BGH,
Beschl. v. 26.7.2005 - 3 StR 36/05
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 36/05
vom
26.07.2005
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 26.07.2005
gemäß
§ 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Düsseldorf vom 8. März 2004 wird
a) das Verfahren in den Fällen IV. 3. und 4. der
Urteilsgründe
eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des
Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten
der Staatskasse zur Last,
b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert,
dass der Angeklagte wegen Untreue in 497 tateinheitlich
verwirklichten Fällen zu einer Freiheitsstrafe von
fünf Jahren
und zehn Monaten verurteilt ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines
Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 497
Fällen und
wegen Betrugs in 2 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
fünf Jahren und
zehn Monaten verurteilt. Die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten, der
bereits im Ermittlungsverfahren im Beisein seines Verteidigers ein
richterliches
Geständnis abgelegt, dieses aber später "widerrufen"
hat, dauerte dreieinhalb
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Jahre und beanspruchte 194 Verhandlungstage, wobei durch den Angeklagten
insgesamt etwa 1200 durchnummerierte Verfahrensanträge (z. B.
"Befangenheitsantrag
Nr. 1081") gestellt worden waren. Die Revision des Angeklagten
führt zu einer Teileinstellung wegen der zwei Fälle
des Betrugs und zur konkurrenzrechtlichen
Zusammenfassung der Fälle der Untreue zu einer Tat. Die
verhängte
Gesamtfreiheitsstrafe hat als Einzelfreiheitsstrafe Bestand.
I. Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht
zulässig erhoben,
denn die Revisionsbegründung entspricht insoweit nicht den
Formerfordernissen
des § 345 Abs. 2 StPO.
1. Soweit in der Revisionsbegründungsschrift vom 20. Oktober
2004
Verfahrensrügen ausgeführt werden, fehlt es an einer
von einem Rechtsanwalt
unterzeichneten Schrift im Sinne des § 345 Abs. 2 StPO. Danach
muss die Revisionsbegründung,
wenn sie nicht zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben
wird, durch eine vom Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichnete
Schrift erfolgen. Diese Schrift hat dieser grundsätzlich
selbst zu verfassen, zumindest
an ihr gestaltend mitzuwirken. Dabei darf kein Zweifel daran bestehen,
dass der Rechtsanwalt die volle Verantwortung für den Inhalt
der Schrift übernommen
hat (BGH NStZ 2000, 211; BVerfG 64, 135, 152; Meyer-Goßner,
StPO
48. Aufl. § 345 Rdn.15 f. m. w. N.). An diesen Voraussetzungen
fehlt es für den
Teil der Revisionsbegründung, der die Verfahrensrügen
enthält.
a) Dieser Teil stammt ersichtlich vom Angeklagten persönlich;
sein Verteidiger
hat hieran auch nicht gestaltend mitgewirkt. Dies ergibt sich aus dem
äußeren Bild und dem Inhalt der
Revisionsbegründungsschrift. Diese umfasst
353 Blatt ohne Anlagen. Sie ist in vier Teillieferungen jeweils am 20.
Oktober
2004 beim Gericht eingegangen. Die Teile enthielten jeweils ein von
Rechts-
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anwalt M. unterzeichnetes Vorblatt und den Hinweis, dass anliegend Teil
1
usw. von 5 Teilen überreicht werde. Von den
beigefügten Begründungsteilen
trägt lediglich Teil 4 seine Unterschrift. Die
Vorblätter, die ersten beiden Blätter
der Begründungsschrift mit der Formulierung der
Anträge und die mit einer Paginierung
von 1 bis 7 (in der Kopfzeile) versehenen
Begründungsausführungen
am Ende der gesamten Begründungsschrift weisen ein
andersartiges einheitliches
Schriftbild auf und sind teilweise auf Kopfbögen der Kanzlei
gefertigt. Dagegen
haben die übrigen Teile der Revisionsbegründung ein
deutlich anderes
Schriftbild mit anderen Schrifttypen, anderer Gliederung und
Paginierung (auf
der Fußzeile, nach Blatt 2 des Schriftsatzes Beginn wieder
mit "1"). Dieser Teil
endet mit Blatt 217, bevor danach wieder mit Seite 1 bis 7 die
ersichtlich von
Rechtsanwalt M. selbst stammende Begründung beginnt. Dass
dieser den
vorhergehenden Teil nicht verfasst hat, ergibt sich auch daraus, dass
er zunächst
für die formellen Rügen auf den vorhergehenden Teil
verweist. Dies
wäre unnötig, wenn er selbst diesen Teil gefertigt
hätte.
