BGH,
Beschl. v. 27.1.2010 - 5 StR 254/09
5 StR 254/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 27. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Insiderhandels u. a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Januar 2010
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts
Hamburg vom 25. Februar 2009 gemäß § 349
Abs. 4 StPO dahingehend abgeändert, dass
a) bei dem Angeklagten B. und gemäß § 357
StPO bei dem Angeklagten A. der angeordnete Verfall entfällt,
b) gemäß § 357 StPO bei den Angeklagten B.
und P. sowie bei der Nebenbeteiligten der angeordnete Verfall auf
753.851,12 € ermäßigt wird.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten B. sowie die Revision des
Angeklagten K. werden nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
3. Die Beschwerdeführer tragen die Kosten des
Rechtsmittelverfahrens; jedoch wird bei dem Angeklagten B. die
Gebühr um ein Zehntel ermäßigt; je ein
Zehntel der gerichtlichen und notwendigen Auslagen dieses Angeklagten
fallen der Staatskasse zur Last.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen Kurs- und
Marktpreismanipulation in Tateinheit mit Insiderhandel in zwei
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren
verurteilt, die Vollstreckung der Frei-
1
- 3 -
heitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt und den Verfall von
32.500 € angeordnet. Den Angeklagten K. hat das Landgericht
der Kurs- und Marktpreismanipulation in Tateinheit mit Insiderhandel
schuldig gesprochen und ihn mit einer - zur Bewährung
ausgesetzten - Freiheitsstrafe von neun Monaten belegt. Die Revision
des Angeklagten K. ist im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO
unbegründet. Die Revision des Angeklagten B. führt zu
einer Aufhebung der Verfallsanordnung, die gemäß
§ 357 StPO auch auf die nichtrevidierenden Mitangeklagten und
die Verfallsbeteiligte zu erstrecken ist. Im Übrigen ist die
Revision des Angeklagten B. gleichfalls unbegründet im Sinne
des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verfallsanordnung hält rechtlicher
Überprüfung nicht stand, weil § 73 Abs. 1
Satz 2 StGB hier der Anordnung des Verfalls entgegensteht. Diese musste
deshalb entfallen. Einer vom Senat angeregten Verfahrensweise nach
§§ 430, 442 StPO hat der Generalbundesanwalt nicht
zugestimmt.
2
3
a) Sind die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB
gegeben, schließen sie die Anordnung des Verfalls aus. Dies
gilt auch im Hinblick auf die nach § 111i Abs. 2 bis 8 StPO
geschaffene Möglichkeit, das Erlangte im Urteil zu bezeichnen
und gegebenenfalls eine Sicherstellung aufrechtzuerhalten. Diese
Vorschrift ist als strengeres Recht auf vor dem 1. Januar 2007
begangene Altfälle nicht anwendbar (BGH NJW 2008, 1093; StV
2008, 226, 227). Da die ausgeurteilten Taten 2003 und 2004 begangen
wurden, kommt das besondere Festsetzungsverfahren
gemäß § 111i Abs. 2 bis 8 StPO nicht in
Betracht.
4
b) Aus der Tat sind Ansprüche von Verletzten erwachsen. Der
Senat kann allerdings hier offenlassen, ob - was das Landgericht
verneint hat - § 38 Abs. 1 Nr. 1 WpHG drittschützend
ist. Dies erscheint jedenfalls in den Fällen nahe liegend, bei
denen die Tat manipulativ unmittelbar auf eine Schädigung der
Erwerber der Wertpapiere gerichtet ist (differenzierend auch
- 4 -
BGHZ 170, 226, 232). Im vorliegenden Fall braucht dem jedoch nicht
näher nachgegangen zu werden, weil die Erwerber der Aktien
unmittelbar aus dem abgeurteilten Geschehen jedenfalls einen
deliktischen Anspruch nach § 826 BGB haben. Hierfür
müssen sämtliche Beteiligte, die an der
Schadenszufügung mitgewirkt haben, als Gesamtschuldner
einstehen (§ 830 BGB).
Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass auf der Grundlage der
Feststellungen des Landgerichts eine vorsätzliche
sittenwidrige Schädigung gegeben ist. Nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs handelt in der Regel sittenwidrig, wer im
Geschäftsverkehr über verkehrswesentliche
Umstände bewusst unwahre Angaben macht (BGH NJW 2008, 1734,
1736; 2004, 3423, 3424). Dies gilt gleichermaßen bei
vorsätzlich unzutreffenden Mitteilungen im Zusammenhang mit
den Pflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz (Palandt/Sprau, BGB 69.
Aufl. § 826 Rdn. 30; vgl. auch BGH NJW 2008, 1734, 1736;
Gaßmann wistra 2004, 41, 44). Die Angeklagten haben durch das
Lancieren bewusster Falschmeldungen wissentlich eine Informationslage
geschaffen, die einen höheren Aktienkurs
herbeiführte. Hierauf kam es ihnen auch an, weil sie ihre
Aktien möglichst teuer verkaufen wollten. Die
vorsätzliche, auf betrügerische Machenschaften
aufgebaute Täuschung des Publikums, das letztlich auf der
Grundlage dieser Fehlvorstellungen einen ungerechtfertigt hohen Preis
zu zahlen bereit war, erfüllt den Tatbestand der
vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (vgl.
