BGH,
Beschl. v. 26.9.2001 - 1 StR 330/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 330/01
vom
26. September 2001
in der Strafsache gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. September 2001
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
München I vom 21. März 2001 im
Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer
Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, daß 11 Jahre der
Freiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen sind. Die Revision
des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen
Rechts rügt, hat zum Maßregelausspruch Erfolg; im
übrigen ist sie unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO.
Die vom Landgericht gegebene Begründung für die nach
§ 67 Abs. 2 StGB getroffene Entscheidung über die
Vollstreckungsreihenfolge trägt den Vorwegvollzug von 11
Jahren der Freiheitsstrafe vor der Maßregel nicht.
1. Richtschnur für die Frage des Vorwegvollzuges der Strafe
ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes
das Rehabilitationsinteresse des Verurteilten. Nach der
Grundentscheidung des Gesetzgebers in § 67 Abs. 1 StGB soll
möglichst umgehend mit der Behandlung des süchtigen
oder kranken Rechtsbrechers begonnen werden, weil dies am ehesten einen
dauerhaften Erfolg verspricht. Gerade bei längerer Strafdauer
muß es darum gehen, den Angeklagten frühzeitig von
seinem Hang zu befreien, damit er im Strafvollzug an der Verwirklichung
des Vollzugszieles arbeiten kann. Eine Abweichung von der Regelabfolge
des Vollzuges bedarf eingehender Begründung. Steht zu
besorgen, daß der an die Maßregel
anschließende Strafvollzug den Maßregelerfolg
wieder zunichte machen könnte, so müssen
dafür überzeugende Gründe vorliegen (vgl.
Senat, Beschl. vom 30. Januar 2001 - 1 StR 481/00 - m.w.N.).
2. Das Landgericht hat zwar - mit am Einzelfall ausgerichteten
Erwägungen - die Umkehrung der grundsätzlich
vorgeschriebenen Vollstreckungsreihenfolge mit der Notwendigkeit der
Verstärkung des Motivationsdrucks bei dem Angeklagten
begründet und auch noch eine mögliche
Gefährdung des Therapieerfolgs durch anschließenden
Strafvollzug angesprochen. Es hat jedoch nicht hinreichend belegt,
warum ein Vorwegvollzug der Strafe über den
ungewöhnlich langen Zeitraum von 11 Jahren erforderlich ist,
um bessere Heilungsaussichten für den Angeklagten zu
begründen. Es hätte hierzu näherer
Darlegungen und der Mitteilung der entsprechenden
Anknüpfungstatsachen bedurft. Konkret nachvollziehbare
Gründe für einen derart langwierigen vorausgehenden
Strafvollzug sind auch sonst nicht erkennbar. Sollte das Landgericht
der Auffassung gewesen sein, der lange Vorwegvollzug sei deshalb
notwendig, weil die Prognose offen ist, ob durch ihn bessere
Therapiechancen eröffnet werden, so würde dies nicht
ausreichen, um eine Abweichung von dem gesetzlichen Grundsatz zu
rechtfertigen (BGHR StGB § 67 Abs. 2 Zweckerreichung,
leichterer 10).
Aber auch wenn man unterstellt, daß das Landgericht - dem
Sachverständigen folgend - eine Unterbringung des Angeklagten
in einer Entziehungsanstalt vor dem Ablauf von 11 Jahren Strafvollzug
nicht für gerechtfertigt halten konnte, hätte in
diesem Fall die Prüfung nahegelegen, ob für die
Anordnung der Unterbringung im maßgeblichen Zeitpunkt der
Entscheidung durch das erkennende Gericht überhaupt die
erforderliche hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolges
(vgl. hierzu Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 64 Rdn.
10 f.) bestanden hat. Um dem neuen Tatgericht gegebenenfalls auch
insoweit die gebotene Prüfung zu ermöglichen, hat der
Senat den gesamten Maßregelausspruch aufgehoben.
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