BGH,
Beschl. v. 26.5.2009 - 4 StR 134/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 134/09
vom
26. Mai 2009
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
StGB § 67 Abs. 2 Satz 2;
JGG § 7 Abs. 1
§ 67 Abs. 2 Satz 2 StGB in der Fassung des Gesetzes zur
Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in
einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 gilt gem. § 7 Abs.
1 JGG in Verb. m. § 61 Nr. 2 StGB auch bei der
Verhängung von Jugendstrafe.
BGH, Beschluss vom 26. Mai 2009 - 4 StR 134/09 - LG Essen
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wegen Totschlags u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 26. Mai 2009
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Essen vom 24. November 2008 im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den
Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Die Jugendkammer des Landgerichts hat den Angeklagten als Jugendlichen
wegen Totschlags und wegen vorsätzlicher
Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von fünf
Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung
sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten
führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs; im
Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des
§ 349 Abs. 2 StPO.
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I.
Die sachverständig beratene Jugendkammer hat die Anordnung,
den zur Tatzeit 16 Jahre alten Angeklagten, dessen
Steuerungsfähigkeit bei Begehung der Tat wegen Alkoholisierung
in Verbindung mit einer kombinierten Störung des
Sozialverhaltens und der Emotionen (ICD 10: F 92.9) erheblich
vermindert war, gemäß § 64 StGB in einer
Entziehungsanstalt unterzubringen, für sich genommen
rechtsfehlerfrei begründet. Das Urteil lässt jedoch
nicht erkennen, dass das Landgericht geprüft hat, ob
gemäß § 5 Abs. 3 JGG von Jugendstrafe
abzusehen ist, weil deren Verhängung im Hinblick auf die
gleichzeitig erfolgte Unterbringungsanordnung entbehrlich ist. Bei
schuldhaft begangenen Straftaten eröffnet § 5 Abs. 3
JGG die Möglichkeit, von der an sich erforderlichen
Verhängung von Jugendstrafe abzusehen, wenn sie als
zusätzliche erzieherische Maßnahme wegen der
Maßregelanordnung nicht erforderlich ist, und trägt
damit dem Gedanken der Einspurigkeit freiheitsentziehender
Maßnahmen im Jugendstrafrecht Rechnung (BGHSt 39, 92, 95).
Eine entsprechende Prüfung und Entscheidung ist dem
angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Zwar betrifft der Rechtsfehler
unmittelbar nur die Verhängung der Jugendstrafe. Wegen des
durch § 5 Abs. 3 JGG vorgegebenen sachlichen Zusammenhangs
zwischen Strafe und Unterbringung (vgl. BGHR JGG § 5 Abs. 3
Absehen 1 für die Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus) hebt der Senat den Rechtsfolgenausspruch insgesamt auf.
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II.
Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf
Folgendes hin:
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Gemäß § 7 JGG in Verb. mit § 61
Nr. 2 StGB richtet sich die Anordnung der Unterbringung eines
Jugendlichen oder Heranwachsenden in einer Entziehungsanstalt nach den
Vorschriften über die Anordnung von Maßregeln der
Besserung und Sicherung in den §§ 63 ff. StGB (vgl.
Senatsurteil StraFo 2003, 210). Die Maßregel nach §
61 Nr. 2 StGB wird gemäß § 93 a Abs. 1 JGG
bei suchtkranken Jugendlichen - und bei Heranwachsenden, soweit
materielles Jugendstrafrecht angewandt wurde (§§ 110
Abs. 1, 105 Abs. 1 JGG; vgl. Eisenberg, JGG 13. Aufl. § 93 a
Rn. 2) - in einer Einrichtung vollzogen, in der die für eine
Behandlung erforderlichen besonderen therapeutischen Mittel und
sozialen Hilfen zur Verfügung stehen. Sollte die Jugendkammer,
was im vorliegenden Fall nahe liegt, unter Berücksichtigung
des in den Gründen des angefochtenen Urteils erwogenen
besonderen erzieherischen Bedarfs die Unterbringungsanordnung erneut
mit der Verhängung von Jugendstrafe verbinden, gilt
für die Reihenfolge der Vollstreckung § 67 StGB (BGHR
StGB § 67 Abs. 2 Zweckerreichung, leichtere 7;
MünchKommStGB/Altenhain § 7 JGG Rdn. 23; Diemer in
Diemer/Schoreit/Sonnen, JGG 5. Aufl. § 7 Rdn. 11). Diese
Rechtslage ist durch das am 20. Juli 2007 in Kraft getretene Gesetz zur
Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in
einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) nicht
geändert worden. Der Gesetzgeber hat die Verweisungsnorm des
§ 7 JGG vielmehr unverändert gelassen. Daher gilt
auch im vorliegenden Fall § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB i.d.F.
dieses Gesetzes, wonach das Gericht bei Anordnung der Unterbringung in
einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von
über drei Jahren bestimmen soll, dass ein Teil der Strafe vor
der Maßregel zu vollziehen ist. Nach § 67 Abs. 2
Satz 3 StGB ist dieser Teil der Strafe so zu bemessen, dass nach seiner
Verbüßung und einer anschließenden
Unterbringung gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB
eine Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur
Bewährung bereits nach Erledigung der Hälfte der
Strafe möglich ist (vgl. nur Se-
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natsbeschluss StV 2007, 634). Für den Fall der
Verhängung einer Jugendstrafe von über drei Jahren
wird das Landgericht dies bedenken und über die Dauer des
Vorwegvollzugs unter Berücksichtigung der zur Therapie
erforderlichen Dauer der Unterbringung mit sachverständiger
Hilfe befinden müssen.
Tepperwien Athing Ernemann
Franke Mutzbauer |