dadurch
gelöst werden, daß allein auf die formelle
Tatbestandserfüllung des § 261 StGB abgestellt wird
(vgl. Meyer-Abich NStZ 2001, 465 f.). Diesen Weg ist das Landgericht in
seiner angefochtenen Entscheidung gegangen. Es hat die Problematik
gesehen und die Verwertung dennoch für zulässig
erachtet, weil der Verdacht der Geldwäsche auch dann bestehe,
wenn ein persönlicher Strafausschließungsgrund
(hier: § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB) die Strafbarkeit hindere.
Zwar reicht für eine Anordnung nach § 100a StPO
grundsätzlich allein der Verdacht hinsichtlich des
tatbestandlichen Vorliegens einer Katalogtat
aus; auf mögliche Rechtfertigungs- oder
Schuldausschließungsgründe soll es mithin nicht
ankommen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 100a
Rdn. 6 m. w. N.). Es kann dahinstehen, inwieweit dieser Ansatz auf
sonstige persönliche
Strafausschließungsgründe übertragen werden
kann. Auf den persönlichen Strafausschließungsgrund
nach § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB ist er jedenfalls nach dessen
Sinn und Zweck nicht übertragbar. Wie der Bundesgerichtshof in
seinem Urteil vom 20. September 2000 - 5 StR 252/00 - bereits
ausgeführt hat, dient die Regelung des § 261 Abs. 9
Satz 2 StGB in ihrer Fassung durch das Gesetz zur Verbesserung der
Bekämpfung der Organisierten Kriminalität vom 4. Mai
1998 (BGBl I 845) der Schließung von
Strafbarkeitslücken für die Fälle, in denen
eine Ahndung wegen der Vortat aus tatsächlichen
Gründen nicht erfolgen konnte. Durch die damalige Neufassung
sollte sichergestellt werden, daß bei unklarer
Täterschaft - im Wege der Postpendenzfeststellung - jedenfalls
wegen Geldwäsche verurteilt werden kann, wenn zumindest deren
Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen (BGH aaO, BGHR StGB § 261
Abs. 9 Satz 2 Vortat 1). Eine Doppelbestrafung wegen der Vortat und der
Geldwäschehandlung war - so ausdrücklich die
Gesetzesbegründung (BTDrucks. 13/8651, S. 11) - nicht gewollt
(vgl. hierzu auch Harms/Jäger NStZ 2001, 236, 238). Insoweit
bildet die Regelung des § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB, die zwar als
persönlicher Strafausschließungsgrund
gefaßt ist, in der Sache eine Konkurrenzregel, die eine
Strafbarkeit wegen Geldwäsche immer dann
ausschließt, wenn der Täter bereits wegen der
Beteiligung an der Vortat strafbar ist (BGH aaO).
cc) Der Vorrang der zugrundeliegenden Katalogtat nach § 261
Abs. 1 StGB muß auch bei der Bestimmung der sich
anknüpfenden Rechtsfolgen Beachtung finden. Hinsichtlich der
Strafzumessung hat der Bundesgerichtshof zum Verhältnis
zwischen Katalogtat und nach § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB
verdrängter Geldwäsche ausgeführt,
daß insoweit eine wertende Betrachtung erforderlich ist.
Danach muß bei der Strafzumessung der Strafrahmen der
zugrundeliegenden Katalogtat die Obergrenze bilden
(BGH aaO, insoweit abgedruckt in BGHR StGB § 261
Strafzumessung 3). Dieses Ergebnis hat der Bundesgerichtshof aus der
Rechtsähnlichkeit der Geldwäsche zur
Begünstigung entwickelt. Deshalb kann auch der Rechtsgedanke
des § 257 Abs. 2 StGB herangezogen werden, wonach die Strafe
für die Begünstigung nicht schwerer sein darf als die
für die Vortat angedrohte Strafe (vgl. dazu BGHR StGB
§ 257 Abs. 2 Verjährung 1).
