BGH,
Beschl. v. 26.6.2007 - 5 StR 215/07
5 StR 215/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 26.06.2007
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26.06.2007
beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 14. November 2006 nach § 349 Abs. 4 StPO im
Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben. Ausgenommen sind die Feststellungen zur rechtswidrigen Tat;
insoweit wird die weitergehende Revision nach § 349 Abs. 2
StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat die jetzt 29-jährige Angeklagte vom
Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung und des
Hausfriedensbruchs wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen und
ihre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die
gegen den Maßregelausspruch gerichtete Revision der
Angeklagten hat mit der Sachrüge, wie aus dem Tenor
ersichtlich, weitgehend Erfolg.
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1. Nach den Feststellungen hielt sich die Angeklagte am 14. Juni 2004
am Backstand auf dem Bürgersteig vor einem Spar-Markt auf,
obwohl ihr drei Monate zuvor ein Hausverbot für diese Filiale
einschließlich der Stehtische vor dem Backstand erteilt
worden war. Sie bedrängte die dort anwe-
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senden Kunden, ihr Geld oder Alkohol zu schenken. Da sie wiederholte
Aufforderungen, sich zu entfernen, nicht befolgte, wurde
schließlich die Polizei eingeschaltet, die sie des Backstands
verwies. Gleichwohl kehrte die Angeklagte zurück und setzte
ihr störendes Verhalten fort. Sie wurde deshalb wiederholt von
einer Mitarbeiterin des Spar-Marktes, der Zeugin K. , aufgefordert, den
Backstand zu verlassen. Diesen Aufforderungen kam die Angeklagte
jeweils nur kurzfristig nach, um sodann erneut an den Stehtischen zu
betteln. Die Zeugin ergriff nunmehr einen Eimer und begoss die
Angeklagte mit Wasser. Daraufhin schlug die Angeklagte eine
mitgeführte gefüllte Bierflasche gegen den Hinterkopf
der Zeugin. Diese erlitt ein Schädelhirntrauma und eine
blutende Platzwunde am Hinterkopf; sie war sechs Monate
arbeitsunfähig krank.
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Die Angeklagte war zuvor im Jahre 2003 wegen Vollrauschs und im Januar
2004 unter anderem wegen Körperverletzung jeweils zu
Geldstrafen verurteilt worden. Bei der im Januar 2004 abgeurteilten Tat
ging es um mehrere Faustschläge, welche die Angeklagte einer
Passantin in das Gesicht versetzt hatte. Das Verfahren wegen einer im
Januar 2005 begangenen Tat hat die Staatsanwaltschaft im Hinblick auf
die vorliegende Sache vorläufig eingestellt. Dem lag zugrunde,
dass die Angeklagte anlässlich einer vorläufigen
Festnahme eine Polizeibeamtin in der Weise misshandelte, dass sie
mehrfach heftig an deren Haaren zog, bis die Frau zu Boden fiel. In dem
anschließenden Handgemenge erlitt die Beamtin Verletzungen im
Gesicht, an der Schulter und an den Knien.
2. Die sachverständig beratene Strafkammer hat sich
rechtsfehlerfrei die Überzeugung verschafft, dass die
Angeklagte an einer chronischen paranoid-halluzinatorischen Psychose
leidet und die Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen
hat. Aufgrund ihres Zustands sei zu befürchten, dass sie unter
dem Einfluss eines weiteren Schubs ihrer seelischen Erkrankung erneut
eine aggressive Handlung begehe und deshalb für die
Allgemeinheit gefährlich sei.
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3. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus beschwert die
hiervon Betroffenen außerordentlich. Sie darf deshalb nur
angeordnet werden, wenn die Gesamtwürdigung des
Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines
Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind (BGHR StGB
§ 63 Schuldunfähigkeit 1). Es muss wahrscheinlich
sein, dass der Rechtsfrieden durch neue Taten schwer gestört
wird (BGHSt 27, 246, 248; BGHR StGB § 63
Gefährlichkeit 25). Die Unterbringung darf nicht angeordnet
werden, wenn - im Blick auf § 62 StGB - die wegen ihrer
unbestimmten Dauer sehr belastende Maßnahme außer
Verhältnis zu der Bedeutung der begangenen und zu erwartenden
Taten stehen würde. Darüber hinaus kommt die
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nur dann in
Betracht, wenn weniger einschneidende Maßnahmen keinen
ausreichenden zuverlässigen Schutz vor der
Gefährlichkeit des Täters bieten. Dies ergibt sich
aus dem - im gesamten Maßregelrecht geltenden und aus dem
verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt des
Übermaßverbots abgeleiteten -
Subsidiaritätsprinzip (vgl. Hanack in LK 11. Aufl. vor
§ 61 Rdn. 58 ff., § 63 Rdn. 82 ff.).
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Dass die hier vorliegende Körperverletzung erheblich ist,
steht außer Frage, wobei allerdings zu bedenken ist, dass
diese etwa zweieinhalb Jahre vor der Aburteilung begangene Tat eine
Reaktion auf einen überraschenden und zumindest aus Sicht der
Angeklagten unberechtigten Angriff war. Die vor und nach der Anlasstat
bis Anfang 2005 begangenen rechtswidrigen Handlungen bewegen sich
dagegen eher im unteren bis mittleren Bereich der denkbaren
Begehungsformen. Im Rahmen der Prognoseprüfung hätte
weiter berücksichtigt werden müssen, dass sich die
Angeklagte trotz des seit 2001 andauernden Krankheitsprozesses immer
wieder für längere Zeiten beanstandungsfrei gehalten
hat. Für die Frage der Prognose ist insoweit auch von
Bedeutung, in welchen Rahmenbedingungen die Angeklagte in diesen straf-
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freien Zeiten lebte. Namentlich im Blick auf den Grundsatz der
Subsidiarität hätte sich die Strafkammer auch mit der
Frage auseinandersetzen müssen, ob die Gefährlichkeit
der Beschuldigten durch andere Maßnahmen vertretbar
abgemildert werden kann. Hier wäre die Möglichkeit zu
erörtern gewesen, ob in einer anderweitigen Einbindung der
Beschwerdeführerin, insbesondere der Begründung eines
Betreuungsverhältnisses nach §§ 1896 ff.
BGB, eine Chance liegt, die Gefährlichkeit erheblich zu
verringern.
Die Frage der Unterbringung bedarf deshalb der nochmaligen
Prüfung und Entscheidung. Dabei wird insbesondere auch zu
beachten sein, wie sich die Angeklagte in der einstweiligen
Unterbringung bisher verhalten hat. Sollte der neue Tatrichter wiederum
die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anordnen, wird
er auch prüfen müssen, ob die Vollstreckung der
Unterbringung nach § 67b StGB zur Bewährung
ausgesetzt werden kann.
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