BGH,
Beschl. v. 27.4.2010 - 3 StR 75/10
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 75/10
vom
27. April 2010
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung der
Beschwerdeführerin am 27. April 2010 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Oldenburg vom 12. November 2009 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben
a) im Fall II. A. der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
c) soweit eine Entscheidung über die Reihenfolge der
Vollstreckung der Freiheitsstrafe und der Maßregel
unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Der Schuldspruch des vorgenannten Urteils wird im Übrigen
berichtigt und zur Klarstellung dahin neu gefasst, dass die Angeklagte
des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge in 18 Fällen, des Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von
Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge sowie des
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen
schuldig ist.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
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Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte "des unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in 22 Fällen, davon in 20
Fällen mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge,
wobei sie in einem Fall eine Schusswaffe sowie einen sonstigen
Gegenstand, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet
und bestimmt ist, mit sich führte und in zwei Fällen
tateinheitlich unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge vorlag", schuldig gesprochen und sie zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Außerdem hat es die Unterbringung der Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt sowie den Verfall von Wertersatz in Höhe
von "550,- € Bargeld" angeordnet. Mit ihrer auf die
Sachrüge gestützten Revision wendet sich die
Angeklagte gegen dieses Urteil. Das Rechtsmittel hat den aus der
Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Im Fall II. A. tragen die Feststellungen den Schuldspruch wegen
bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
gemäß § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht, da
den Urteilsgründen ein eigennütziges Handeln der
Angeklagten nicht zu entnehmen ist. Der Generalbundesanwalt hat in
seiner Antragsschrift hierzu Folgendes ausgeführt:
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"Unter Handeltreiben ist jedes eigennützige Bemühen
zu verstehen, das darauf gerichtet ist, den Umsatz von
Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu
fördern (BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben
70). Eigennützig handelt, wer vom Streben nach Gewinn geleitet
wird oder sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil
verspricht, durch den er materiell oder - bei entsprechender Sachlage -
immateriell besser gestellt wird (BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1
Handeltreiben 2, 26, 33, 34). Die Strafkammer hat festgestellt, dass
der in Strafhaft befindliche drogenabhängige
Lebensgefährte der Angeklagten, R. , und sein
Mithäftling E. den Zeugen V. aufforderten, für sie
und für andere Inhaftierte Heroin bei der Ange-
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klagten abzuholen (UA S. 5). Anlässlich eines Besuchs bei der
Angeklagten habe diese den Zeugen gefragt, ob er etwas für
ihren Freund mitnehmen könne und ihm schließlich 12
Gramm Heroin in Kugeln zu je 3 Gramm abgepackt und
ausgehändigt (UA S. 6). Zu einer Bezahlung der
Betäubungsmittel verhalten sich die Urteilsgründe
nicht. Auch lassen sie nicht erkennen, ob R. und E. diese mit Wissen
der Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt gewinnbringend zu
veräußern beabsichtigten. Die Feststellung, dass sie
von dem Zeugen V. die Bezahlung der verloren geglaubten
Betäubungsmittel verlangten (UA S. 6), lässt keinen
zureichenden Schluss auf geplante Rauschgiftgeschäfte in der
Justizvollzugsanstalt zu, welche die Angeklagte gegebenenfalls
hätte ermöglichen oder fördern wollen. Auch
geht aus den Feststellungen nicht hervor, dass für die
Angeklagte mit der Aushändigung der Betäubungsmittel
an den Zeugen V. irgendein sonstiger materieller oder immaterieller
Vorteil verbunden war. Angesichts der Tatumstände erscheint es
jedenfalls nicht fernliegend, dass die Angeklagte die
Betäubungsmittel ihrem drogenabhängigen
Lebensgefährten zukommen lassen wollte, ohne damit einen
Gewinn oder anderweitigen Vorteil zu erstreben."
Dem schließt sich der Senat an.