Ziouvas, Das neue Kapitalmarktstrafrecht 2005 S. 257).
5
c) Ein deliktischer Anspruch eines Dritten, der aus dem strafbaren
Verhalten entstanden ist, reicht aus, um den Verfall nach § 73
Abs. 1 Satz 2 StGB auszuschließen (Schmidt in LK 12. Aufl.
§ 73 Rdn. 41; Fischer, StGB 57. Aufl. § 73 Rdn. 20);
jedenfalls insoweit ist er Verletzter im Sinne der Norm. Entscheidend
ist nämlich nicht, ob sich aus einer Verletzung eines
Strafgesetzes der Ersatzanspruch eines Dritten ergibt.
Maßgeblich ist vielmehr, dass sich der Ersatzanspruch aus dem
historischen Sachverhalt herleitet, der auch der Verwirklichung der
Strafnorm zugrunde liegt. Eine solche
6
- 5 -
auf das tatsächliche Geschehen abstellende Auslegung des
Verletztenbegriffs im Sinne des § 73 Abs.1 Satz 2 StGB folgt
aus dem Normzweck der Vorschrift, dem Geschädigten das
ungeschmälerte Vermögen des Schädigers zu
erhalten (BGHR StGB § 73 Verletzter 3). Um dies
sicherzustellen, kann es nur - was im Übrigen auch der mit
§ 264 StPO korrespondierende Wortlaut des § 73 Abs. 1
Satz 2 StGB nahe legt - auf die Tat als tatsächliches
Geschehen und nicht auf die einzelne Gesetzesverletzung ankommen.
Aufgrund einer am Schutzzweck des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB
orientierten Auslegung hat der Bundesgerichtshof auch die Anordnung des
Verfalls von Bestechungslohn abgelehnt, wenn dem Bestechungslohn
spiegelbildlich ein Schaden gegenübersteht, obwohl Schutzgut
der Bestechung nicht das Vermögen, sondern das Vertrauen der
Allgemeinheit in die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes ist
(BGHR StGB § 73 Verletzter 4). Eine solche Auslegung vermeidet
zudem Zufälligkeiten, die zu Lasten des verletzten Dritten
dadurch entstehen würden, dass drittschützende
Straftatbestände nach §§ 154, 154a StPO
ausgeschieden werden. Auch dies belegt, dass der Anspruch des
verletzten Dritten nicht unmittelbar an den verwirklichten
Straftatbestand anknüpfen kann (BGHR StGB § 73
Verletzter 3, 4). Entscheidend ist vielmehr, inwieweit eine zwingende
innere Verknüpfung zwischen dem erlangten Vorteil und dem
ersatzfähigen Schaden eines Dritten vorliegt (BGHR StGB
§ 73 Verletzter 4).
Die Geschädigten haben durch den Ankauf der Aktien zu
höheren Kursen die Kursgewinne für die Angeklagten
erst ermöglicht. Die deliktsrechtliche Norm des § 826
BGB erlaubt eine Rückabwicklung der rechtswidrig erlangten
Vermögenswerte zugunsten der Geschädigten. Deren
Individualansprüche haben Vorrang (Schmidt aaO Rdn. 34;
Gaßmann wistra 2004, 41, 46). Deshalb ist es bei einer
solchen Sachverhaltskonstellation unerheblich, ob dem Straftatbestand
dann selbst ein Schutzgesetzcharakter (etwa im Sinne des § 823
Abs. 2 BGB) zukommt.
7
- 6 -
2. Die Anordnung des Verfalls muss gemäß §
357 StPO auf die Mitangeklagten und die Verfallsbeteiligte erstreckt
werden. Die Erstreckung kann allerdings nur für denjenigen
Fall angeordnet werden, auf den sich die Aufhebung zugunsten des
Revidenten B. bezieht; sie betrifft hinsichtlich der Nichtrevidenten
freilich weit höhere Verfallsanordnungen bis zur Höhe
des Gesamtbetrages von über 970.000 €.
8
Soweit in einem anderen Fall gegen den Revidenten kein Verfall
angeordnet wurde und er an einem weiteren, zusätzlichen
selbständig ausgeurteilten Fall nicht beteiligt war, verbleibt
es - selbst wenn hier derselbe Rechtsfehler vorläge - bei der
vom Landgericht ausgesprochenen Verfallsanordnung. Insoweit handelt es
sich um jeweils selbständige prozessuale Taten im Sinne des
§ 264 StPO (BGH NJW 1983, 2097, 2099; BGH, Beschluss vom 12.
September 1996 - 1 StR 509/96; Kuckein in KK, StPO 6. Aufl. §
357 Rdn. 8), die von der Erstreckung nach § 357 StPO nicht
erfasst sind.
9
Basdorf Raum Schaal
Schneider König |