BGH,
Beschl. v. 29.6.2000 - 4 StR 190/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 190/00
vom
29. Juni 2000
in der Strafsache gegen
wegen gewerbsmäßiger Hehlerei
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 29. Juni
2000 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts
Halle vom 15. Oktober 1999, soweit es ihn betrifft, mit den
Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen
gewerbsmäßiger Hehlerei in sieben Fällen zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.
1. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen
und materiellen Rechts beanstandet, hat Erfolg.
a) Im Falle der Verurteilung des Angeklagten müssen, was das
Revisionsgericht auf die Sachrüge zu prüfen hat
(Gollwitzer in Löwe-Rosenberg StPO 24. Aufl. § 267
Rdn. 33), die Urteilsgründe die für erwiesen
erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der
Straftat gefunden werden. Dabei ist unter Angabe der für
erwiesen erachteten Tatsachen die Schilderung des als Ergebnis der
Beweiswürdigung festgestellten Lebenssachverhalts zu
verstehen. Eine "Feststellung", die nur die Worte des Gesetzes
wiederholt oder mit einem gleichbedeutenden Wort oder einer allgemeinen
Redewendung umschreibt, reicht nicht aus (vgl. Gollwitzer aaO
§ 267 Rdn. 32). Rechtsbegriffe müssen, sofern sie
nicht allgemein geläufig sind, grundsätzlich durch
die ihnen zugrunde liegenden tatsächlichen Vorgänge
dargestellt ("aufgelöst") werden (Engelhardt in KK-StPO 4.
Aufl. § 267 Rdn. 9).
b) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nur insoweit
gerecht, als es die Darstellung der Vortaten anbelangt, auf die sich
die Verurteilung des Angeklagten K. wegen Hehlerei bezieht: Diese
werden unter näherer Angabe der tatsächlichen
Umstände (insbesondere der Tatzeit, des Tatortes und der
Tatopfer) sowie unter - allerdings teilweise unnötig
detaillierter - Auflistung der gestohlenen oder betrügerisch
erlangten Sachen, konkret geschildert.
Die gebotene Wiedergabe des tatbestandsmäßigen
Lebenssachverhalts läßt das Urteil aber vermissen,
soweit es die dem Angeklagten K. vorgeworfenen hehlerischen
Betätigungen und seine Beziehung zu den aus den Vortaten
erlangten Sachen darstellt.
Die Schilderung der Tathandlungen des Angeklagten leitet das Urteil in
allen abgeurteilten Fällen mit Sätzen ein, die sich
im wesentlichen auf die Wiedergabe der gesetzlichen Beschreibung des
Tatverhaltens beschränken und deswegen als Angabe der
erwiesenen Tatsachen im Sinne des § 267 StPO nicht ausreichen.
So heißt es etwa, der Angeklagte habe "sich in der Folgezeit
in Kenntnis davon, daß die Gegenstände ... (aus den
jeweiligen Taten) ... resultierten," bemüht, diese "an dritte
Personen abzusetzen" (oder: er habe "geholfen, die Gegenstände
abzusetzen"), "um sich hierdurch einen Vermögensvorteil zu
verschaffen, auf den er - wie er wußte - keinen Anspruch
hatte." Diesen formelhaften Wendungen folgt dann jeweils die
(überflüssigerweise: wörtliche) Wiedergabe
von Protokollen über die Aufzeichnung von
Telefongesprächen, die der Angeklagte mit verschiedenen
Personen führte und deren Gegenstand jeweils die gestohlenen
oder sonst durch Vermögensdelikte erlangten Sachen waren.
Mit diesen Angaben läßt die Sachverhaltsschilderung
des angefochtenen Urteils eine Subsumtion unter die in Betracht
kommenden Strafvorschriften und ihre Beschreibung der unter
Strafandrohung gestellten Verhaltensweisen nicht zu. Der mitgeteilte
Inhalt der Telefonate belegt zwar, daß der Angeklagte an dem
Absatz der Beute aus den Vortaten lebhaft interessiert war und sich
nachhaltig um deren Verwertung bemühte. Mangels weiterer
Angaben zu dem Handlungsrahmen, in den die Telefonate gestellt waren,
insbesondere zu den ihnen vorausgegangenen sowie den nachfolgenden, die
jeweilige Tatbeute betreffenden Handlungen des Angeklagten bleibt aber
im Dunkeln, ob er etwa an den Diebstählen selbst als
Täter oder Mittäter beteiligt war (was in einzelnen
Fällen nach dem Inhalt der Telefonate jedenfalls nicht
fernliegt), ob er von dem Vortäter die
Verfügungsmacht über die Sachen erhalten hat, ob er
selbständig um den Absatz bemüht war oder
Absatzbemühungen des Vortäters oder - mit der Folge,
daß er sich nur als Gehilfe strafbar gemacht hätte
(vgl. Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 259 Rdn. 14;
siehe auch OLG Köln StraFo 2000, 233) - solche eines Dritten
unterstützt hat. Die Äußerungen des
Angeklagten und seiner Gesprächspartner in den wiedergegebenen
Telefonaten mögen zwar auch als Indiztatsachen von Bedeutung
sein, indem sie - in den einzelnen Fällen mehr oder weniger
plausibel - zugleich Schlüsse auf das Gesamtverhalten des
Angeklagten in Bezug auf die jeweilige Tatbeute zulassen. Diese
Schlüsse zu ziehen, ist aber Aufgabe des Tatrichters, die ihm
das Revisionsgericht grundsätzlich nicht abnehmen kann.
2. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils mit seinen
Feststellungen.
a) In der neuen Verhandlung werden die in dem aufgehobenen Urteil zu
vermissenden Feststellungen um so leichter getroffen werden
können, als der frühere Mitangeklagte V. nach
Rechtskraft des gegen ihn ergangenen Urteils für die
Aufklärung des Sachverhalts als Zeuge zur Verfügung
stehen wird. Sollten dem neuen Tatrichter eindeutige Feststellungen
gleichwohl nicht möglich sein, weil auch er keine von mehreren
Möglichkeiten des tatsächlichen Geschehens mit
Sicherheit ausschließen kann, so wird er auch eine
Verurteilung des Angeklagten nach den Grundsätzen der
Wahlfeststellung oder der Postpendenz (vgl. Lackner/Kühl aaO
§ 1 Rdn. 19) in Betracht zu ziehen haben. In diesem Fall wird
er an Stelle der für erwiesen erachteten Tatsachen, in denen
die Merkmale der Straftat zu finden sind, den
äußeren und inneren Sachverhalt der Verhaltensweisen
zu schildern haben, die nach seiner Überzeugung als allein
möglich in Betracht kommen (Gollwitzer aaO § 267 Rdn.
46).
b) Im übrigen sieht der Senat für die neue
Verhandlung Anlaß zu dem Hinweis, daß auch die
Strafzumessungserwägungen des aufgehobenen Urteils Bedenken
begegnet hätten. Die Strafkammer hat sich bei der Zumessung
der Einzelstrafen maßgeblich von der Höhe des durch
die jeweilige Vortat dem Tatopfer zugefügten Schadens leiten
lassen. Sie legt dem Angeklagten stets den gesamten Schaden zur Last,
auch wenn sein hehlerisches Tatverhalten nur Teile der Beute aus der
Vortat betrifft. Damit wird das Gewicht des vom
Angeklagten begangenen Unrecht und das Maß seiner
Pflichtwidrigkeit nicht zutreffend erfaßt.
Meyer-Goßner Tolksdorf Athing
Solin-Stojanovic Ernemann |