Derselbe Grundgedanke ist auch auf verfahrensrechtliche
Eingriffsbefugnisse zu übertragen. Auch diese können
für den Auffangtatbestand grundsätzlich nicht
weitergehen als für die Haupttat selbst. Wenn der Gesetzgeber
den gewerbsmäßigen Schmuggel nicht für
schwerwiegend genug erachtet, um hierfür die
Telefonüberwachung zuzulassen, muß diese Wertung bei
einer zugleich vorliegenden Geldwäsche gleichermaßen
durchschlagen, insbesondere weil dem Schmuggel eine
Geldwäschehandlung tatbestandlich immanent ist (vgl. HansOLG
Hamburg StV 2002, 590). Ein sachlicher Grund, der für den (an
sich zurücktretenden) Geldwäschetatbestand eine
unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnte, ist nicht
ersichtlich.
Im Ergebnis kann deshalb der Verdacht einer tatbestandlichen Handlung
nach der Strafvorschrift der Geldwäsche eine
Telefonüberwachung nur rechtfertigen, soweit die
zugrundeliegende Vortat der Geldwäsche selbst eine Katalogtat
nach § 100a StPO ist oder dies zumindest nicht
auszuschließen ist. Jedenfalls aber in Fallkonstellationen
wie der vorliegenden, in
denen sich im Zeitpunkt der Entscheidung über die Anordnung
der Telefonüberwachung bereits absehen
läßt, daß eine Strafbarkeit wegen
Geldwäsche aufgrund der Vorrangregelung des § 261
Abs. 9 Satz 2 StGB nicht in Betracht kommen wird, kann die Anordnung
nicht mehr auf den Geldwäschetatbestand gestützt
werden, falls die zugrundeliegende Haupttat eine
Telefonüberwachung nicht zuläßt (so auch
HansOLG Hamburg aaO; Meyer-Abich aaO).
dd) Diese einschränkende Auslegung des § 100a StPO
ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.
Die Telefonüberwachung greift in den Kernbereich des
Grundrechts nach Art. 10 GG ein. Schon diese Grundrechtsrelevanz
erfordert eine an den Grundsätzen der Rechtsklarheit und
Verhältnismäßigkeit orientierte Bestimmung
der Eingriffstatbestände. Die Befugnis der
Strafverfolgungsbehörden zur Überwachung und
Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs ist in §§ 100a,
100b StPO nach Voraussetzung, Umfang und Zuständigkeit
abschließend geregelt (Nack in KK 4. Aufl. § 100a
Rdn. 1 m. w. N.). Dies schließt eine erweiternde Auslegung
dieser Bestimmung aus (BGHSt 26, 298, 303; 31, 296, 298). Wegen der
Bedeutung des Grundrechts ist die Fernmeldeüberwachung nur bei
bestimmten Katalogtaten und einer erhöhten Verdachtslage
zulässig, wenn kein weniger belastendes
Aufklärungsmittel zur Verfügung steht (vgl. W.
Schmidt in Mitarbeiter-Kommentar zum Grundgesetz, 2002, Art. 10 Rdn.
107 m. w. N.).
Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben verlangen eine restriktive
Auslegung des Eingriffstatbestandes für die Zulassung einer
Telefonüberwachung bei dem Verdacht der Geldwäsche.
