BGH,
Beschl. v. 27.8.2002 - 1 StR 295/02
1 StR 295/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
27. August 2002
in der Strafsache gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat am 27. August 2002
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Schweinfurt vom 23. April 2002 mit den Feststellungen aufgehoben,
soweit eine Entscheidung zur Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt unterblieben ist.
In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei
Fällen, jeweils rechtlich zusammentreffend mit unerlaubtem
Erwerb von Betäubungsmitteln, sachlich zusammentreffend mit
unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge in sechs Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Seine
auf Verfahrensrügen und die Sachrüge
gestützte Revision ist hinsichtlich des Schuldspruchs
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Keinen Bestand kann das Urteil haben, soweit die Strafkammer nicht
über die Anordnung der Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt nach § 64 StGB entschieden hat.
Nach den Feststellungen ist der Angeklagte seit längerer Zeit
in erheblichem Umfang rauschgiftabhängig. Er konsumierte seit
etwa 1998 regelmäßig Heroin, welches er unter
Konsumsteigerung rauchte. Für das Jahr 2001 hat er seinen
täglichen Bedarf mit ca. zweieinhalb bis drei Gramm Heroin
angegeben. Um von seiner Sucht loszukommen, suchte er seinen Hausarzt
auf und unternahm im St. Josefs-Krankenhaus in S. den Versuch einer
körperlichen Entgiftung, die er allerdings nach fünf
Tagen gegen ärztlichen Rat abbrach. Nach seiner Inhaftierung
am 21. September 2001 lag der Angeklagte wegen Entzugserscheinungen
zwölf Tage lang auf der Krankenstation und erhielt Tabletten
wegen Kopf- und Gelenkschmerzen. Die Strafkammer hat dem Angeklagten
seine "Betäubungsmittelkarriere" geglaubt und aufgrund eigener
Sachkunde ohne die Einschaltung eines Sachverständigen
angenommen, daß der Angeklagte unter akuter
Heroinabhängigkeit litt. Sie hat weiter angenommen,
daß er die Betäubungsmittelgeschäfte aus
Sorge um seine ununterbrochene Versorgung mit Heroin
durchführte und er Furcht vor Entzugssymptomen hatte (vgl.
ausführlich zur Annahme des § 21 StGB bei
Betäubungsmittelabhängigkeit BGH NStZ 2001, 83
m.w.Nachw.). Sie hat deshalb nicht ausschließen
können, daß die Steuerungsfähigkeit des
Angeklagten bei allen Taten erheblich vermindert war.
Unter diesen Umständen war es geboten, wie auch der
Generalbundesanwalt im einzelnen zutreffend ausgeführt hat,
unter Hinzuziehung eines Sachverständigen zu entscheiden, ob
eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt
angezeigt ist. Es ist typisch für eine hangbedingte
Gefährlichkeit, wenn der Täter straffällig
wird, um in den Besitz von Rauschmitteln zu kommen (vgl. Hanack in LK
11. Aufl. § 64 Rdn. 37 m.w.Nachw.).
Der aufgezeigte Rechtsfehler führt nur dazu, daß
über die Notwendigkeit einer Unterbringung neu verhandelt
werden muß, im übrigen bleibt der
Rechtsfolgenausspruch unberührt. Es ist ausgeschlossen,
daß die Strafkammer, die die
Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten
strafmildernd berücksichtigt hat, bei Anordnung der
Unterbringung geringere Einzelstrafen oder eine niedrigere
Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.
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