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Der Senat sieht davon ab, den Schuldspruch auf Besitz von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge umzustellen, da
nicht auszuschließen ist, dass in der neuen Hauptverhandlung
Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung
der Angeklagten wegen täterschaftlichen oder
mittäterschaftlichen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge oder - im Falle
fehlenden eigennützigen Handelns der Angeklagten - (auch)
wegen Beihilfe zum Handeltreiben ihres Lebensgefährten tragen.
Bei Annahme täterschaftlichen oder
mittäterschaftlichen Handeltreibens der Angeklagten mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wird der neue
Tatrichter mit Blick auf den Qualifikationstatbestand des § 30
a Abs. 2 Nr. 2 BtMG Gelegenheit haben, den Ladezustand der
Schreckschusspistole festzustellen (BGH NStZ 2006, 176, 177). Sollte
die neue Hauptverhandlung zu einer Verurteilung der Angeklagten wegen
(ggfs. tateinheitlich zum Betäubungsmittelbesitz begange-
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ner) Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge führen, weist der Senat rein vorsorglich darauf
hin, dass allein die Bewaffnung des Gehilfen nicht die Verurteilung
wegen Beihilfe zum bewaffneten Betäubungsmittelhandel
rechtfertigen kann (BGH NStZ-RR 2002, 277; BGH StV 2005, 558).
2. Im Übrigen tragen die Urteilsfeststellungen nur in einem
Fall - im Fall II. C. 3. der Urteilsgründe - eine
tateinheitliche Verurteilung der Angeklagten wegen Besitzes von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Soweit der Tenor
des angefochtenen Urteils eine tateinheitliche Verurteilung wegen
Besitzes von Betäubungsmitteln in zwei tateinheitlichen
Fällen ausweist, ist der verbleibende Schuldspruch deshalb zu
berichtigen. Der ersichtlich auf ein Zählversehen
zurückgehende Rechtsfehler hat sich bei Bemessung der
verbleibenden Einzelstrafen nicht ausgewirkt. Darüber hinaus
hat der Senat den von der Aufhebung nicht erfassten Teil des
Schuldspruchs zum besseren Verständnis neu gefasst.
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Die Aufhebung des Schuld- und Strafausspruchs im Fall II. A. zieht die
Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
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3. Das Landgericht hat es schließlich rechtsfehlerhaft
unterlassen zu prüfen, ob ein Teil der verhängten
Gesamtfreiheitsstrafe vor der Maßregel nach § 64
StGB zu vollziehen ist (§ 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB).
Insoweit schließt sich der Senat den folgenden
Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts an:
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"Die Aufhebung des Schuldspruchs in Fall II. A. nötigt nicht
zur Aufhebung des Maßregelausspruchs, da die Anordnung der
Unterbringung gemäß § 64 StGB auch bei
Aufhebung der Verurteilung wegen der Tat zu Ziffer II. A.
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
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Die Strafkammer hat es jedoch rechtsfehlerhaft unterlassen, die
Reihenfolge der Vollstreckung gemäß § 67
Abs. 2 Satz 2, 3 StGB zu bestimmen. Danach soll das Gericht bei
Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
gemäß § 64 StGB neben einer zeitigen
Freiheitsstrafe von über drei Jahren bestimmen, dass ein Teil
der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil
der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer
anschließenden Unterbringung eine Entscheidung über
die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung nach § 67
Abs. 5 Satz 1 StGB möglich ist. Der Angeklagte ist durch die
unterbliebene Anwendung von § 67 Abs. 2 StGB beschwert, weil
die von § 67 Abs. 1 StGB abweichende Vollstreckungsreihenfolge
auch der Sicherung des Therapieerfolges dient und bei dessen Eintritt
die Möglichkeit besteht, dass der Angeklagte unter Anrechnung
der Unterbringungsdauer schon zum Halbstrafenzeitpunkt entlassen wird
(BGH, Beschl. vom 21. August 2007 - 3 StR 263/07; Fischer StGB 57.
Auflage § 67 Rdn. 10)."
Becker Pfister Sost-Scheible
Hubert Mayer |