Ein Anknüpfen allein an den Geldwäschetatbestand als
Eingriffsnorm für die Telefonüberwachung
würde - wie ausgeführt - im Ergebnis dazu
führen, daß jeder Verdacht der Beteiligung an einer
Katalogtat der Geldwäsche praktisch die
Telefonüberwachung ermöglichen könnte,
obwohl aufgrund der gesetzgeberischen Wertung, wie sie in §
100a StPO ihren Ausdruck gefunden hat, eigentlich der
verdachtbegründende Vorwurf nicht als genügend
schwerwiegend eingestuft wurde. Der ohnedies nach § 261 Abs. 9
Satz 2 StGB zurücktretende Geldwäschetatbestand ist -
seiner Zweckbestimmung als Auffangtatbestand entsprechend -
tatbestandlich so weit gefaßt, daß hierunter nahezu
jede einem Vermögensdelikt nachgelagerte Handlung subsumiert
werden kann. Die hier notwendige restriktive Auslegung, die bei einem
derart erheblichen Grundrechtseingriff geboten ist, muß
deshalb zu dem Ergebnis führen, daß die
Geldwäsche eine Telefonüberwachung jedenfalls dann
nicht mehr legitimieren darf, wenn eine Verurteilung wegen
Geldwäsche nach § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB nicht mehr
ernsthaft in Betracht kommt. Die in § 100a StPO zum Ausdruck
kommende
Verhältnismäßigkeitsabwägung durch
den Gesetzgeber wird in der Rechtsanwendung nur gewahrt, indem bei dem
Verdacht der Geldwäsche letztlich auch auf die
zugrundeliegende Tat abgestellt wird. Diese Strafvorschrift gibt der
Tat ihr eigentliches Gepräge und muß deshalb auch
den Anknüpfungspunkt dafür bilden, ob eine
Telefonüberwachungsmaßnahme nach der in §
100a StPO zum Ausdruck kommenden Wertentscheidung des Gesetzgebers
angeordnet werden darf.
b) Die Rechtswidrigkeit der Anordnung der Telefonüberwachung
führt regelmäßig zu einem
Verwertungsverbot, wenn die Voraussetzungen nach § 100a StPO
bei ihrem Erlaß nicht vorlagen (BGHSt 31, 304, 308; 32, 68,
70). Dies gilt jedenfalls in den Fällen, in denen der Verdacht
einer Katalogtat von vornherein nicht bestanden hat (BGHSt 41, 30, 31).
Ob der Verdacht einer Katalogtat gegeben war, ist allerdings im
Revisionsverfahren nur begrenzt überprüfbar, weil dem
darüber zur Entscheidung berufenen Ermittlungsrichter insoweit
ein Beurteilungsspielraum zusteht. Entscheidend ist deshalb,
daß die Anordnung - rückbezogen auf den Zeitpunkt
ihres Erlasses - wenigstens noch als vertretbar erscheint (BGHSt 41,
30; BGH, Beschl. vom 1. August 2002 - 3 StR 122/02, zur
Veröffentlichung in BGHSt bestimmt, NJW 2003, 368, 369).
Bei der hier gegebenen Fallgestaltung kann zwar schon aufgrund der in
den Urteilsgründen mitgeteilten Erkenntnisse aus der
Telefonüberwachung gegen den vietnamesischen Abnehmerkreis ein
zureichender tatsächlicher Tatverdacht nicht zweifelhaft sein.
Unzutreffend war allerdings die rechtliche Bewertung der Verdachtslage.
Insoweit ist der Ermittlungsrichter nämlich rechtsfehlerhaft
davon ausgegangen, daß das verdachtbegründende
Verhalten als Geldwäsche strafbar sei und mithin die
Telefonüberwachung nach § 100a Satz 1 Nr. 2 StPO
angeordnet werden könne. Dieser juristische Bewertungsfehler,
der zur Rechtswidrigkeit der Anordnungen über die
Telefonüberwachung führt, wäre generell
geeignet, ein Verwertungsverbot für die aus der
Telefonüberwachung gewonnenen Erkenntnisse nach sich zu ziehen.
