BGH,
Beschl. v. 27.6.2007 - 2 StR 4/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 4/07
vom
27.6.2007
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 27.06.2007
gemäß §§ 206 a, 349 Abs. 2 und 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Bonn vom 23. August 2006 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte in den
Fällen II. 1., 3. und 7. verurteilt worden ist; im Umfang der
Einstellung hat die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die
notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen,
b) der Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge in vier Fällen, davon in einem Fall
tateinheitlich mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge und in zwei Fällen in Tateinheit mit
der Verabredung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge schuldig ist,
c) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen
II. 2., 5. und 6. der Urteilsgründe und im
Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs
Fällen (Fälle II. 1., 2., 4., 5., 6. und 7. der
Urteilsgründe), davon in zwei Fällen tateinheitlich
mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge (Fälle II. 1. und 4. der
Urteilsgründe) und in drei weiteren Fällen
tateinheitlich mit dem Versuch der unerlaubten Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fälle II.
2., 5. und 6. der Urteilsgründe) und in einem dieser
Fälle auch tateinheitlich mit Nötigung (Fall II. 5.
der Urteilsgründe) sowie wegen vorsätzlicher
Körperverletzung (Fall II. 3. der Urteilsgründe) zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten
verurteilt. Die Revision des Angeklagten macht Verfahrensrügen
geltend und beanstandet die Verletzung sachlichen Rechts. Das
Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg;
im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO.
1
I.
Die Verurteilung in den Fällen II. 1., 3. und 7. der
Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil ihr das
Verfahrenshindernis der Spezialität entgegensteht. Der Senat
stellt das Verfahren insoweit ein. Desgleichen entfällt die
tateinheitliche Verurteilung wegen Nötigung im Fall II. 5. der
Urteilsgründe.
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Der Angeklagte wurde am 27. September 2004 in Brasilien festgenommen
und am 9. Februar 2006 auf Grund des Internationalen Haftbefehls des
Amtsgerichts Bonn vom 10. März 2003 an die Bundesrepublik
Deutschland ausgeliefert. Der Auslieferungshaftbefehl führt
jedoch die unter II. 1., 3. und 7. abgeurteilten Taten und das dem
Nötigungsvorwurf zugrunde liegende Geschehen nicht auf. Aus
den Akten ist nicht ersichtlich, dass der Angeklagte auf den Vorbehalt
der Spezialität verzichtet hätte.
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Zwar umfasst mangels näherer Beschränkung eine
Auslieferungsbewilligung grundsätzlich die gesamte Tat im
Sinne des § 264 StPO (vgl. BGH NStZ 2003, 68; NStZ-RR 2000,
333). Da sich hier die Auslieferungsentscheidung nicht bei den Akten
befindet und weder die Sachbearbeiterin bei der Staatsanwaltschaft Bonn
noch der dortige Rechtshilfedezernent eine konkrete Erinnerung an die
entsprechenden Vorgänge haben, hat der Senat insoweit
entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts die Strafverfolgung im
Fall II. 5. der Urteilsgründe auf die
Betäubungsmitteldelikte beschränkt.
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II.
Die Verfahrensrügen haben aus den Gründen der
Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg.
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III.
1. In den Fällen II. 2., 5. und 6. der Urteilsgründe
hält die Verurteilung wegen des Versuchs der unerlaubten
Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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a) Die vom Angeklagten beauftragten Kuriere waren entweder schon vor
ihrem Abflug am Flughafen Sao Paulo oder nach Zwischenlandungen in
Madrid bzw. Lissabon verhaftet worden, bevor ihr Gepäck in die
nach Deutschland fliegenden Flugzeuge geladen wurde und sie selbst
hätten einsteigen können. Damit hatten die Kuriere
aber jeweils noch nicht zum Versuch der unerlaubten Einfuhr von
Betäubungsmitteln angesetzt (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs.
1 Nr. 1 Einfuhr 18 und 41). Die tateinheitliche Verurteilung wegen
versuchter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge muss deshalb entfallen.
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b) In den Fällen II. 2. und 5. der Urteilsgründe hat
sich der Angeklagte jedoch gemäß § 30 Abs.
2 StGB, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG wegen der Verabredung zum
Verbrechen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge - jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge -
schuldig gemacht. Der Angeklagte ist mit den Kurieren J. , M. und S.
übereingekommen, Kokain nach Deutschland einzuführen,
wobei die Kuriere wegen des eigenhändigen Verbringens der
Betäubungsmittel in die Bundesrepublik und der Angeklagte
aufgrund seines Tatinteresses und seiner Tatbeiträge
Mittäter gewesen wären. Der Angeklagte war derjenige,
der das Kokain gewinnbringend weiterverkaufen wollte; er hatte den
Kurieren die Flüge und den Aufenthalt in Brasilien bezahlt und
die Tat hing allein von seinem Willen ab, weil nur er den Kontakt zum
Lieferanten in Brasilien hatte.
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Der Senat kann den Schuldspruch in diesen Fällen selbst
ändern; § 265 StPO steht der
Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der Angeklagte
nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
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c) Im Fall II. 6. liegt hingegen weder die Verabredung eines
Verbrechens noch eine versuchte Anstiftung zu einem solchen vor, weil
der Kurier Ju. vom Angeklagten über die zu transportierende
Ware getäuscht wurde, sich mithin gerade nicht zur unerlaubten
Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bereit
erklärt hatte. Der Angeklagte wäre in diesem Fall
mittelbarer Täter der Einfuhr gewesen. Im Fall II. 6. der
Urteilsgründe ist der Angeklagte deshalb lediglich des
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge schuldig.
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2. Die Änderung der Schuldsprüche in den
Fällen II. 2., 5. und 6. der Urteilsgründe
führt zur Aufhebung der Strafaussprüche in diesen
Fällen. Das
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Landgericht hat in diesen Fällen den Strafrahmen des
§ 30 Abs. 1 BtMG zugrunde gelegt und sowohl die Annahme minder
schwerer Fälle als auch eine Strafrahmenmilderung wegen
Versuchs ausdrücklich abgelehnt. Der Senat kann nicht
ausschließen, dass es bei Anwendung des nach § 30
Abs. 1 Satz 2 StGB zwingend gemäß § 49 Abs.
1 StGB zu mildernden Strafrahmens des § 30 Abs. 1 BtMG bzw.
des § 29 a Abs. 1 BtMG zu niedrigeren Strafen gekommen
wäre.
Die Aufhebung der Einzelstrafen in drei Fällen und das
Entfallen von drei weiteren Einzelstrafen führt zur Aufhebung
des Gesamtstrafenausspruchs.
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3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich
darauf hin, dass die Möglichkeit, auf Geldstrafe gesondert zu
erkennen, kein Grund ist, die Zäsurwirkung einer auf
Geldstrafe lautenden Vorverurteilung zu verneinen (BGHSt 32, 190, 194;
BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 9). Der
neue Tatrichter wird daher zwei Gesamtstrafen zu bilden haben, die in
ihrer Summe die bisherige Gesamtstrafe nicht übersteigen
dürfen.
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Bode Otten Ernemann
Fischer Roggenbuck |