BGH,
Beschl. v. 29.2.2000 - 1 StR 46/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 46/00
vom
29. Februar 2000
in der Strafsache gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Februar 2000
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten O. wird das Urteil des Landgerichts
Nürnberg-Fürth vom 14. Oktober 1999
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der
Angeklagte sowie der Mitangeklagte K.
- im Fall B I 1 der Urteilsgründe der Beihilfe zum unerlaubten
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr.
1 BtMG, § 27 StGB) und
- im Fall B II der Urteilsgründe des unerlaubten
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
in Tateinheit mit Nötigung (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG,
§ 240 Abs. 1, § 52 StGB)
schuldig sind;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen
B I 1 und B II sowie über die Gesamtstrafe, soweit er den
Angeklagten O. betrifft, aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete
Urteil wird als unbegründet verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten sowie den Mitangeklagten K. wegen
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge in fünf Fällen, davon in einem Falle
in Tateinheit mit Raub, schuldig gesprochen; es hat den Angeklagten O.
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten sowie
den Mitangeklagten K. zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und neun
Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten O. , die die
Verletzung sachlichen Rechts rügt, führt zu einer
Änderung des Schuldspruchs, die auf den Mitangeklagten K. zu
erstrecken ist. Die Schuldspruchänderung bedingt eine
teilweise Aufhebung des Strafausspruches gegen den Angeklagten. Im
übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des
§ 349 Abs. 2 StPO, da die Nachprüfung des Urteils auf
Grund der Revisionsrechtfertigung insoweit keinen Rechtsfehler zum
Nachteil des Angeklagten ergeben hat. Der Erörterung bedarf
folgendes:
1. Im Fall B I 1 der Urteilsgründe tragen die Feststellungen
die Verurteilung des Angeklagten sowie des früheren
Mitangeklagten K. wegen täterschaftlichen unerlaubten
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht. Beide verkauften
gemäß Weisung des Drogenhändlers W.
wenigstens 15 g Heroinzubereitung an heroinabhängige Personen.
Den dabei erzielten Verkaufserlös reichten sie
vollständig an W. weiter, "ohne für ihre
Tätigkeit irgendeine Gegenleistung zu erhalten" (UA S. 8).
Täterschaftliches Handeltreiben im Sinne des § 29
Abs. 1 Nr. 1 BtMG erfordert das eigennützige Bemühen,
den Umsatz von Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder
zu fördern. Eigennützig ist eine solche
Tätigkeit nur, wenn das Handeln des Täters vom
Streben nach Gewinn geleitet wird oder er sich irgendeinen anderen
persönlichen Vorteil verspricht, durch den er materiell oder
immateriell besser gestellt wird. Ein immaterieller Vorteil kommt bei
der gebotenen zurückhaltenden Auslegung nur in Betracht, wenn
er einen objektiv meßbaren Inhalt hat und den
Empfänger in irgendeiner Weise tatsächlich besser
stellt (vgl. BGHSt 34, 124; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1
Handeltreiben 34 und 41).
Einen solchen auch nur immateriellen Vorteil haben der Angeklagte und
K. hier ersichtlich nicht gezogen. Das etwaige Unterbleiben der von W.
angedrohten Repressalien erweist sich nicht als "Vorteil" im Sinne
eines Eigennutzes; es entzieht sich einer objektiven Bewertung (siehe
zur Frage der Sicherung der Gunst eines Dritten: BGHR BtMG §
29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 34). Mithin haben der Angeklagte und der
vormalige Mitangeklagte K. lediglich Beihilfe zum unerlaubten
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln durch W. geleistet
(§ 27 StGB).
2. Im Fall B II der Urteilsgründe beanstandet die Revision mit
Recht die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen Raubes. Bei dem
Kaufgeld, das der Angeklagte und seine Mittäter dem
unbekannten Betäubungsmittelhändler nach
Übergabe und Aushändigung der Heroinzubereitung durch
diesen gewaltsam wieder abgenommen haben, handelte es sich nicht um
eine fremde Sache im Sinne des § 249 Abs. 1 StGB. Aus dem
Verbot des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
folgt hier die Nichtigkeit der Übereignung des als Kaufpreis
gezahlten Geldes (§ 134 BGB; vgl. BGHSt 31, 145). Das Handeln
der Täter erweist sich lediglich als Nötigung
(§ 240 Abs. 1 StGB).
3. Der Senat kann den Schuldspruch entsprechend ändern. Diese
Änderung ist auf den vormaligen Mitangeklagten K. , der seine
Revision zurückgenommen hat, zu erstrecken (§ 357
StPO). Der Angeklagte und K. hätten sich ersichtlich nicht
anders als geschehen verteidigen können.
4. Der Senat vermag nicht auszuschließen, daß die
Schuldspruchänderung in den Fällen B I 1 und B II
Einfluß auf die Bemessung der gegen den Angeklagten in diesen
Fällen verhängten Einzelstrafen sowie der
Gesamtstrafe haben kann. Im Fall B II hat das Landgericht die
höchste der Einzelstrafen in Ansatz gebracht (Einsatzstrafe,
vgl. § 54 Abs. 1 StGB) und dabei den tateinheitlich begangenen
Raub straferschwerend berücksichtigt; der Unwertgehalt der bei
zutreffender rechtlicher Würdigung insoweit anzunehmenden
Nötigung ist indessen deutlich geringer. Auch im Fall B I 1
kann die nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB
vorgeschriebene Strafrahmenmilderung möglicherweise die
Höhe der Einzelstrafe berühren.
Die insoweit getroffenen Feststellungen können bestehen
bleiben, weil der Rechtsfehler sich hierauf nicht auswirkt;
ergänzende Feststellungen, die den getroffenen nicht
widersprechen, sind zulässig.
5. Auch die weiteren Einzelstrafen haben Bestand. Zur
Überzeugung des Senats ist es ausgeschlossen, daß
diese von der Schuldspruchänderung und der in zwei
Einzelfällen erforderlichen Neubemessung der Strafe
beeinflußt werden können.
Gleiches gilt hinsichtlich der Höhe der gegen den
Mitangeklagten
K. ausgesprochenen Jugendstrafe. Diese folgt als sogenannte
Einheitsstrafe in ihrer Bemessung anderen Maßgaben
(§ 17 Abs. 2, §§ 18, 31 Abs. 1 JGG). Es
erscheint ausgeschlossen, daß die ohnehin milde Strafe gegen
den vorgeahndeten Mitangeklagten aufgrund der auf ihn zu erstreckenden
Schuldspruchänderung in den Fällen B I 1 und B II
noch weiter herabgesetzt werden könnte.
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