Dies würde im übrigen auch für die Raubtat
gelten (Fall 15), für deren Nachweis das Landgericht
gleichfalls Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung
herangezogen hat. Die Erkenntnisse hierüber waren
Zufallsfunde, weil die Telefonüberwachung hinsichtlich anderer
Taten angeordnet war. Nach § 100b Abs. 5 StPO wäre
ein solcher Zufallsfund zwar grundsätzlich verwertbar, weil
sich die Erkenntnis auf eine Straftat bezog, die ihrerseits wiederum
Katalogtat nach § 100a Satz 1 Nr. 2 StPO in Verbindung mit
§§ 249, 250 StGB war (vgl. BGHR StPO § 100a
Verwertungsverbot 10). Für die Verwertung solcher Zufallsfunde
ist jedoch gleichfalls Voraussetzung, daß jedenfalls die
ursprüngliche Telefonüberwachungsmaßnahme
rechtmäßig angeordnet wurde (vgl. BGHR StPO
§ 100a Verwertungsverbot 5, 8, 10).
Die fehlerhafte Anordnung der ursprünglichen
Telefonüberwachung würde deshalb hier dazu
führen, daß sämtliche auf dieser
rechtswidrigen Grundlage gewonnen Erkenntnisse nicht verwertet werden
dürften.
c) Der rechtliche Bewertungsfehler des Ermittlungsrichters
wäre hier jedoch dann heilbar, wenn aufgrund der damaligen
Beweislage der Verdacht auf Mitgliedschaft in einer kriminellen
Vereinigung nach § 129 StGB (Katalogtat
gemäß § 100a Satz 1 Nr. 1 lit. c StPO)
bestand.
aa) Eine Verwertung der Ergebnisse der Telefonüberwachung ist
nämlich auch dann möglich, wenn die Anordnung der
Telefonüberwachung nach § 100a StPO auf eine andere
Katalogtat hätte gestützt werden können.
Dabei ist auf der Grundlage der Verdachtssituation zum Zeitpunkt des
Erlasses der Anordnungen über die
Telefonüberwachungsmaßnahmen zu entscheiden, weil
spätere Erkenntnisse eine ursprünglich rechtswidrige
Anordnung nicht mehr im Nachhinein zu legitimieren vermögen
(vgl. BGH, Beschl. vom 1. August 2002 - 3 StR 122/02, zur
Veröffentlichung in BGHSt bestimmt, NJW 2003, 368, 370; BGHR
StPO § 100a Verwertungsverbot 10). Deshalb kommt eine
entsprechende Auswechslung der rechtlichen Begründung
für die Anordnung einer Telefonüberwachung nur in
Betracht, soweit derselbe Lebenssachverhalt betroffen ist, auf den sich
der Verdacht bezieht, und die Änderung der rechtlichen
Grundlage für die Telefonüberwachung der damals
bestehenden Ermittlungssituation nicht ein völlig anderes
Gepräge geben würde (BGHR StPO § 100a
Verwertungsverbot 10). Dabei kann allerdings eine entsprechende
Neubestimmung der rechtlichen Grundlagen für die Anordnung der
Telefonüberwachung ausnahmsweise sogar noch im
Revisionsverfahren vorgenommen werden, wenn die hierfür
notwendige Tatsachengrundlage sich für das Revisionsgericht
aufgrund der Urteilsgründe oder des im Zusammenhang mit der
Verfahrensrüge mitgeteilten Sachverhalts in der
maßgeblichen rückschauenden Betrachtungsweise
zweifelsfrei ergibt.
bb) Diese Voraussetzungen sind hier, soweit eine Sachprüfung
im Rahmen des insgesamt nicht vollständigen Revisionsvortrags
möglich ist, gegeben. Der Senat kann sicher feststellen,
daß zum Zeitpunkt des Erlasses der Anordnungen über
Telefonüberwachungen gegen die polnische Lieferantengruppe ein
zureichender Verdachtsgrad für das Vorliegen einer kriminellen
Vereinigung gemäß § 129 StGB bestanden hat,
der nach § 100a Satz 1 Nr. 1 lit. c StPO die Anordnung der
Telefonüberwachung gleichfalls gerechtfertigt hätte.