Der Angeklagte war zur Fertigung des vorhergehenden Teils, der eine
juristische Diktion aufweist, in der Lage, da er eine juristische
Ausbildung und
einen in Liberia erworbenen, in der Bundesrepublik jedoch nicht
anerkannten
Doktortitel hat. Die Weitschweifigkeit der schriftlichen
Ausführungen, die u. a.
bis auf Platon und Aristoteles zurückgreifen und seitenweise
wörtliche Auszüge
aus Aufsätzen und anderen Abhandlungen enthalten, ohne
erkennbaren Bezug
zu Fragen aufzuweisen, die im Rahmen einer Revisionsbegründung
sinnvoll
angesprochen werden müssen (vgl. u. a. etwa Bl. 181 bis 183
der Revisionsbegründung
des Angeklagten), korrespondiert mit der ihm vom
Sachverständigen
attestierten Logorrhöe. Darauf, dass Rechtsanwalt M. an diesem
Teil
nicht gestaltend mitgewirkt hat, deutet neben der oben
angeführten ungewöhnlichen
Verweisung auch der Umstand hin, dass die beiden
Verfahrensrügen
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Verweisung auch der Umstand hin, dass die beiden
Verfahrensrügen vom Angeklagten
zwar außerordentlich breit ausgeführt worden sind,
aber die nach
§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO für die
Zulässigkeit erforderlichen Verfahrenstatsachen
fehlen (vgl. S. 3 der Antragsbegründung des
Generalbundesanwalts).
Gegen eine Mitgestaltung spricht auch, dass beide unterschiedlichen
Begründungsteile
zum Teil identische Rügen betreffen. Bei einer Bearbeitung
durch
Rechtsanwalt M. wäre aber zu erwarten gewesen, dass die
dieselben Rügen
betreffenden Begründungsteile zusammengeführt und -
wie in Anwaltsschriftsätzen
üblich - nach Sach- und Verfahrensrügen geordnet
worden wären.
Dies ist im Übrigen innerhalb des von Rechtsanwalt M. allein
gefertigten
Teils der Begründung geschehen.
b) Für die vom Angeklagten persönlich stammenden
Begründungsteile
ist zweifelhaft, ob sie durch die Unterzeichnung eines Rechtsanwaltes
gedeckt
sind. Zwar enthält die vierte Teillieferung am Ende die
Unterschrift von Rechtsanwalt
M. . Da dem aber sieben Seiten von ihm selbst gefertigte
Ausführungen,
die von Seite 1 bis 7 durchpaginiert sind, vorausgehen, spricht viel
dafür,
dass die Unterschrift auf Seite 7 auch nur diesen Teil abdeckt. Es kommt
hinzu, dass die vorangegangenen Teile auf vier Einzellieferungen
aufgeteilt
waren, wobei die Aufteilung ohne Rücksicht auf die inhaltliche
Struktur dieser
Begründungskonvolute erfolgte und möglicherweise nur
durch die Größe der
jeweiligen Briefumschläge bestimmt war. Bei dieser Sachlage
kann aber auch
nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Unterschriften
auf
den jeweiligen Vorblättern den Inhalt des angefügten
Schriftgutes abdeckten,
da den Vorblättern eine nähere Kennzeichnung des
Anhangs nach Inhalt, Gliederungspunkten
oder nach Blattzahlen nicht zu entnehmen ist. Diese Zweifel
führen zur Unwirksamkeit dieses Teils der
Revisionsbegründung (vgl. Meyer-
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Goßner, StPO 48. Aufl. § 345 Rdn. 16). Daher kann
hier die Rechtsfrage offen
bleiben, ob ausnahmsweise die Unterschrift auf einem Vorblatt
genügen kann,
wenn eindeutig ist, dass sie sich auf den gesamten Inhalt der
beigefügten
Schrift bezieht (so Kuckein in KK 5. Aufl. § 354 Rdn. 13; vgl.
andererseits
Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. Einl. 129).
c) Im Übrigen wären die Verfahrensrügen auch
deswegen unzulässig
gewesen, weil sie der Form des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht
entsprechen,
wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen ausgeführt hat.
2. Soweit mit der Erwiderung auf den Antrag des Generalbundesanwalts
mit Schriftsatz vom 11.04.2005 weitere Verfahrenrügen erhoben
werden,
sind diese verspätet, da die
Revisionsbegründungsfrist bereits mit dem 20. Oktober
2004 abgelaufen war. Im Übrigen spricht dieser
Verfahrensfehler dafür,
dass Rechtsanwalt M. auch diese Ausführungen
ungeprüft und unbearbeitet
weitergereicht hat.
II. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung
führt zur Teileinstellung des Verfahrens nach § 154
Abs. 2 StPO in den Fällen
IV. 3. und 4. der Urteilsgründe und zur Änderung des
Schuldspruchs. Der Generalbundesanwalt
hat hierzu ausgeführt:
"Dem Schuldspruch wegen Untreue in 497 Fällen liegt der Vorwurf
zugrunde, der Angeklagte habe als Geschäftsführer der
Komplementär-GmbH
einer Kommanditgesellschaft über Gelder, die der Gesellschaft
von ihren
Kommanditisten zur gewinnbringenden Anlage überlassen wurden,
zu privaten
Zwecken verfügt und dies durch das Unterlassen einer
ordnungsgemäßen
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Buchführung ermöglicht bzw. verschleiert (vgl.
zusammenfassend UA S. 153).
Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten zu Recht als Untreue
bewertet
(zur unordentlichen Buchführung vgl. LK-Schünemann,
11. Aufl. § 266
Rdnr. 92, 146). Dass bereits das Einwerben der Gelder
möglicherweise den
Tatbestand des Betrugs erfüllte, steht dem nicht entgegen,
weil der Angeklagte
durch seine Verfügungen den Schaden gefestigt und vertieft hat
(vgl. Schünemann
a.a.O. Rdnr. 167). Nicht gefolgt werden kann dem Urteil indessen
insoweit,
als es - entsprechend der Zahl der Geschädigten -
selbständige Einzeltaten
angenommen hat. Den Angeklagten traf zwar eine Treupflicht in Bezug auf
jeden einzelnen Kommanditisten, zumal er deren Anteile
treuhänderisch hielt
(vgl. UA S. 26). Die Zahl der materiell-rechtlichen Handlungen
hängt indessen
nicht von der Anzahl der Verletzten, sondern von der Zahl der
Verletzungshandlungen
ab (vgl. Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB,
26. Aufl.
§ 266 Rdnr. 54). Darüber gibt das Urteil keinen
umfassenden Aufschluss, wobei
es allerdings nahe liegt, dass die von Anfang an unordentliche und auf
Täuschung angelegte Buchhaltung die einzelnen
Schädigungshandlungen zu
einer Tat im Rechtssinne verbindet. Nach Sachlage dürfte
auszuschließen
sein, dass ein neuer Tatrichter mit vertretbaren Mitteln
konkretisierbare Einzeltaten
feststellen könnte. Deshalb ist es gerechtfertigt, den
Schuldspruch - wie
beantragt - dahingehend zu ändern, dass der Angeklagte nur
wegen eines
Vergehens der Untreue in 497 rechtlich zusammentreffenden
Fällen verurteilt
wird (vgl. Schünemann a.a.O. Rdnr. 172; zur gleichartigen
Tateinheit vgl. BGH
wistra 1986, 67 m.w.N.). Der Angeklagte wird hierdurch nicht beschwert.
Es ist
auszuschließen, dass er sich gegen den geänderten
Tatvorwurf anders als geschehen
verteidigt hätte.
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Wollte man die Tathandlung in der Vereinnahmung der Kommanditanteile
und ihrer Vermischung mit dem Privatvermögen des Angeklagten
sehen, so
wäre die hierin liegende Untreuehandlung mitbestrafte Nachtat
des in der jeweiligen
Einwerbung liegenden Betrugs (vgl. Schünemann a.a.O. Rdnr.
167).
Da die einzelnen Betrugshandlungen vom Angeklagten nicht
eigenhändig vorgenommen
wurden, ihm vielmehr nach den Grundsätzen der
Mittäterschaft
bzw.
- bei gutgläubigen Vertretern - der mittelbaren
Täterschaft zuzurechnen sind,
hängt die Zahl der materiellrechtlichen Handlungen von den -
ersichtlich nicht
mehr aufklärbaren - Tatbeiträgen des Angeklagten ab.
Auch in diesem Fall wäre
nur von einer einzigen Tat auszugehen (vgl. Rissing-van Saan in LK,
StGB,
11. Aufl., § 52 Rdnr. 16 m.w.N.).
Die Maßregel wird durch die vorbezeichneten
Änderungen des Schuldspruchs
nicht berührt. Die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe
ist indessen durch
eine Freiheitsstrafe in derselben Höhe zu ersetzen. Der
nunmehr entfallene
Vorwurf des Betrugs in zwei Fällen fällt
gegenüber den verbleibenden Tatvorwürfen
nicht ins Gewicht; ein Vergleich der vom Landgericht
verhängten Einzelstrafen
belegt dies. Die Änderung der Konkurrenzverhältnisse
wirkt sich
nicht auf Unrecht oder Schuldgehalt der Gesamttat aus (vgl. Kalf NStZ
1997,
66ff.; Basdorf NStZ 1997, 423). Der Senat wird deshalb
ausschließen können,
dass das Landgericht eine andere Strafe verhängt
hätte, wäre es von vornherein
von dem geänderten Schuldspruch ausgegangen."
Dem schließt sich der Senat an.
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Im Übrigen wird ergänzend zu den
Ausführungen des Generalbundesanwalts
bemerkt:
Das Landgericht hat bei der Verhängung des Berufsverbots den
längeren
zeitlichen Abstand zwischen den Taten und dem Urteil bedacht und ohne
Rechtsfehler die Gefahr weiterer Straftaten bejaht (UA S. 179). Es hat
ferner
bei den teilweisen Rückzahlungen an die Geschädigten,
die nach UA S. 55
ohnehin nur etwa 2 % der den abgeurteilten Fällen zugrunde
liegenden Schadenssumme
betragen, zu Recht einschränkend berücksichtigt, dass
diese
überwiegend der Vermeidung von Strafanzeigen und damit des
vorzeitigen Zusammenbruchs
des Geldbeschaffungssystems gedient haben. Eine echte
Schadenswiedergutmachung lag hierin nicht.
Tolksdorf Winkler Pfister
Becker Hubert |