Dies ergibt sich schon aus den Feststellungen des Landgerichts zu den
Ergebnissen über die Telefonüberwachungen gegen die
vietnamesischen Abnehmer. Diese Erkenntnisse haben bei dem Angeklagten
B hinsichtlich der früheren Taten (Fälle 1 bis 5) zur
Überführung beigetragen. Die gegen die
vietnamesischen Abnehmer gerichteten Telefonüberwachungen
erfolgten vor der Anordnung der Telefonüberwachung gegen die
polnische Lieferantengruppe. Ersichtlich begründeten erst die
Erkenntnisse aus den gegen die Vietnamesen geführten
Telefonüberwachungen den notwendigen Verdacht gegen die
polnische Tätergruppe um den Angeklagten. Damit steht aber
auch eindeutig fest, daß die in den Urteilsgründen
auszugsweise mitgeteilten Erkenntnisse aus den
Telefonüberwachungen gegen die vietnamesischen Abnehmer
gleichzeitig die Verdachtsgrundlage gebildet haben, die dann zu den
richterlichen Anordnungen auch gegen die polnischen Lieferanten
geführt haben.
Für den damals begründeten zureichenden Verdacht,
daß eine kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129
StGB gehandelt hat, ist jedenfalls belegt, daß mindestens
vier Personen in die Liefervorgänge eingebunden waren; auch
der Verdacht auf einen von der Rechtsprechung geforderten auf Dauer
angelegten organisatorischen Zusammenschluß (vgl. BGHR StGB
§ 129 Gruppenwille 3) liegt jedenfalls bei der hier schon im
Zeitpunkt der Anordnungen sich abzeichnenden Größe
und Arbeitsteiligkeit der polnischen Lieferantengruppe vor. Diese hatte
ein- oder sogar mehrmals wöchentlich Lkw mit unversteuerten
Zigaretten nach Deutschland dirigiert, wobei jeweils mindestens 100.000
DM an Einfuhrabgaben hinterzogen wurden. Jedenfalls angesichts der
Größenordnung der anders nicht zu bewerkstelligenden
Schmuggeltätigkeit rechtfertigte sich hier der Verdacht, es
habe ein in
sich einheitlicher Verband gehandelt, dessen Gruppenwille (vgl. dazu
BGHR StGB § 129 Gruppenwille 1) darauf gerichtet war,
Zigaretten in erheblichem Ausmaß nach Deutschland zu
schmuggeln. Daß angesichts des in kurzen Intervallen jeweils
bewirkten Steuerschadens auch eine erhebliche Gefahr von der polnischen
Lieferantengruppe ausging (vgl. BGHSt 41, 47), war aufgrund der damals
bekannten Telefonüberwachungsmaßnahmen gegen die
vietnamesischen Abnehmer offensichtlich.
cc) War die Anordnung der Telefonüberwachung gegen die
vietnamesische Tätergruppe ihrerseits auf den für
§ 100a StPO hier nicht ausreichenden Verdacht der
Geldwäsche gestützt, liegt gleichfalls nicht fern,
daß auch insoweit bereits zweifelsfrei ein damit
einhergehender Verdacht nach § 129 StGB bestand. Dies
wäre von Bedeutung unmittelbar für die Verwertung der
Erkenntnisse aus jenen Telefonüberwachungen zu den
Fällen 1 bis 5, aber auch für die Frage, ob der aus
den Telefonüberwachungserkenntnissen gewonnene Verdacht nach
§ 129 StGB gegen die polnischen Lieferanten (oben bb)
seinerseits auf einer rechtmäßigen Grundlage
beruhte. Insoweit hindert der nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO
unvollständige Sachvortrag der Revisionen (oben 1) eine
abschließende Sachprüfung durch den Senat.
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Harms ist durch Urlaub
gehindert zu unterschreiben.
Häger Basdorf Gerhardt Raum |